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Februar-März 2005
 
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Die Einheit von Weisheit und Technik

Orte der Erinnerung: Conrad Matschoss - Pionier der Berliner Technikgeschichtsschreibung

Matschoss' Grabstein mit symbolträchtigem Ornament: Die Eule von Minerva hat in einem Zahnrad ein Nest gefunden. Das "Streben nach Weisheit" und die Technik bildeten für Matschoss stets eine Einheit
Foto: Förster

Sein Name scheint vergessen, doch es lohnt sich, an die Lebensleistung des Ingenieurs und Technikhistorikers Conrad Matschoss zu erinnern. War sein Wirken doch auch eng mit der TU Berlin verbunden. Hier wirkte er ab 1909 zunächst als Lehrbeauftragter, später als Honorarprofessor. Außerdem war die TH die erste technische Hochschule Deutschlands, die sein Fach "Technikgeschichte" etablierte.

Conrad Matschoss, 1871 in der Provinz Posen geboren, entstammte einer Pastorenfamilie. Doch er wählte nach dem Abitur 1890 für einen technischen Beruf und studierte Maschinenbau an der TH Hannover. Nach kurzer Beschäftigung in der Industrie entschied er sich für eine lehrende Tätigkeit zunächst am Technikum in Hildburghausen, seit 1898 an der Maschinenbauschule in Köln. Hier entwickelte sich sein Interesse an technikgeschichtlichen Fragestellungen. 1901 publizierte er das Buch "Geschichte der Dampfmaschine: ihre kulturelle Bedeutung, technische Entwicklung und ihre großen Männer".

Dass ein Ingenieur und kein klassischer Historiker diese Arbeit verfasst hatte, war ein Novum. Die akademische Geschichtsschreibung interessierte sich - bis auf wenige Ausnahmen - nicht für die Entwicklungsgeschichte der Technik. Dennoch erregte Matschoss' Projekt, Technikgeschichte als wissenschaftliche Disziplin zu begründen, Aufmerksamkeit. Die Kölner Schule und der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) förderten ihn. Im Jahre 1906 trat Matschoss in den Dienst des VDI, stieg auf und wurde 1916 dessen Direktor.

1908 legte er eine zweibändige, wissenschaftlich gesicherte Arbeit über die Entwicklung der Dampfmaschine vor. Technikgeschichte, von Ingenieuren betrieben, hatte sich etabliert. Nun gründete Matschoss 1909 als einen Kristallisationspunkt der technikgeschichtlichen Forschung das Jahrbuch "Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie", das er bis 1941 herausgab. Der VDI gründete die "Technikgeschichte" 1965 als Vierteljahresschrift wieder. In der wissenschaftlichen Leitung arbeitete bis Ende 2003 auch der derzeitige TU-Lehrstuhlinhaber für Wissenschafts- und Technikgeschichte Wolfgang König.

Ebenfalls 1909 initiierte sein Mitstreiter und Kritiker, Franz Maria Feldhaus, das Institut für "Quellenforschung zur Geschichte der Technik und Naturwissenschaften". 1909 begann auch Matschoss' dreißigjährige Lehrtätigkeit an der TH Berlin; 1912 wurde er Prädikats- und 1929 Honorarprofessor. 1936 stellte die TH erstmalig einen Assistenten ein. Da Mattschoss seine Lehr- und Forschungstätigkeit quasi im "Nebenamt" ausübte, konnten nicht immer alle strengen wissenschaftlichen Kriterien erfüllt werden.

Trotz seines Willens zur Eigenständigkeit ergaben sich Ähnlichkeiten zur klassischen Universitätsgeschichte: Heroen wurdem geboren - so wie in der Politik machten auch in der Technik große Männer Geschichte. Aber Matschoss versuchte zugleich, den kulturgeschichtlichen Denkansatz des Leipziger Historikers Karl Lamprechts (1856-1915) für seine Arbeit produktiv zu machen. Er las und rezensierte die Werke des Leipzigers und strebte eine Synthese von Technikgeschichte und Kulturgeschichtsschreibung an, wie in seiner heute noch lesenswerten Arbeit "Preußens Gewerbeförderung und ihre großen Männer" (1921) erprobt. Mit Werner Lindner erarbeitete er eine Dokumentation "Technische Kulturdenkmäler", die 1932 unter diesem Titel als programmatisches Buch erschien. Matschoss Stellung nach 1933 war zwiespältig. Er trat weder der NSDAP bei, noch teilte er deren Rassismus und hielt auch seine Bücher davon frei. Dennoch konnte sich der alternde Mann einer gewissen Indienstnahme durch die Nazis nur schwer entziehen. Conrad Matschoss starb am 21. März 1942. Seine letzte Ruhe fand er auf dem legendären Waldfriedhof in Stahnsdorf bei Berlin.

Hans Christian Förster

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