Exzellenzen, sehr geehrte Mitglieder des Bundestages, sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses, verehrte Gäste, meine Damen und Herren, ich darf Sie sehr herzlich zum Neujahrsempfang hier an der Technischen Universität Berlin begrüßen. Besonders freue ich mich, dass so viele unserer Alumni den Weg zu ihrer alten Uni zurückgefunden haben. In diesen Zeiten können wir es gar nicht hoch genug schätzen, dass Sie, liebe Alumni, das Geschehen in Ihrer Hochschule weiterhin mit Interesse verfolgen. Die Beachtung, die unser (kleiner) Empfang bei Mitgliedern des diplomatischen Korps, des Deutschen Bundestages, der Landesregierung und des Berliner Abgeordnetenhauses findet, nehmen wir mit Freude zur Kenntnis. Ich werte diese Aufmerksamkeit als Ausdruck der Bedeutung, die der Wissenschaft und den Hochschulen generell, unserer Technischen Universität Berlin im besonderen beigemessen wird. Besonders begrüßen möchte ich unsere Freunde und Partner aus der Wirtschaft, mit denen uns viele erfolgreiche Kooperationen verbinden. Ebenso geht ein herzliches Willkommen an die zahlreichen Repräsentanten befreundeter Wissenschaftseinrichtungen aus nah und fern. Herzlich willkommen heißen möchte ich schließlich alle Mitglieder unserer Universität, die in immer größerer Zahl unserer Einladung zum Neujahrsempfang folgen. Sie sind Motor und Antriebsenergie zugleich dieser Einrichtung. Ihnen allen wünsche ich ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2002! Jahreswechsel und der Start in ein neues Jahr sind für viele von uns Anlass für eine Situationsanalyse. Was ist im letzten Jahr passiert, was ist gut gelaufen, was war wichtig, was will man im nächsten Jahr erreichen - diese Gedanken werden vielen von uns durch den Kopf gegangen sein. Das Ergebnis dieses Nachdenkens über die eigene Situation schlägt sich dann in Neujahrsreden nieder. Das Nachdenken über die eigene Situation hat mich dazu bewogen, Ihnen heute ebenfalls eine persönliche Entscheidung mitzuteilen. Aus gesundheitlichen Gründen sehe ich mich nicht mehr in der Lage, mein Präsidentenamt mit voller Kraft und Energie auszufüllen. Ich bedaure sehr, dafür nicht weiter zur Verfügung stehen zu können. Aber da ich kein Freund von halben Sachen bin, habe ich mich entschlossen, als Präsident der TU Berlin zurückzutreten. Ich habe dem Senator heute meinen Rücktritt mitgeteilt, so dass der Weg für eine neue, komplette Führungsmannschaft frei ist. Ich bitte um Verständnis für diese Entscheidung. Aber gerade in den jetzigen Zeiten trägt der Präsident auch die Verantwortung, sich mit voller Kraft für die Wissenschaft, für die Technische Universität Berlin einzusetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies auch das Hauptanliegen meines Nachfolgers sein wird. Für unsere Universität streiten werde ich auch weiterhin, wenn auch nicht mehr als Präsident. In diesem Zusammenhang möchte ich allen von Herzen danken, die meinen Weg begleitet haben. Besonders hervorheben möchte ich dabei alle Vizepräsidenten und den Kanzler, die mit mir gemeinsam gestritten und die TU Berlin weiter auf ihren Weg gebracht haben. Lieber Herr Kutzler, Sie haben in den letzten Monaten ohne Wenn und Aber die Doppelbelastung als Erster Vizepräsident und als mein Vertreter getragen. Dafür gebührt Ihnen mein besonderer Dank. Danken möchte ich außerdem allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr Engagement, Visionen für unsere Universität in die Realität umzusetzen. Damit darf ich es vorerst bewenden lassen, denn schließlich ist dies der Neujahrsempfang der TU Berlin - und nicht meine Verabschiedung. Wie ich schon sagte: Neujahrsempfänge sind der ideale Anlass für Rückblicke und Zukunftsvisionen. Im Rückblick spielt für unsere Universität der Abschluss der Hochschulverträge sicher die einschneidendste Rolle. Wie auch jetzt im Koalitionsvertrag formuliert, stellen die Hochschulverträge einen wichtigen Meilenstein in der Hochschulentwicklung des Landes dar. Auch wenn der finanzielle Aktionsrahmen für Wissenschaft in anderen Bundesländern weit großzügiger gesteckt ist als in Berlin - Berlin zählt mit dem Instrument der Hochschulverträge eindeutig zur Avantgarde in der bundesdeutschen Hochschullandschaft. Mit den Verträgen mussten die Hochschulen einige bittere Pillen schlucken. So bleibt in den Augen der Universitäten die Einrichtung des Strukturfonds zur Stärkung von Kurzstudiengängen ein Ärgernis. Denn vom Wettbewerb um diese Gelder sind die Universitäten ausgeschlossen. Außerdem ist klar, dass mit den vereinbarten 1,5% Tarifausgleich die tatsächlichen Tariferhöhungen nicht aufgefangen werden können. Im Klartext impliziert das für uns eine Plafondsabsenkung unseres Budgets um weitere 900 T€ jedes Jahr, so dass nach 15 Jahren dann jährlich 13,5 Mio € fehlen. Schon jetzt können wir nur 85% unserer Wissenschaftlichen-Mitarbeiter-Stellen besetzen. Wir werden die Konsequenzen, nämlich Reduktion der Studienplätze der TU, bei den Verhandlungen zu den nächsten Verträgen auf den Tisch legen und fragen, wie das Land Berlin seine Zusagen einhalten will, 85.000 Studienplätze auszufinanzieren. Eine Sorge, die alle Berliner Universitäten umtreibt, ist die Finanzierung des umfassenden Generationswechsels in der Hochschullehrerschaft in den nächsten 3-5 Jahren. Dafür erkannte die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur für den Vertragszeitraum einen Bedarf an von 150 Mio. €. Gewährt wurden vom Land letztlich nur 75 Mio. €. Auch wenn diese Summen dem Vergleich mit anderen Bundesländern in keiner Weise standhalten, kann ich konstatieren, dass die TU im Hinblick auf die zahlreichen, anstehenden Neuberufungen wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft blickt. Ursprünglich sollten die Mittel für dieses "Professuren-Erneuerungs-Programm" zusätzlich in den Wissenschaftshaushalt eingestellt werden. Umso bitterer traf die Universitäten nach dem Regierungswechsel die Erkenntnis, dass diese Mittel aus der Hochschulmedizin erstrichen werden sollten. Die Hoffnung, dass damit der Sparbeitrag der Hochschulen nun auch wirklich erbracht war, wurde von allen Politikern jeglicher Couleur genährt - bis die Koalitionspartner SPD und PDS beschlossen, das Universitätsklinikum Benjamin Franklin der FU abzuwickeln. Für uns ist diese Schließung absolut inakzeptabel. Sie ist eine Verletzung der Verträge, aber schlimmer noch: sie sendet für Berlin als Wissenschaftsstandort verheerende Signale nach außen. Ganz zu schweigen von dem Vertrauensverlust in die Politik, die abgeschlossene Verträge einfach als Makulatur betrachtet. Ich muss nicht weiter ausführen, welche Konsequenzen wir im Wettbewerb um international renommierte Forscher zu erwarten haben. 8.000 Arbeitsplätze gab es in 2001 in Firmen, die von Absolventen der TU gegründet worden waren. Diese Unternehmen erwirtschafteten im selben Jahr einen Umsatz von 1,87 Milliarden DM! Berlin darf sich keinen Raubbau an den Wissenschaften erlauben, Wissenschaft und Politik müssen am gleichen Strang ziehen. Mit dem Zukunftspotenzial der Stadt muss pfleglich umgegangen werden. Wir blicken deshalb der neuen Senatsriege mit Spannung entgegen, insbesondere natürlich dem neuen Wissenschaftssenator und seinem Staatssekretär. Wir hoffen trotz der bedrückenden Vorzeichen auf einen sachorientierten und konstruktiven Dialog - vor allem aber darauf, dass Senator und Universitätspräsidenten sich möglichst bald zu fruchtbarer Arbeit an einen Tisch setzen - auch im Interesse des Landes. In einer Zeit, in der alle von neuen, wissensbasierten Arbeitsplätzen sprechen, muss man die Einrichtungen, die die Menschen für diese Arbeitsplätze qualifizieren, nämlich die Hochschulen, mit besonderer Sorgfalt behandeln. Nachlässiger Umgang mit diesen Einrichtungen macht sich in der Folge doppelt bemerkbar. Denn die Hochschulen tragen auch direkt erheblich zum Wirtschaftsstandort bei. Die Zahlen habe ich Ihnen bereits genannt. Doch lassen Sie unseren Blick von außen nach innen wenden: Im vergangenen Jahr wurde die 1998/1999 mit dem Zeithorizont 2001 beschlossene Konzentration von 15 Fachbereichen in 8 Fakultäten umgesetzt. Wir wollten mit dieser Neustrukturierung handlungsfähige Einheiten gewinnen und die Entscheidungen dahin verlagern, wo der Sachverstand sitzt. Ich denke, dieses Ziel haben wir erreicht, auch wenn es hier und dort Anlaufschwierigkeiten gab. Mit der Neustrukturierung ging eine umfassende Verwaltungsreform einher mit Budgetierung, Kosten-Leistungsrechnung und der Einführung eines Controllings. In den großen Linien kann dieser Vorgang als abgeschlossen betrachtet werden. Die Reform hat die Eigenverantwortung deutlich gestärkt und Entscheidungswege sehr viel transparenter gemacht. Wenn ich die Vorgaben zur Verwaltungsreform im Koalitionspapier unserer neuen Regierung betrachte, möchte ich fast erleichtert sage: Das haben wir Gott sei Dank schon hinter uns! Vor uns liegen mehrere Themen, die uns sicher nicht nur 2002 beschäftigen werden: Studienreform mit dem Ziel, Studienzeiten und Abbrecherquoten deutlich zu reduzieren. Wir hoffen, dass die beabsichtigte Modularisierung der Studiengänge hier ein hilfreiches Instrument sein wird. Der bereits erwähnte Generationswechsel in der Professorenschaft, die Umsetzung der Dienstrechtsreform und die Fortentwicklung unserer Forschungszentren werden ebenfalls im Zentrum unseres Interesses stehen. Dass wir Internationalisierung vor allem durch neue gestufte Studiengänge betreiben müssen, ist vielleicht noch nicht in der ganzen Universität angekommen. Hierüber wird intensiv zu diskutieren sein, denn nur so können wir den Bedarf unserer Gesellschaft an hochqualifizierten Arbeitskräften bei einer negativen demographischen Entwicklung decken. An dieser Stelle möchte ich nochmals ausdrücklich betonen, dass wir uns von den Ereignissen des 11. September in keinster Weise davon abbringen lassen, uns international noch weiter zu öffnen. Im Gegenteil, die Entwicklung hat uns in diesem Ziel bestärkt. Als Hochschule mit dem höchsten Anteil ausländischer Studierender begreifen wir die gemeinsame Arbeit und das internationale Miteinander als großen Reichtum, den wir mit all unserer Kraft schützen werden. Mit dem Ziel, die Leistungsdaten in der Lehre zu verbessern, haben wir bereits im vergangenen Jahr begonnen, mit einigen Fakultäten entsprechende Maßnahmen im Rahmen von Zielvereinbarungen zu treffen. Die Leitung ist fest zu Sanktionen entschlossen, sollte keine deutliche Verbesserung bei Studienzeiten und Abbrecherquoten erreicht werden. Gute Lehre basiert auf guter Forschung. Nach der Neustrukturierung der Fakultäten sind wir dabei, auch in der Forschung neue Strukturen zu entwickeln und die vorhandenen Potenziale zu bündeln. Die Fakultäten werden bis Ende des Wintersemesters ihre Entwicklungspläne vorlegen, die versuchen, Synergien zu nutzen und das Potenzial für Forschungsschwerpunkte optimal zu bündeln. Forschungsschwerpunkte sind in einer Zeit von Systemen, die ein ganzheitliches, ein interdisziplinäres Herangehen erfordern, die richtige Antwort auf diese Anforderungen. Unsere Kooperationspartner - insbesondere in der Wirtschaft - verlangen immer mehr nach systemübergreifenden Lösungen. Die Synergien aus der Zusammenarbeit von Ingenieur-, Natur-, Wirtschafts-, Geistes- und Sozialwissenschaftlern sind hier der Motor für innovative Ergebnisse, die immer schneller den Weg aus den Laboren finden. Sei es die Bio- oder Nanotechnologie oder auch das Feld der Mensch-Maschine-Systeme - überall dort, wo Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen zusammentreffen, eröffnen sich neue Blickwinkel und Lösungsansätze. Diese gezielt zu initiieren, zu fördern und auszubauen ist uns ein wichtiges Anliegen. Unsere Forschungsschwerpunkte arbeiten in enger Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Industrie. In Zukunft werden wir noch stärker auf gemeinsame Berufungen mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft setzen. Außerdem wird die Verjüngung der Hochschullehrerschaft ein weiteres tun, um unser Forschungsprofil noch deutlicher zu schärfen, noch innovativer zu werden. In diesem Zusammenhang möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass die Drittmittelbilanz immer noch eine positive Entwicklungstendenz zeigt, obwohl bis 2005 mehr als 190 unserer Soll-Professoren aus Altersgründen ausscheiden werden. Die Erwartung, im Vorfeld der Pensionierung könnte der Forscherdrang nachlassen, ist damit deutlich widerlegt. Für die neue Generation von Forscherinnen und Forschern ändern sich auch die Rahmenbedingungen. Das neue Dienstrecht, das zu Jahresbeginn in Kraft getreten ist, wird überall erhebliche Veränderungen nach sich ziehen. Die Regelqualifikation für die Berufung zum Professor an eine Universität wird spätestens am 2010 die Juniorprofessur sein. Die Habilitation hat bis dahin sicherlich stark an Bedeutung verloren. Um unseren wissenschaftlichen Nachwuchs möglichst effektiv zu fördern, werden wir uns schnell auf die neuen gesetzlichen Vorgaben einstellen. Noch im letzten Jahr haben die Fakultäten im Vorgriff auf das zu erwartende Gesetz die Einrichtung von 10 Juniorprofessuren beschlossen. Dafür haben wir die angekündigte Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Höhe von 75.000 € je Juniorprofessur beantragt. Inzwischen haben wir Bescheid des BMBF, dass unser Antrag aller Voraussicht nach positiv beschieden wird. Dann können wir mit der Berufung der Juniorprofessoren starten, für die wir zwei Grundsätze klar artikulieren: * Internationale Ausschreibung und "Tenure Track" * Das Hausberufungsverbot bleibt weiterhin bestehen in dem Sinne, dass es für Doktoranden, die unmittelbar Juniorprofessor werden, ein "Tenure Track" unmöglich ist. An dieser Stelle möchte ich deutlich betonen, dass wir uns natürlich auch Gedanken darüber machen, welche Perspektiven wir dem akademischen Nachwuchs bieten können, der sich jetzt gerade auf dem Wege zur Habilitation befindet. Wir werden Regelungen finden, die für alle die bestehenden Chancen wahren. Die Dienstrechtsreform und die damit verbundenen jüngsten Änderungen des Hochschulrahmengesetzes erfordern zwingend eine Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. Die TU Berlin hofft, dass der Gesetzgeber hier weiterhin sein Anliegen verfolgt, die Hochschulen in die Autonomie zu entlassen. Wir erwarten, dass nur die notwendigen Rahmenbedingungen im Gesetz fixiert werden, und den Hochschulen die Freiheit verbleibt, die notwendigen Präzisierungen im Rahmen von Satzungen zu regeln, damit jede einzelne Hochschule die für sie optimale Regelung erhält. Es tut sich einiges in unserer Wissenschaftslandschaft. Gestern haben wir nun endlich grünes Licht erhalten, dass wir unsere Universitätsbibliothek jetzt bauen können. Wir mussten schon damit rechnen, dass all unser Engagement für das neue Haus durch Fehlentscheidungen, die wir nicht zu verantworten hatten, zunichte gemacht würde. Ich freue mich sehr, dass unser Sponsor VW uns trotz der langen Verzögerung die Treue gehalten hat und wir nun beginnen können, dieses gemeinsame Projekt zu realisieren. Für mich verbindet sich damit die große Hoffnung, dass wir - die Wissenschaft, Wirtschaft und Politik - gemeinsam unsere Chancen entwickeln. Wir müssen versuchen, aus dem vorhandenen Potenzial das Beste zu machen und den Erfindungsreichtum unserer Köpfe nutzen. Und auf ungewöhnlichere Lösungen setzen als darauf, einfach Einrichtungen zu schließen... In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein erfolgreiches neues Jahr, mit viel Energie, um die Aufgaben, die vor uns liegen anzupacken.