TU intern - November 2001 - Internationales

Studieren im Down-Under-Style:

Jeder geht zur Uni - zumindest ein bisschen


In Australien gibt es für Studierende viel zu entdecken - nicht nur das fremde Bildungssystem

Über ein studentisches Austauschprogramm (programmbeauftragter Hochschullehrer ist Prof. Lothar Gründig, Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik) kam ich als Stipendiat an die University of Melbourne. Mein zweites Semester hier ist nun seit ein paar Wochen in vollem Gange und da ist es Zeit für einen kritischen Blick auf die Unterschiede zwischen den Studiensystemen.

Mehr im WWW:
-> University of Melbourne

Als Erstes fällt hier in Australien auf, dass fast jeder von sich behauptet, an der Uni studiert zu haben. Der Grund hierfür liegt in der Struktur der Universitätsausbildung. Im Unterschied zum Diplom in Deutschland gibt es hier Bachelor- und darauf aufbauende Masterprogramme mit zusätzlichen Honours-Zwischenstufen. Nur etwa ein Fünftel der Studierenden verfolgt die universitäre Ausbildung nach Beendigung des Bachelors weiter. Entsprechend sind die Anforderungen der Industrie an Berufsanfänger. Dennoch scheint die Nachfrage nach mehr Masterstudenten mit umfangreicherem Wissen und Verständnis recht groß zu sein. Die Masterkurse werden sehr stark angepriesen und mit üppigen Stipendien verbunden.

In meinem Fachbereich, dem Bauingenieurwesen, scheint man den Studierenden auf dem Weg zum ersten Uniabschluss in den fachlichen Grundlagen nur oberflächliches Wissen zu vermitteln, frei nach dem Motto: „Die Industrie wird sich die Studienabgänger schon zurechtbiegen und mit dem nötigen Fachwissen versehen.“ Leider kommt das grundlegende Verständnis dabei zu kurz.

Wie bei uns auch wird hier den Fachbereichen immer wieder der Etat zusammengestrichen. Professoren beklagen mangelnde Vorlesungszeit und Anforderungen an die Studierenden. Die Lektüre von Fachliteratur wird den Studenten angetragen, findet aber selten Akzeptanz und Anwendung. Da nur wenige Studierenden Masterkurse besuchen, welche die Graduierenden auf ein etwa dem Diplom vergleichbares Niveau heben würden, führt dies bei den Universitäten natürlich zu Einsparungen im Studienprogramm und in der Industrie zu Engpässen.

Der Studienablauf an der University of Melbourne ist im Vergleich zur TU Berlin (und sicher anderen deutschen Unis) wesentlich persönlicher und auf einen direkten Kontakt zwischen Lehrkräften und Studenten ausgerichtet. Grundsätzlich spricht man sich hier mit dem Vornamen an und in Pausen oder auf dem Gang wird auch gern einmal ein privates Schwätzchen eingebaut. Alle Professoren und Assistenten kann man zu beliebigen Zeiten mit seinen Fragen und Problemen „belästigen“, das leidige Thema von Sprechzeiten und nicht erreichbaren Professoren entfällt damit hier vollkommen. Das freundschaftliche Gefühl wird durch unzählige Barbecues im Laufe des Semesters verstärkt.

Gerd Ziegenhorn,
Student


Leserbriefe

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