TU intern - Januar 2000 - Alumni

Lydia Bauer

Botschafterin der Wissenschaften

Als freie Mitarbeiterin bei der Guardini-Stiftung organisiert sie Tagungen und Ausstellungen, als Lehrbeauftragte am Institut für Romanische Literaturwissenschaft der TU Berlin geht sie ihrer Neigung als Wissenschaftlerin nach. An beiden Aufgaben hängt ihr Herz, beide Aufgaben nebeneinander zu betreiben, wird inzwischen schwierig. Darüber hinaus will sie sich habilitieren. Die Entscheidung, die Lydia Bauer irgendwann auf sich zukommen sieht, ist für sie eine Entscheidung für oder gegen die Wissenschaft. Oder doch nicht?

Nach dem Grundstudium der Germanistik und Romanistik an der TU Berlin studierte sie als DAAD-Stipendiatin französische Literaturwissenschaft an der Université de Poitiers. Weil es ihr dort so gut gefiel, absolvierte sie das Hauptstudium in Frankreich. In Poitiers machte sie die Licence, an der Université Rennes II im darauf folgenden Jahr die Maîtrise. Gerne hätte Lydia Bauer in Paris ihre Promotion geschrieben, aus finanziellen Gründen aber verschlug es sie wieder nach Berlin.

Die französische Lebensart hat ihre Spuren hinterlassen. Nicht, dass sie sich in Berlin unwohl fühlte. ”Auch hier finde ich es toll. Aber ich würde sofort wieder nach Frankreich gehen." Das Studium in Deutschland und in Frankreich ”war eine gute Mischung. An der TU konnte ich Schwerpunkte wählen, in Poitiers und Rennes war ich durch das eher verschulte Studiensystem dazu angehalten, mir Grundlagenwissen anzueignen."

Nach ihrer Promotion über Stendhal und die commedia dell'arte bei Prof. Nerlich an der TU wollte Lydia Bauer neben einer wissenschaftlichen Tätigkeit wie so viele Geisteswissenschaftler als Lektorin in einem Verlag arbeiten. Dann hörte sie ”über acht Ecken", dass die Guardini-Stiftung eine Ausstellung über den französischen Komponisten Olivier Messiaen vorbereitete und eine Mitarbeiterin suchte. Die Guardini-Stiftung ist ein eingetragener Verein und beschäftigt sich wie der Namensgeber der Stiftung Romano Guardini mit den Themen Wissenschaft, Glaube und Kunst. ”Zunächst arbeitete ich stundenweise für die Stiftung. Nach und nach rutschte ich dann in die Stiftungsarbeit hinein, schließlich war ich für die gesamte Projektbetreuung der Messiaen-Ausstellung zuständig - Zufall".

Neben der Messiaen-Ausstellung koordiniert Lydia Bauer seit einem Jahr die Ausstellung ”Geist und Seele der Stadt" (so der Arbeitstitel), eine Ausstellung über die Entwicklung der europäischen Stadt. Sie wird im Juli 2002 anlässlich des Weltarchitektentages im Berliner Martin-Gropius-Bau und anschließend in anderen europäischen Städten gezeigt werden. Im Zusammenhang mit der Ausstellung gibt es verschiedene, thematisch verwandte Veranstaltungen. So organisierte Lydia Bauer im Oktober des vergangenen Jahres ein Kolloquium mit dem Titel ”Endzeit- und Zukunftsvisionen der Stadt", für den November dieses Jahres ist ein Kolloquium zu dem Thema ”Die Stadt als Ort der Erinnerung" geplant.

Die Möglichkeit, eigene Ideen im Rahmen der Stiftung zu verwirklichen, nutzten Lydia Bauer und zwei Kolleginnen ”ganz spontan", als sie hörten, dass die EU ein Pilotprogramm ”Kultur 2000" aufgelegt hat. Im Sommer soll es nun im Haus der Kulturen der Welt eine Konferenz ”Floating Cities - die europäische Stadt in Bewegung" geben, die sich mit neuen Beschreibungsmodellen der Stadt auseinandersetzen wird.

Die Arbeit in der Stiftung erweist sich so langsam als Synthese ihrer Neigungen, denn: Wissenschaftliches Arbeiten und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit sind in der Guardini-Stiftung Programm. ”Die Themen werden nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm verhandelt, sondern im öffentlichen Diskurs." Der wissenschaftliche Anspruch ist hoch, die Ergebnisse wollen gleichwohl allgemeinverständlich sein. Das Ganze macht auch noch Spaß, Frankreich muss da zurückstecken.

ths


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