Die neue TU, Sonderausgabe der TU intern - Hochschulpolitik

Schlank macht eigenverantwortlich

Die Zukunft der Berliner Hochschulen liegt in ihren juristischen Freiräumen

"Wir wollen ein schlankes Hochschulgesetz, das die Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschulen stärkt."
Christoph Stölzl, Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur (parteilos).

Unter welchen Rahmenbedingungen wird sich die Umstrukturierung der Berliner Hochschullandschaft vollziehen? Womit müssen die Unis in den kommenden Jahren rechnen? Der frisch gebackene Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Christoph Stölzl (parteilos), äußert sich gegenüber TU intern über die Zukunft der Berliner Universitäten.

Wie und in welchem Zeitraum werden die Empfehlungen des Wissenschaftsrates umgesetzt?

Wie bereits angekündigt, setzen wir eine Reihe von Kommissionen ein, die sich mit den Empfehlungen befassen und ihre Ergebnisse teilweise bis zum Herbst, im Falle der Regionalwissenschaftlichen Institute binnen eines Jahres vorlegen werden. Einzelne Empfehlungen werden im Zusammenhang mit der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) eine Rolle spielen, andere in die Verhandlungen über die neuen Hochschulverträge einfließen.

Das Berliner Hochschulgesetz wird novelliert, mit welcher Stoßrichtung? Wo liegen die Schwerpunkte? Wie groß wird die Autonomie der Hochschulen werden?

Mit den Hochschulverträgen haben die Berliner Hochschulen ja eine sehr weitgehende Eigenständigkeit erhalten. Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir dahinter zurückfallen. Wir wollen ein schlankes Hochschulgesetz, das die Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschulen stärkt.

Zwischen der Wissenschaftsverwaltung und den Hochschulen werden Ziel- und Leistungsvereinbarungen getroffen. Was ist darunter zu verstehen?

Ziel- und Leistungsvereinbarungen sind bereits in den Ergänzungsverträgen zu den Hochschulverträgen von 1999 enthalten. Durch diese Vereinbarungen werden die Hochschulen zu Reformanstrengungen verpflichtet und der Umsetzungsstand nachvollziehbar.

Die Hochschulen werden künftig vom Land eine leistungs- und indikatorengestützte Finanzierung erhalten. Was heißt das?

Auch dieser Auftrag steht bereits im Haushaltsstrukturgesetz von 1996 und ist in den "ersten" Hochschulverträgen von 1997 konkretisiert worden. Die unterschiedlichen Belastungen der Hochschulen, aber auch ihre Leistungen sowohl in der Lehre wie in der Forschung, sollen sich zukünftig auf die Bemessung des Zuschusses an die einzelnen Hochschulen auswirken.


Wie geht die Ausweitung der Fachhochschulen vonstatten? Wird es Verlagerungen von Studiengängen der Universitäten (z. B. Lehrerbildung) an die Fachhochschulen geben?

Der Wissenschaftsrat empfiehlt in seinem Gutachten nachdrücklich, die Kapazitäten der Fachhochschulen auszuweiten. Wir waren uns mit den Fachhochschulen einig, dass sie ihrerseits Konzepte vorlegen, wie eine Verstärkung des Angebots erfolgen kann. Auch hier erwarten wir bis Herbst eine Konkretisierung.

Es soll neue Organisationsformen der wissenschaftlichen Weiterbildung geben. Woran ist gedacht?

Durch die Einführung von gestuften Studienabschlüssen wird sich die Karrierelaufbahn vieler Absolventen ändern. Ich bin ganz sicher, dass ein Teil der Studierenden zunächst den Bachelor macht, dann den Sprung ins wahre Berufsleben wagt und schließlich - lebenslanges Lernen ist heute unabdingbar - an die Hochschule zurückkehrt, um sich zu spezialisieren oder auf den neuesten Erkenntnisstand zu bringen. Gleichzeitig werden die Hochschulen vermehrt Weiterbildungsofferten entwickeln, mit denen sie auch Einnahmen erzielen können.

Wann beginnen Sie mit den Verhandlungen für die Hochschulverträge, die für die Zeit ab 2002 gelten sollen? Welche Probleme zeichnen sich jetzt schon ab? Ab wann sind die 85000 Studienplätze in Berlin nicht mehr gesichert?

Wir werden die neuen Vertragsverhandlungen auch im Lichte der Wissenschaftsratsexpertise im Herbst 2000 beginnen. Wie schon zuvor wird die Frage der Pensionen und Tarifanpassungen eine wichtige Rolle spielen. Die 85000 Studienplätze sind zurzeit ausfinanziert und der Wissenschaftsrat hat in seinem Gutachten deutlich gemacht, dass Berlin damit seine Landeskinder, eine hohe Anzahl ausländischer Studierender und genügend Studierende aus anderen Bundesländern ausbildet. Dies ist für eine Hauptstadt angemessen und daran müssen wir festhalten. Auf den 85000 Plätzen studieren immerhin 130000 Nachwuchsakademiker, erheblich mehr als beispielsweise in München, wo derzeit rund 80000 Studierende die Hochschulen besuchen.

Werden Sie Hochschulräte und einen Landeshochschulrat einrichten? Wenn ja, wann und wie?

Die vom Wissenschaftsrat empfohlene Einrichtung eines Landeshochschulrates sowie von Hochschulräten erfordert eine tiefgreifende Änderung des Berliner Hochschulgesetzes. Zur Einführung von Hochschulräten ist eine Anhörung mit Experten aus anderen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg geplant, die mit Institutionen dieser Art bereits Erfahrungen gesammelt haben. Die Ergebnisse dieser Anhörung sollen, ebenso wie die mit der Berliner Erprobungsklausel gemachten Erfahrungen, in den Entwurf für eine Novelle des Berliner Hochschulgesetzes eingehen.

Was wäre Ihre erste Tat, wenn Sie Präsident der TU Berlin wären?

Ehrlich gestanden, würde ich meine "Zeitgeistigkeit" testen. Mein erster Gang würde mich in eine Informatik-Vorlesung führen.

Interview: Lars Klaaßen


Leserbriefe

  Die neue TU -
           Juni 2000


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