TU intern
4/2003 als
pdf-Datei
(2,7 MB)
Nr. 4, April 2003
 Themenseiten 
Titel
Inhalt
Aktuell
Wegweiser durch
den TU-Dschungel
Wahlen
Arbeitsplatz Uni
Lehre & Studium
Forschung
Alumni
International
Alltagstechniken
Chinas
Medien
Menschen
Vermischtes
Impressum
TU-Homepage

Wie männlich ist die Wissenschaft - heute?

Geschlechterforscherin Karin Hausen verabschiedet sich von der TU Berlin

Noch einmal trafen sich die Frauen- und Geschlechterforscherinnen Helga Nowotny (l.) und Karin Hausen an der TU Berlin

Das Bohren dicker Bretter ist immerhin vorangekommen", zieht Karin Hausen ihr Fazit. "Immerhin" heißt zum Beispiel: 1960 waren 30 Prozent der Studierenden und ein Prozent der Professorenschaft weiblich (FU Berlin). Heute sind schon rund elf Prozent des professoralen Lehrkörpers Frauen und die Hälfte aller Studierenden. "Es geht sehr langsam", sagt die Leiterin des TU-Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG), "aber mit Ungeduld kommen wir nicht weiter." Prof. Dr. Karin Hausen, die zum 31. März in den Ruhestand ging, stellt fest, dass im Mittelbau Frauen und Männer mittlerweile statusgleich zusammenarbeiten. Auch wird die Professorin heute auf Tagungen und Kongressen nicht mehr für die Sekretärin gehalten.

"Wie männlich ist die Wissenschaft?", hatten Karin Hausen und Helga Nowotny, die heute an der ETH Zürich lehrt, 1986 in ihrer berühmt gewordenen Untersuchung des Wissenschaftsbetriebes gefragt. Jetzt trafen sie sich zu einem Forschungskolloquium an der TU Berlin wieder und stellten fast 20 Jahre später die gleiche Frage noch einmal: "Wie männlich ist die Wissenschaft - heute?"

"Inhaltlich sind wichtige Impulse und neue Forschungsgebiete durch die Frauenforschung entstanden, die Situation der Frauen ist besser geworden", konstatierte Helga Nowotny. "Aber wir müssen festhalten: Die Frauenförderung in Deutschland hat vor allem personalpolitische und ökonomische Hintergründe: Im Vergleich zu Japan und den USA hat Deutschland zu wenig Forschende. Man will die Forschung für Frauen also attraktiver machen, und zwar nicht um der Sache der Frauen willen."

Nüchtern sieht es auch Karin Hausen: Von Führungspositionen und Expertentum werden Frauen nach wie vor gern fern gehalten. Das Geschlechterverhältnis des Nationalen Ethikrates beträgt zum Beispiel 25 Männer : 8 Frauen, der Rürup-Kommission 26:8, der Hartz-Kommission 10:1. Noch schlimmer ist es in der Wirtschaft. Auch in wissenschaftlichen Sammelbänden gibt es heute immer mindestens eine Alibifrau, doch die Bewilligungschancen von Anträgen von Frauen bei der DFG liegen deutlich niedriger als die von Männern. Auch bei der Qualifizierung gibt es nach wie vor eklatante Unterschiede: An der TU Berlin stammten 91 der 375 Dissertationen im Jahr 2002 von Frauen, von 35 Habilitanden waren fünf weiblich. "Die Schnecke bewegt sich langsam", sagen die Frauen im ZIFG, und Karin Hausen wird zwar künftig nicht mehr lehren, aber sie wird weiter forschen und weiter dicke Bretter bohren, damit die Schnecke sich weiterbewegt.

Patricia Pätzold

© TU-Pressestelle 4/2003 | TU intern | Impressum | Leserbriefe