[TU Berlin] Medieninformation Nr. 131 - 20. Juni 2001 - Bearbeiter/in: mir 
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"Ich war Jud Süß"

Premiere im Hörkino des SFB

Bereits seit den 70er Jahren beschäftigt sich Friedrich Knilli, Emeritus der TU Berlin, mit der Lebensgeschichte des Schauspielers Ferdinand Marian, der in dem berüchtigten Nazi-Propaganda-Film "Jud Süß" die Hauptrolle gespielt hat. Im Frühjahr 2000 veröffentlichte Friedrich Knilli dessen tragische Lebensgeschichte unter dem Titel "Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian." 

Ein Hörspiel und eine Verfilmung sind in der nächsten Zeit geplant. Doch bereits jetzt veranstaltet der Sender Freies Berlin (SFB) eine szenische Lesung des Buches, an der auch die Schauspieler, der Regisseur und der Dramaturg von Film und Hörspiel beteiligt sind. 

Zur szenischen Lesung des Buches "Ich war Jud Süß" möchten wir Sie gemeinsam mit den Veranstaltern herzlich einladen:

Zeit: am Sonntag, dem 24. Juni 2001, um 11.00 Uhr

Ort: SFB, Kleiner Sendesaal, Masurenallee 8-14, 14057 Berlin

Anwesend werden sein: der Autor Prof. Dr. Friedrich Knilli und der Redakteur Manfred Mixner 
Die Sprecher sind: Marina Behnke, Astrid Kohrs, Dieter Mann, Erwin Schastock, Ralf Schermuly und Max Tidof. 
Musik: Jossif Gofenberg

Der Eintritt ist frei. Karten gibt es am SFB-Kartencounter im Haus des Rundfunks.

Im vergangenen Jahrhundert gab es Filmrollen, die nicht nur die Identität, sondern sogar das Leben kosteten. Eine solche war auch der Jud Süß. Ferdinand Marian, der ein in der Weimarer Republik und im Dritten Reich bekannter Schauspieler war, wird nur noch mit seiner Rolle in dem Nazi-Propaganda-Film identifiziert. Warum hat sich Marian zunächst ein Jahr gegen diese Rolle gewehrt und sie dann doch angenommen? Weil er "gerne gut aß und viel trank und an einer ständigen Angst vor sozialer Missachtung litt", beschreibt Friedrich Knilli die tragische Entscheidung Marians in seinem aufschlussreichen Buch. 

"Jud Süß" gehört zu einem der erfolgreichsten Filme der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Publikum stürmte nur so in die Kinos. Marian zeigt einen tragischen Liebhaber, der es mit den großen Charakteren Shakespeares aufnehmen kann. "Er zeigt keine antisemitische Karikatur, sondern realistisch einen Juden, der sich in einem von Judenhass durchtränkten Deutschland assimilieren möchte. Und Marian benutzt dafür Verfremdungstechniken, die ihm der Brecht-Regisseur Erich Engel inmitten der Nazizeit in Berlin beibringt. Er gibt mit epischen Elementen der Figur eine Tiefe des Gefühls, die nur Feuchtwanger mit seinem dramatischen Roman erreichte." 

Die Darstellungskunst des österreichischen Schauspielers Marian macht den Film zu einer modernen love story, die mit antisemitischen Stereotypen gespickt ist. "Sein Süß ist die Kinoikone einer tragischen Liebesaffäre zwischen einem assimilierten Juden und einer Deutschen inmitten des Holocaust." So bringt Friedrich Knilli die Ästhetik treffend auf den Punkt. 

Die Uraufführung in Berlin im Herbst 1940 wird als "antisemitischer Staatsakt" inszeniert. Neue Pogrome erwartet nicht nur die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland", sondern auch das Reichssicherheitshauptamt in der Prinz-Albrecht-Straße. Zu Recht: Immer wieder kommt es nach Aufführungen zu antisemitischen Ausschreitungen. 

Zur Premiere im Berliner Ufa-Palast sind nur geladene Gäste anwesend, fast das gesamte Reichskabinett. Die anschließende Feier ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn elf Minuten vor Mitternacht greifen britische Bomber Berlin an und zerstören Häuser und Menschen, "aber keinen, der die sadistische Hinrichtung des Hofjuden Süß begeistert gefeiert hat". 

Für den Erfolg des Films hat Propagandaminister Joseph Goebbels persönlich Sorge getragen. "Er befahl in einer geheimen Ministerkonferenz seinem Pressechef, dafür zu sorgen, dass die Premiere ihrer Bedeutung entsprechend herausgestellt und dass Süß nicht etwa nur unter dem Strich behandelt wird." Die "antisemitischen Zeitungsjournalisten" tragen ihren Teil dazu bei, wenn sie dem Publikum klarmachen, "dass es sich bei Ferdls jüdischem Lord um den ersten Spielfilm zur Endlösung der Judenfrage handelt". 

Marian berauschte sich an dem Erfolg und genoss die Ehren und Wohltaten in vollen Zügen. Nach dem 8. Mai 1945 flüchtet er nach Österreich, wo er sich zunächst versteckt. Auf seine Wiederzulassung als Schauspieler wartet er vergeblich. Am 9. August 1946 kommt er bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ob es ein Unglück, Selbstmord oder ein Anschlag war, ist bisher nicht geklärt.


Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne Friedrich Knilli, Tel.: 030/8090-3821, Fax: 030/8090-3820 oder E-Mail: friedrichknilli@hotmail.com und Manfred Mixner vom SFB, Tel.:030/3031-3430, Fax: 030/3031-3439 oder E-Mail: manfred.mixner@sfb.de