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Nr. 4, April 2003
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Von Borschtsch, Wodka und Salzlampen

Ein völkerverbindender Wissenschaftlerbesuch in der Ukraine

Fast elf Jahre ist Professor Manfred Achilles vom Institut für Fachdidaktik Physik und Lehrerbildung schon in Pension, aber die Physik lässt ihn nicht los. Kürzlich reiste er in die Ukraine und erlebte dort wissenschaftliche Gastlichkeit besonderer Art. Hier ist sein (gekürzter) Bericht:

Mein 1989/96 geschriebenes Buch "Historische Versuche der Physik" regte den ukrainischen Dr. O. Proskura an, mich zur Gedächtnistagung des 100. Geburtstages Osap Stasiws nach L'viv (Lemberg) einzuladen, mitten hinein in ein großes Abenteuer.

Nach der einstündigen Abfertigung in L'viv - nur zwölf Fluggäste stiegen aus - folgte die typisch ukrainische Umarmung mit dem Physiker Professor Dovhyi, der mich sogleich als "Glaubensbruder" erkannte. Entsetzt, dass ich dem nasskalten Wetter ohne Halsschutz trotzte, bot er mir seinen roten Schal an. Prof. Iwan Vakaurtschuk, Rektor der "Nationalen Franco-Universität L'viv" eröffnete die Tagung. Der Präsident der wissenschaftlichen Gesellschaft T. Schewtschenko war ebenfalls anwesend. Als einziger "internationaler" Gast wurde ich recht hofiert und durfte als Erster meinen Vortrag halten - mit 15 Folien und einer gelb verfärbten Salzlampe. Ich gab einen Einstieg ins Thema "Farbzentren". Tatsächlich hat Stasiw 1932/33 die Farbzentren in verschiedenen Alkalihalogeniden bei höherer Temperatur in Bewegung gebracht, was Pohl 1933 zur Voraussage brachte, dass "die Radioröhren in den Rundfunkgeräten bald durch kleine Kristalle ersetzt werden könnten". In der Ukraine legt man scheinbar großen Wert auf Verbindungen nach Westeuropa, die erst seit zwölf Jahren wieder möglich sind.

In der Mensa erhielt ich den obligaten Wodka, Borschtsch und Brötchen. Keiner übernahm sich, denn der Wodka wurde nur in winzigen Mengen nachgegossen, doch die Stimmung war gelöst. Eine Woche blieb ich in Lemberg, denn die Flieger kommen nur dienstags und freitags, was der ukrainischen Gelassenheit entspricht. Man hat dort viel Zeit. Ich besichtigte die vom Kriege völlig unzerstörte Stadt. Die Oper gab "Schwanensee", das Publikum klatschte begeistert im Takt mit. Beim Essen bekam ich, mangels meiner Kenntnisse der kyrillischen Schrift, statt einer duftenden Suppe ein Glas Krimsekt auf den Tisch gestellt ... Alle Kosten trug ich selbst, doch es war ein wundervolles, völkerverbindendes Erlebnis.

Prof. Dr. Manfred Achilles

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