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Mai 2004
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Für den sicheren und pünktlichen Luftverkehr der Zukunft

Starke Beteiligung der TU Berlin an Forschungsvorhaben zur Luftverkehrsinfrastruktur von morgen

Auch der Flughafen Frankfurt/M., internationales Luftkreuz in Deutschland, soll optimiert werden

Die Auswirkungen der Engpässe im Luftverkehr kennt jeder Flugpassagier aus eigenen unangenehmen Erfahrungen. Ungünstiges Wetter und Kapazitätsengpässe bei der Flugsicherung und auf den Flughäfen sorgen für Verspätungen. Neue Lösungen werden an der TU Berlin entwickelt.

Die Kapazitätsprobleme des Luftverkehrs machen deutlich, dass es nicht ausreicht, nur leistungsfähige Flugzeuge zu entwickeln: Auch die zugehörige Infrastruktur muss in der Lage sein, das Verkehrsaufkommen aufnehmen zu können. Der Bau neuer Flughäfen ist - wie man in Berlin nur zu gut weiß - zeitaufwändig und teuer. Eine effektivere Nutzung vorhandener Kapazitäten lässt sich schneller und billiger realisieren. Es sind jedoch neue Technologien und Verfahren zur Kapazitätssteigerung der vorhandenen Infrastruktur erforderlich.

Um diese Technologien zu erforschen, konnte das Fachgebiet Flugführung und Luftverkehr der TU Berlin im vergangenen halben Jahr mehrere durch Bundesregierung und Industrie geförderte Forschungsprojekte neu einwerben. Dabei konnte Prof. Dr.-Ing. Manfred Fricke Projekte im Wert von 1,31 Millionen Euro und Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hüttig im Wert von 0,45 Millionen Euro gewinnen. Voraussetzung für diese Drittmitteleinwerbungen mit einem Gesamtvolumen von 1,76 Millionen Euro ist die in Europa einmalige Infrastruktur des Instituts für Luft- und Raumfahrt, deren zentraler Bestandteil der A330/340-Flugsimulator ist. Das Fachgebiet Flugführung und Luftverkehr gilt in Lehre und Forschung seit Jahrzehnten als ein führendes europäisches Kompetenzzentrum der Luftfahrtforschung und kann dies durch zahlreiche Absolventen in leitenden Positionen und vielfältige Forschungsaktivitäten nachweisen.

Ein traditionsreiches Forschungsfeld des Fachgebiets Flugführung und Luftverkehr an der TU Berlin ist die Optimierung der Flugsicherungsprozesse. Dadurch kann die Kapazität des Luftraums gesteigert werden. Zu diesem Thema fördert die Bundesregierung im Rahmen des dritten Luftfahrtforschungsprogramms (kurz LuFo III) das Projekt "Kooperatives Air Traffic Management", kurz als K/ATM bezeichnet. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines von Airlines, Flughafenbetreibern und Flugsicherung kooperativ genutzten Planungssystems, das eine durchgängige planbasierte Abwicklung aller Flugbewegungen am und um den Flughafen erlaubt. Das Fachgebiet Flugführung und Luftverkehr ist mit zwei Vorhaben an diesem Projekt beteiligt. Eine Arbeitsgruppe wird sich mit der Evaluation und Zulassung neuer Anflugsysteme, die auf Satellitennavigationsverfahren basieren, beschäftigen. Diese "Ground Based Augmentation Systems", kurz GBAS, stellen eine Ergänzung zu bekannten Satellitennavigationssystemen wie GPS oder GALILEO dar. Sie steigern die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Positionsangabe erheblich, sodass sie langfristig bisherige Instrumentenlandesysteme vollständig ersetzen sollen. Da GBAS wesentlich preiswerter zu realisieren sind als bisherige Systeme, können Präzisionslandesysteme an mehr Flughäfen bereitgestellt werden, was einen erheblichen Gewinn an Sicherheit und Wetterunabhängigkeit des Flugverkehrs ermöglicht. Die zweite Projektgruppe entwickelt ein ereignisorientiertes Simulationskonzept für Flugsicherungsprozesse. Dieses innovative System soll eine schnelle und realitätsnahe Evaluation von neuen Flugsicherungskonzepten ermöglichen und stellt damit einen der Grundpfeiler des K/ATM-Vorhabens dar. In den beiden Vorhaben arbeiten die Wissenschaftler der TU Berlin intensiv mit der Deutschen Flugsicherung GmbH sowie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig zusammen.

Gemeinsam mit dem Flughafenbetreiber FRAPORT AG untersucht eine Forschergruppe der TU Berlin im Rahmen des - ebenfalls durch LuFo III geförderten - Verbundprojektes "Zweischwellenbetrieb" Möglichkeiten, um die Landebahnkapazität trotz schwieriger Umgebungsbedingungen zu steigern. Die beiden parallel verlaufenden Landebahnen des Frankfurter Flughafens haben einen zu geringen Abstand für einen unabhängigen Betrieb auf beiden Bahnen. Die Folge ist, dass zwischen anfliegenden Flugzeugen große Zeitabstände eingehalten werden müssen. Durch eine Verschiebung der Landebahnschwelle entlang der Bahn können die Anflugwege stärker voneinander getrennt werden, wodurch die Anzahl der Landungen pro Stunde deutlich erhöht werden kann, ohne dass umfangreiche Baumaßnahmen erforderlich sind. Ein solches Betriebsverfahren erprobt der Frankfurter Flughafen seit mehreren Jahren. Im Rahmen des jetzt begonnenen Forschungsvorhabens sollen Strategien zur Optimierung der Betriebsabfolge untersucht werden, mit denen das Verfahren weiterentwickelt und die Kapazität des Frankfurter Landebahnsystems erhöht werden kann. Begleitend werden arbeitswissenschaftliche Studien im Flugsimulator an der TU Berlin durchgeführt, um Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Akzeptanz der neuen Betriebsverfahren gewährleisten zu können.

Sicherheitsaspekte stehen auch im Zentrum eines dritten Verbundvorhabens, in dem Wissenschaftler der TU Berlin sich mit der Konzeption und Umsetzung von Sicherheitsmanagementsystemen (SMS) für Flughäfen beschäftigen. In diesem Rahmen sollen Grundlagen für die Bewertung von Sicherheitsmaßnahmen, wie die Bereitstellung von Flughafenfeuerwehren oder die Regelung des Rollverkehrs auf Flughäfen, erarbeitet und entsprechende Richtlinien vorbereitet werden. Partner in diesem Vorhaben sind die Flughafen München GmbH und das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

Die Steigerung der Sicherheit in der Luft ist das Ziel des Co-Space-Projekts, das vom Forschungszentrum der europäischen Flugsicherungsbehörde Eurocontrol in Bretigny bei Paris geleitet wird. Hauptaspekte sind die Untersuchung der Machbarkeit und der Vorteile von Verfahren zur bordseitigen Kontrolle von Separationsabständen ("airborne spacing") mithilfe der Erteilung von Kontrollanweisungen ("spacing instructions") durch die Lotsen der Flugverkehrskontrolle. Wissenschaftler der TU Berlin werden im Rahmen dieses Projekts experimentelle Untersuchungen im Flugsimulator durchführen.

Ebenfalls einen europäischen Hintergrund hat das von dem Flugzeughersteller Airbus finanzierte Projekt INFRACAP, das Möglichkeiten zu einer effizienteren Nutzung der Luftfahrtinfrastruktur untersucht. Hierbei analysiert ein Forscherteam erstmals methodisch alle Luftfahrzeugeigenschaften, die einen Einfluss auf die Kapazität der Luftverkehrsinfrastruktur haben. Ziel ist es, die Interaktion zwischen Luftfahrzeugeigenschaften und Infrastruktur besser zu verstehen. Auf dieser Wissensbasis können Lösungen zur Steigerung der Kapazität gefunden und evaluiert werden, die ohne teure bauliche Maßnahmen auskommen. Mit diesen Ergebnissen sollen Technologien und Konzepte für das kapazitätssparsame und umweltverträgliche Flugzeug der Zukunft entwickelt werden.

Dipl.-Ing. Florian Böhm

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