TU intern - Oktober 2001 - Forschung

Wie kommt das Zebra zu seinen Streifen?

Der Sonderforschungsbereich 555 wird für drei weitere Jahre gefördert

Von der Entstehung der Galaxien über die Fellzeichnung von Säugetieren bis zur Musterbildung bei der Stromleitung in Halbleitern - fast alle Strukturen um uns herum beruhen auf Selbstorganisation. Das Geheimnis von Systemen, die spontan in Raum und Zeit Muster bilden, besteht darin, dass sie sich fernab des thermodynamischen Gleichgewichtes befinden. Was entsteht, wenn unzählige Atome oder Moleküle scheinbar wie von Geisterhand gesteuert makroskopische Muster ausbilden, bezeichnen die Forscher auch als dissipative Strukturen.

Mit deren Erforschung beschäftigt sich der Sonderforschungsbereich 555 "Komplexe nichtlineare Prozesse". Neben der TU Berlin sind die HU, die Universität Potsdam, das Fritz-Haber-Institut und das Weierstrass-Institut für Analysis und Stochastik und seit neuestem auch die FU und die Universität Magdeburg beteiligt.

Mehr im WWW:
-> Sonderforschungsbereich 555 "Komplexe nichtlineare Prozesse"
-> Teilprojekt B1: "Rückkopplungsgesteuerte Strukturbildung in global gekoppelten Halbleitersystemen"
-> Teilprojekt B6 "Nichtlineare Wellen in aktiven Medien - Dynamik und Steuerung"

Der im Juli 1998 gegründete Sfb wird jetzt um drei weitere Jahre verlängert. Alle vier von der TU Berlin beantragten Teilprojekte werden gefördert, wobei eines davon TU Berlin und HU gemeinsam bearbeiten.

Stellvertretender Sprecher des Sfb ist Prof. Eckhard Schöll vom Institut für theoretische Physik der TU Berlin. Er leitet gleichzeitig den Projektbereich "Raumzeitliche Strukturbildung in physikalischen und chemischen Systemen".

Der Sfb vereint die verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass sich Selbstorganisation vom Halbleiter bis hin zu sozialen Systemen prinzipiell mit den gleichen physikalischen Formeln berechnen lässt.

Ziel der Sfb-Forscher ist es nicht nur, die Gesetzmäßigkeiten der Selbstorganisation zu verstehen, sondern mit diesem Wissen auch Vorhersagen über ihre Entwicklung treffen zu können oder sie sogar aktiv zu beeinflussen. Das ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil spontane Strukturbildung nicht immer erwünscht ist. Bei einem gesunden Herzmuskel breitet sich die Erregung beispielweise ausgehend vom Taktgeber Sinusknoten gleichmäßig aus. Gibt es jedoch Heterogenitäten im Gewebe, wie etwa Narben, können diese Ausgangspunkt für die Selbstorganisation spiralförmiger Erregungswellen werden, die dann zu Herzrhythmusstörungen führen können.

An dem Problem, Selbstorganisation gezielt zu beeinflussen, arbeitet Dr. Harald Engel vom Institut für theoretische Physik. Er beschäftigt sich mit der so genannten Belusov-Zhabotinsky-Reaktion. Diese chemische Reaktion hat für die Selbstorganisationsforscher in etwa die gleiche Bedeutung wie Fruchtfliege "Drosophila" für die Genetiker. Werden in einem offenen Reaktor die Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte stetig zu- bzw. abgeführt, bilden sich spontan raum-zeitliche Konzentrationsmuster aus. Die Wissenschaftler verwenden eine Variante der Reaktion mit einem lichtempfindlichen Katalysator und versuchen, die Strukturbildung durch externe Modulation der Lichtintensität und die Anwendung optisch gestützter Rückkopplungsmechanismen zu steuern.

Bettina Micka

Für die Forschungsprojekte des Sfb am Institut für theoretische Physik werden noch Diplomanden und Doktoranden gesucht. Interessenten melden sich bei Prof. Schöll, Tel.: 314-2 35 00, E-Mail: schoell@physik.tu-berlin.de


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