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April 2005
 
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Universität als Wirtschaftsunternehmen

Deutsche Hochschulen im Kampf um Autonomie und eine sinnvolle Organisation

Über den richtigen Weg zu mehr Autonomie in hochschulpolitischen Fragen wird auch an der TU Berlin diskutiert. Blick auf den Franz-Fischer-Bau (Technische Chemie)
Foto: TU-Pressestelle

Alles ist relativ. Der Kalauer, mit dem in diesem Einstein-Jahr die moderne Physik bedacht wird - auf ein Problem wie die "Hochschulautonomie" trifft er wörtlich zu. Alle Welt ist dafür, aber von welchen Kompetenzen genau die Rede ist und wie weit die Freiheit gehen soll, das bleibt offen.

Der Normalfall staatlicher Hochschulen in Deutschland sieht so aus: Über die große Masse von finanziellen und personellen Detailfragen wird faktisch innerhalb der Hochschule entschieden; nur wenn es strittig, also eigentlich interessant wird, dann liegt das letzte Wort doch wieder beim Staat. Die Zahl der Studienplätze ist durch eine Verordnung an die Menge des wissenschaftlichen Personals gekoppelt, die Vergabe haben die Länder zu einem Teil der Zentralstelle in Dortmund übertragen, die staatlichen Studienabschlüsse werden ohnehin per Gesetz geregelt, Studiengebühren dürfen die Hochschulen vorläufig nicht erheben, die Berufung von Professoren haben die Minister sich selbst vorbehalten.

Ende letzten Jahres hat der Hessische Landtag eine Ausnahme von seinem eigenen Hochschulgesetz beschlossen: Die Technische Universität Darmstadt praktiziert einen Modellversuch mit "Hochschulautonomie". Das bedeutet nicht nur, dass die Verantwortung für Personal, Finanzen, Immobilien, Numerus clausus vom Ministerium an die Hochschule übergeht, in Zukunft werden auch die Professoren vom Präsidenten ernannt. Eine mittelgroße Revolution im deutschen Hochschulwesen: Als Wilhelm von Humboldt vor fast zwei Jahrhunderten das klassische Zeitalter der deutschen Universität einläutete, ging er noch ganz selbstverständlich davon aus, dass es der Staat ist, der "durch die Wahl der zu versammelnden Männer" - an Frauen war noch nicht gedacht - "für Reichtum an geistiger Kraft" zu sorgen hat.

Hintergrund des Darmstädter Modells ist die Überlegung, dass nur "unabhängige" Universitäten zur internationalen Spitze vorstoßen könnten. Autonomie als "Standortvorteil". In knapp einem Jahr wird die TU Darmstadt dem Landtag ihren ersten Evaluationsbericht vorlegen. Die Nagelprobe wäre jedoch erst in einem Konfliktfall gegeben: Was geschieht, wenn Regierung oder Parlamentsmehrheit zu dem Eindruck kommen, dass die Universität gerade jenen Ausbildungs- oder Forschungsaufgaben, die politisch gewollt sind, nicht nachkommt? Mindestens solange der Steuerzahler der wichtigste Financier bleibt, liegt die Budgetverantwortung am Ende beim Parlament.

Innerhalb der TU Darmstadt hat das Modell bereits im Vorfeld zum Streit geführt: "Entdemokratisierung", schelten die Studierendenvertreter. Das kann man im Präsidium nicht nachvollziehen, da die Kompetenzen ja nicht innerhalb der Hochschule, sondern gerade zwischen Staat und Hochschule verschoben worden sind. Aber zweifellos ist es das Präsidium der Hochschule, das Management, wenn man so will, das an Macht gewonnen hat. Vielleicht deutet sich in Darmstadt ja ein Paradigmenwechsel an: Die klassische deutsche Ordinarienuniversität konnte spätestens seit der Vervielfachung der Studierendenzahlen in den 60er-Jahren nicht mehr funktionieren, an der Funktionsfähigkeit der Gremienhochschule in den folgenden Jahrzehnten sind die Zweifel niemals verstummt. Demnächst also die staatliche Hochschule als eine Art Wirtschaftsunternehmen? Da wären - Stichwort: Kundenmacht - manche Fragen der Wissenschaftsorganisation ganz anders zu diskutieren, als Wilhelm von Humboldt das voraussehen konnte.

Josef Tutsch

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