Mysteriöse steinerne Reiter und Schlangen

Dilyana Boteva will an der TU Berlin der Religion der Thraker auf die Spur kommen

Über den Reiter auf den Votiv-Plättchen ...

Seit langem versuchen Wissenschaftler die Bedeutung von thrakischen Heiligenbildern zu entschlüsseln. In Steinplatten, die an heiligen Stätten der Thraker gefunden wurden, ist das Bild eines Reiters gemeißelt. Die gängige Forschung vermutet einen Reiter-Gott als höchste Gottheit der Thraker. Aber die antiken Autoren schweigen dazu, und literarische Quellen der Thraker sind bisher nicht bekannt. Dr. Dilyana Boteva von der St.-Climent-Ohridski-Universität in Sofia, will als Humboldt-Stipendiatin in Berlin dem Nachweis für ihre eigene Theorie näher kommen.

Dilyana Boteva ist bereits seit fast zwanzig Jahren der Bedeutung der Weihedenkmäler des Thrakischen Reiters auf der Spur. Die bulgarische Wissenschaftlerin hofft, auf den Votiv-Platten der Reiter den Schlüssel zur thrakischen Religion zu finden. Die Althistorikerin hat in den letzten Jahren die Motive von rund 3000 Platten in einer Datenbank erfasst. Die meisten Votiv-Platten stammen aus der Zeit römischer Herrschaft vom ersten bis ins dritte Jahrhundert. Die Anordnung der Symbole ist nicht zufällig, ist die Wissenschaftlerin überzeugt.

... soll sich die thrakische Religion erschließen

Neben dem Reiter sind oft auch andere Figuren in den Stein gemeißelt. Eine Schlange ringelt sich dem Reiter entgegen, oder eine Frau steht vor ihm. Auch Reh, Eber und andere Figuren tauchen auf. Dilyana Boteva hat ihre eigene Hypothese zur thrakischen Religion. Möglicherweise symbolisiert die Schlange die wichtigste Gottheit der Thraker, und nicht der Reiter. "Aber nur, wenn man eine Verbindung zwischen den antiken Autoren und den thrakischen Denkmälern findet, kann man die Hypothesen beweisen."

Die Votiv-Platten müssen für sich sprechen. Über die Thraker ist wenig bekannt. Das Volk siedelte im Altertum auf einem Gebiet, das sich von der heutigen Türkei und Griechenland über Bulgarien, Rumänien bis zum Dnjepr-Fluss in der Ukraine erstreckte. "Das Thrakervolk ist nach den Indern das größte auf Erden", schrieb der antike Autor Herodot im fünften Jahrhundert vor Christus. "Wenn es nur einen Herrscher hätte und einig wäre, wäre es unbesiegbar." Die Wissenschaft vermutet, dass die Votiv-Platten einem populären thrakischen Volkskult entstammen, denn viele der bis zu vierzig Zentimeter hohen und fünf Zentimeter breiten Platten sind sehr einfach gearbeitet. "Die Platten muss man als ein Zeichensystem sehen, nicht nur als eine Menge von Symbolen", ist Dilyana Boteva überzeugt. Nun geht es ihr um die systematische Deutung der Zeichen, mittels Zeichen- und Systemtheorien. Dafür ist sie nach Berlin gekommen. Für ein Jahr ist sie zu Gast bei Professor Roland Posner am Institut für Sprache und Kommunikation der TU Berlin. Besondere Erkenntnisse erhofft sie sich von der Arbeit im Archiv der Arbeitsstelle für Semiotik, das in Mittel- und Osteuropa einmalig ist. Finanziert wird der Aufenthalt durch ein Alexander-von-Humboldt-Forschungsstipendium.

Heike Krohn

... Denn es ist keineswegs so, dass Höchstleistungen in den Wissenschaften nur dann gebracht werden, wenn materieller Mangel herrscht. Der Oxforder Gelehrte Robert Burton weist schon 1621 diese Argumentation entschieden zurück: "Manche Förderer der Wissenschaften sind felsenfest davon überzeugt, dass nur die Armut die Gelehrten zur Arbeit anhält. Man muss sie kurz halten wie Pferde vor dem Rennen und darf sie nicht verhätscheln. Wer sie voll stopft, erstickt damit den genialen Funken. Ein fetter Vogel singt nicht, ein fetter Hund taugt nicht für die Jagd, heißt es. Und weil sie uns so verelenden lassen, gebricht es dem einen an den notwendigen Mitteln, dem anderen an Durchhaltevermögen, und alle müssen wir ohne Anerkennung und Ermutigung auskommen und ernten stattdessen Nichtbeachtung und geringschätziges Abwinken."

Wissenschaftssenator Thomas Flierl


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