7-9/04
Juli 2004
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Der Faktor Frau: Technik wird heute im gesellschaftlichen Team entwickelt

Was bedeutet heutzutage Gestaltung von Technik? Wer sind die Entwicklerinnen und Entwickler, in welchem sozio-ökonomischen Zusammenhang machen sie ihre Erfindungen und für wen? Über diese Fragen machte sich Prof. Dr. Christiane Funken vom Institut für Soziologie auf einer Frauenvollversammlung Anfang Juni Gedanken. Die Technikentwicklung - so Funken - hänge heute von vielen Einflüssen ab. Auf dem Prüfstand der Technikbewertung stehen sowohl Kriterien der technischen Entwicklungsreife als auch Einschätzungen zu Technikakzeptanz, Risiko, Sozialverträglichkeit oder Angemessenheit in den jeweiligen Anwendungsgebieten beziehungsweise für die jeweiligen Nutzungsgruppen.

Neue Technik solle das Leben der Menschen erleichtern und die Welt zugänglicher machen. Doch immer wieder entgleite den Menschen die Kontrolle und es komme zu Unfällen und gar zu Katastrophen. Da die Grenze zwischen menschlichem Handeln und technischen Abläufen sehr unscharf sei, müssten wir Technik als Bestandteil eines umfassenden sozio-technischen Zusammenhanges auffassen, der so komplex geworden ist, dass eine einzelne Disziplin mit ihrer Entwicklung überfordert wäre. Die systematische Berücksichtigung technischer und humanwissenschaftlicher Kriterien müsse daher interdisziplinär erfolgen. Christiane Funken brachte ein Beispiel: Aus ökonomischen Gründen habe sich in der Werkzeugtechnik zunehmend die Miniaturisierung von Werkzeugteilen durchgesetzt, was ihre Haltbarkeit jedoch erheblich herabsetze. Die entscheidende Frage, ob nun lieber klein, das heißt nach dem neuesten Stand der Technik, damit aber auch anfälliger gebaut werden solle, oder aber groß und robust, kann von den Technikern jedoch nicht mehr allein beantwortet werden. Qualität von Technik sei nur in Relation zu sozio-kulturellen Anforderungen (Bedürfnisstrukturen, Nutzungsverhalten, Arbeitsverhältnisse oder Geschlechterverhältnisse) bewertbar. Ein weiteres Problem sei, dass die Handhabung von Technik immer mehr Kompetenzen erfordere, obgleich die Technikakzeptanz in der Bevölkerung permanent abnehme. Auch die Studierendenzahlen seien in Technikfächern bundesweit erheblich geringer als in anderen Fächern.

Wie aber können die unterschiedlichen Interessengruppen der Gesellschaft, die so genannten "stakeholder", in den Gestaltungsprozess eingebunden werden?, fragte die Soziologieprofessorin. Gleichermaßen Männer müssten teilnehmen wie Frauen, die als Nutzerinnen und Konsumentinnen bedient werden wollen und deshalb auch als Entwicklerinnen und Gestalterinnen beteiligt sein müssten. Forschende seien keine neutralen, weltabgewandten Wesen, die objektiv forschen. Sie seien Teil der Gesamtgesellschaft und trügen Erwartungshaltungen und implizites Wissen in den Gestaltungsprozess hinein. Und mehr noch: Technikentwicklung sei durch den Wandel des Arbeitsmarktes und der Arbeitsprozesse auf dem Weltmarkt, den damit erhöhten Wettbewerb und die Individualisierung der Kundenbedürfnisse so komplex geworden, dass es nicht mehr ausreicht, bei einem gegebenen Input zuverlässig einen bestimmten Output zu produzieren. Soll das sozio-technische System funktionieren, dann müssten die menschlichen und die maschinellen Aktivitäten an ihrer Schnittstelle zusammenpassen.

Entsprechend, so Christiane Funken, ließen sich unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse an Technik festmachen, die je nach Geschlecht, Lebenssituation, Alter oder entwickelter Kompetenz variieren könnten. Durch die Integration der unterschiedlichen Sichtweisen (Diversity) könnten Produkte entwickelt werden, die möglichst keine negativen sozialen, ökonomischen oder ökologischen Nebenfolgen haben. Eine Hochschulpolitik, die den Standort Deutschland und insbesondere Berlin stark machen wolle, bekräftigte die Soziologin, dürfe weder die Ingelligenzreserve der Frauen missachten noch die gesellschaftlichen Ansprüche ignorieren.

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