TU intern - April 2000 - Forschung

Der persönliche Informationsbroker

Informationslogistik schafft Orientierung im Datendschungel


Die richtige Information zur richtigen Zeit …

Was tun gegen Informationsübersättigung und gleichzeitiger mangelhafter Informationsversorgung? Individuelles Management könnte da einen Ausweg weisen. Ein neuer Fachbegriff macht seine Runden: Informationslogistik. Mit diesem Thema beschäftigt sich Herbert Weber, Professor für Computergestützte Informationssysteme an der TU Berlin und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST). Es geht um Lösungskonzepte für eine ganze Klasse neuer Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnik. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Faktor Zeit. "Time Management" ist das Schlagwort der Experten.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren in einem Zug zum Flughafen, um dort einen bestimmten Flug zu erreichen, und ihr "Personal Travel Assistant" (PTA) empfängt von einer Dienstestation die Information, dass Ihr Zug verspätet am Flughafen eintreffen wird, Sie den gewünschten Flug aber dennoch erreichen werden, weil auch der Verspätung hat. Dies wird möglich, weil Sie sich mit Ihrem PTA der Dienstestation als Passagier des Zuges und des gewünschten Flugs durch ein "virtuelles check-in" kenntlich gemacht haben. Ihr PTA empfängt, das garantiert die Dienstestation, die Nachricht rechtzeitig vor Ankunft am Flughafen und erspart Ihnen so nervöse Hektik. Eine solche Anwendung berücksichtigt einerseits die Individualisierung in der Informationsversorgung und andererseits die Zielorientierung in der Informationsbereitstellung.

Heute werden öffentlich zugängliche Informationen als mehr oder weniger konfektionierte Massenware angeboten. Der Anbieter entscheidet über die Auswahl der Information und damit über den Inhalt, er entscheidet über den Zeitpunkt der Bereitstellung und über den Verbreitungsweg. Der Informationsempfänger muss aus der Fülle der ihm angebotenen Informationen die für ihn wertvollen herausfiltern und betrachtet den größeren Rest als Informationsmüll. Dabei wird es mit der zunehmenden Informationsfülle immer schwieriger, die "passende" Information herauszufiltern. So steht auf der anderen Seite der Informationsübersättigung ein Mangel an wirklich relevanter Information. Das wird zum Problem für die vielbeschworene Informationsgesellschaft.

Abhilfe schaffen könnte die Informationslogistik. Sie stellt Verfahren sowie Informations- und Kommunikations-Infrastrukturen zur Verfügung, mit denen aus der Fülle angebotener oder verfügbarer Informationen diejenigen ausgewählt werden können, die zu einem bestimmten Zweck, zu einem bestimmten Zeitpunkt und möglicherweise an einem bestimmten Ort benötigt werden. Ziel ist die bedarfsgerechte, nachfrageorientierte Informationsversorgung.


… und an jedem erdenklichen Ort

Voraussetzung für die Entwicklung informationslogistischer Anwendungen und -dienste ist ein Informationslogistikmodell. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Faktor Zeit, da "bedarfsgerecht" neben inhaltlichen Aspekten auch die Verfügbarkeit der Information zum richtigen Zeitpunkt bedeutet.

Daher muss eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen, etwa ein Verfallsdatum für Informationen mit Aktualitätsbezug, schon bei der Bereitstellung berücksichtigt werden. Die Fragen lauten in diesem Zusammenhang: Wann wird die Information benötigt? Wann wird sie erzeugt? Wie lange ist sie verfügbar? Wie lange muss sie aufbewahrt werden? Ändert sich ihr Bedarf möglicherweise in Abhängigkeit vom Alter der Information?

Das Time Management für Informationen hat bereits in einer Reihe von technischen Anwendungen Eingang gefunden, zum Beispiel in der Fertigungstechnik oder in der Prozesstechnik. In anderen technischen Anwendungen erfolgt hingegen nur ein unzulängliches Time Management, etwa im Verkehrsmanagement oder im Management großer Infrastrukturen. Zurzeit werden große Anstrengungen unternommen, für diese noch wenig ausgereiften technischen Anwendungen entsprechende Time Management Techniken einzuführen.

Obwohl gleiche oder ähnliche Anforderungen an das Time Management auch im Management großer Organisationen bestehen und insbesondere die Informationsversorgung des Bürgers häufig darauf ausgerichtet ist, bedarfsgerecht und zeitrichtig zu sein, werden bisher nur geringe Anstrengungen unternommen, diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

Prof. Dr. Herbert Weber


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