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Nr. 7-9, Juli 2003
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Wo das alte Handy weiterlebt

TU-Wissenschaftler entwickelten eine Demontageanlage - Absatzmarkt Dritte Welt

So stellen sich die Wissenschaftler die zukünftige Demontagefabrik vor

30 Millionen Menschen werden sich in China am Ende dieses Jahres ein Mobiltelefon zugelegt haben. Rund neun Millionen davon beginnen ihre Karriere als mobile Telefonierer mit einem gebrauchten Handy. Bis 2005 könnten rund 35 Millionen gebrauchte Handys in Drittwelt- und Schwellenländern benötigt werden. Weltweit wurden im Jahr 2002 über 400 Millionen Mobiltelefone verkauft. Der Innovationszyklus ist kurz. Und besonders in den Industrieländern landen Millionen technologisch veraltete, aber noch funktionsfähige Handys in Schränken oder auf dem Müll. Über der Industrie dräut die Rücknahmeverordnung für Altgeräte, die Ende 2004 in Kraft treten soll.

Das ist die Ausgangslage, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TU-Sonderforschungsbereiches 281, der unter der Leitung von Professor Günther Seliger mit der Demontage von Großgeräten bereits viel Erfolg hatte, dazu inspirierte, eine automatische Demontageanlage für Handys zu konstruieren. Das Projekt stößt bereits auf großes Interesse.

Projektleiter Bahadir Basdere (M.) mit seinem Team Robert Krauss, Maren Stiller, Lukasz Michniewicz (Gastwissenschaftler aus Polen) und Tobias Brett (v. l.)

"Wir wollten das Erfahrungswissen aus unserem seit 1995 laufenden Projekt ‚Demontagefabriken zur Rückgewinnung von Ressourcen' auf Kleingeräte projizieren", sagt Bahadir Basdere. Er ist der Geschäftsführer des Sfb 281 und leitet das Projekt mit dem Arbeitstitel "ReMobile". Drei Monate analysierte und optimierte er in den USA bei dem weltweit größten Handyaufarbeiter ReCellular Inc. die notwendigen Prozesse. "Dort wird die gesamte Handy-Demontage von Hand gemacht. Das ist natürlich aufwändig, personalintensiv und teuer, doch der Wiederverkaufspreis muss sich im Rahmen halten, damit der anvisierte Markt, Drittwelt- und Schwellenländer, sie auch annimmt", erklärt Basdere. Erst seit Februar arbeitet Basdere mit seiner Arbeitsgruppe an der Automatisierung und Konstruktion von Werkzeugen. Die Demontagestation arbeitet bereits, doch der Teufel steckt im Detail. Immerhin gibt es rund 800 Handy-Varianten mit unterschiedlichen äußerlichen, so genannten geometrischen Merkmalen. Rechnet man alle landesspezifischen Softwareversionen noch hinzu, kommt man auf etwa 2000 verschiedene Varianten. "Das Handy ist ein personalisiertes Stück Technik. Es ist bislang nicht aufarbeitungsgerecht konstruiert und seine Aufarbeitung für den einzelnen Hersteller daher nicht wirtschaftlich. Unsere Zielvorstellung ist natürlich, dass schon die Konstruktion auf die spätere Wiederverwertung ausgerichtet wird."

In einem Handy müssen viele Komponenten in einem sehr kleinen Gehäuse untergebracht werden, was sehr demontageunfreundlich ist: Es gibt sehr kleine Schrauben und Schnappverschlüsse, kaum Greifflächen zum Entnehmen der Komponenten. Insbesondere die klappbaren Geräte werfen noch Probleme auf. Ein ehemaliger Lebensmittelroboter ist das Herzstück der Anlage. Eine Bildverarbeitungsstation erkennt das Handy, ein multifunktionaler Sauger entfernt das Gehäuseoberteil, die entsprechenden Teile werden gegriffen. Probleme wie Sortierung, die Konstruktion eines universellen Gehäuses, An- und Abfuhr von Teilen, weltweiter Bedarf und so weiter werden in interdisziplinären Teilprojekten und Diplomarbeiten bearbeitet. Beispielsweise arbeiten internationale Absolventen des TU-Masterstudienganges "Global Production Engineering" an der Abschätzung des Marktpotenzials ihrer jeweiligen Herkunftsländer, Architekten der Universität der Künste haben einen mobilen Demontage-Container für wechselnde Standorte entworfen. Andere Kollegen untersuchen beispielsweise Probleme von Sammlung, Rücknahme, Zulieferung und Entsorgung.

Anfang Juli ist der Sfb 281 von der DFG für eine letzte Förderperiode von drei Jahren begutachtet worden. Das Ergebnis wird erst im November diesen Jahres vorliegen. Doch Basdere und seine Mitarbeiter sind zuversichtlich. Sie haben bereits Kontakt zu einem der großen Mobiltelefonhersteller für ein Transferprojekt "Grundlagenforschung - Entwicklung von Serienreife - Transfer in die Industrie". Auch über diesen Antrag wird im November entschieden.

Patricia Pätzold

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