Dem Vergessen entrissen

Studierende erarbeiten ein Buch über Vertriebene in Sachsen-Anhalt

Dass Seminararbeiten von Studierenden nicht immer zwangsläufig in der Schublade verschwinden müssen, zeigt ein Projekt des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA), Technische Universität Berlin. Es ist in Zusammenarbeit mit dem Forschungs- und Dokumentationszentrum DDR-Alltagskultur und Alltagsgeschichte des 20. Jahrhunderts in der Lutherstadt Wittenberg entstanden. Im Rahmen einer von Professor Wolfgang Benz und Dr. Angelika Königseder am ZfA angebotenen Lehrveranstaltung interviewten Studierende Zeitzeugen und erarbeiteten den Begleitband zu einer Ausstellung, die derzeit in Wittenberg zu sehen ist: "Zweite Heimat. Flucht, Vertreibung, Integration Deutscher nach dem II. Weltkrieg in Sachsen-Anhalt". Fast jeder Dritte im heutigen Sachsen-Anhalt gehörte nach 1945 zu den so genannten Umsiedlern. Trotz ihres persönlichen Leids halfen sie aktiv mit, die Trümmer des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen. Über ihre Erfahrungen und traumatischen Erlebnisse bei Flucht, Vertreibung und Neuanfang hatten sie jedoch bis zur Wende Stillschweigen zu bewahren. Die mit dem Mauerfall einhergehende weltpolitische Veränderung ermöglichte es den Umsiedlern jedoch, endlich ihre Erfahrungen und Erlebnisse während der Flucht, der Vertreibung und einem Neuanfang öffentlich zu machen. Über 100 Vertriebene aus der Region Wittenberg konnten für die Mitarbeit und für Gespräche gewonnen werden. Um die lokalhistorischen Einzelschicksale in einen größeren Zusammenhang zu bringen, enthält der Band auch zwei Überblicksdarstellungen: Prof. Wolfgang Benz schreibt über die Ursachen und Folgen der Vertreibung, Manfred Wille über die Einbürgerungspolitik in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Die Ausstellung, die noch bis zum 31. Juli 2004 im Haus der Geschichte in Wittenberg zu sehen ist, und der dazugehörige Begleitband sollen die Schicksale der Vertriebenen, zumindest in der Region Sachsen-Anhalt, dem Vergessen entreißen.

caba