TU intern - April 2001 - Hochschulpolitik

Streitpunkt Dienstrechtsreform

Hochschullehrer protestieren mit Unterschriftenaktion

Rund 4000 Hochschullehrer protestierten in einer mehrseitigen Anzeige in der FAZ (28. 3. 2001) gegen die Pläne der Bundesregierung zur Hochschullehrerdienstrechtsreform.

Insgesamt 3759 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forderten unter der Überschrift "Schützt die Universitäten vor der Abwanderung ihrer Spitzenkräfte!" Bundesministerin Edelgard Bulmahn auf, die geplante Reform zurückzuziehen, weil mit ihr die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen nicht zu erreichen sei. Die Unterzeichner befürchten, dass die Ausgangsgehälter der Professoren um monatlich 1500 DM auf feste Grundvergütungen gesenkt werden. Der Reformvorschlag sieht ein Mindestgehalt (Einstiegsgehalt für Professoren 7000 DM, später 8500 DM und für Junior-Professoren 6000 DM) und einen leistungsbezogenen Teil vor. Diese Reduktion sei weder dem Amt noch der Ausbildung einer Professorin bzw. eines Professors angemessen, so der DHV weiter. Laut Kienbaum Consultans International GmbH bestehe schon jetzt ein "erhebliches Vergütungsdefizit" der Universitätsprofessoren im Vergleich zu promovierten Wissenschaftlern, die in der Wirtschaft tätig sind. Ernste Sorge bereiten auch die Vorschläge der Bundesregierung zur Änderung der Qualifikationswege für den Nachwuchs. Neben den leistungsabhängigen Gehaltsbestandteilen ist das ein weiterer wichtiger Punkt des Protestes: die Abschaffung der Assistentenstellen und der Habilitation. An ihre Stelle sollen laut Reformvorschlag Junior-Professuren treten.

STANDORT ZWEITER WAHL

"Diese Unterschriftenaktion sei in der hochschulpolitischen Geschichte Deutschlands ein einmaliger Vorgang. Nie zuvor haben sich innerhalb von fünf Wochen so viele Hochschullehrer zu einem gemeinsamen Protest zusammengefunden", erklärte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), der Kölner Völkerrechtler Prof. Hartmut Schiedemair. Der Verband hatte die Protestaktion organisiert. Er wies auch gleichzeitig darauf hin, dass der DHV als Berufsvertretung der Universitätsprofessoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses mit der Bundesregierung in der Zielsetzung der Reform übereinstimme: Die Universitäten müssten international wettbewerbsfähig sein und in die Lage versetzt werden, die besten Köpfe für akademische Forschung und Lehre zu gewinnen und dauerhaft zu binden, so Schiedemair weiter. Doch erhalte Frau Ministerin Bulmahn "jetzt die Quittung dafür, dass sie über die Köpfe der Betroffenen hinweg gehandelt hat und den Hochschullehrern eine unsinnige Reform aufzwingen will. Gegen den nahezu einhelligen Widerstand der Betroffenen kann aber keine Reform wirklich gelingen. Es ist daher höchste Zeit, dass die Hochschullehrer mit ihren Vorschlägen gehört werden", fordert der DHV-Präsident. Wenn das nicht geschehe, werde der DHV in fünf Wochen die Aktion mit weiteren Unterzeichnern als Protest wiederholen.

Rückendeckung bekam die Bundesministerin dagegen von mehr als 400 deutschen Wissenschaftlern, die überwiegend in den USA tätig sind, darunter auch zwei Nobelpreisträger. Die akademische Struktur des deutschen Hochschulsystems sei schon längst nicht mehr zeitgemäß, weil unangemessen hierarchisch und unflexibel. Die Habilitation diene der Zementierung existierender Machtstrukturen, so die Unterzeichner aus dem Ausland. "Viele sind wegen eben dieser Strukturen ins Ausland geflüchtet", sagt Stefan Schlatt, einer der Initiatoren der Unterschriftenaktion, der momentan an der Universität von Pennsylvania forscht. Für talentierte junge Wissenschaftler aus aller Welt sei der Standort Deutschland heute "allenfalls zweite Wahl".

"UNSERIÖS UND IRREFÜHREND"

Gleichzeitig wies das Bundesministerium die Unterschriftensammlung der DHV als "unseriös und irreführend" zurück. "Sie basiert auf falschen Fakten und Unwahrheiten", so die Ministeriumssprecherin Sabine Baun. Die Behauptung, dass die Ausgangsgehälter für neuberufene Professoren um monatlich 1500 DM auf feste Grundvergütungen gesenkt werden, sei völlig falsch. Richtig sei dagegen, dass das Gehalt frei verhandelt wird und nicht unter eine bestimmte Untergrenze fallen darf. Diese Untergrenze sei mitnichten ein "Ausgangsgehalt". Ein leistungsbezogener Gehaltsbestandteil komme auch hinzu. Bundesministerin Edelgard Bulmahn will noch im April einen Gesetzesentwurf vorlegen. Kern des Entwurfes werden die Empfehlungen einer Expertenkommission sein, der auch Vertreter des DHV angehörten. Allerdings legten sie ihre Teilnahme wegen Differenzen nieder.

stt

www.hochschulverband.de
www.bmbf.de/presse01/223.html
http://194.163.254.200/WebX?13@x@.30011e0e


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