2-3/05
Februar-März 2005
 
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Anerkennung, aber keine Arbeit im Land der Hoffnung

Der lange Weg des August Röbling zur Brooklyn Bridge, der größten Hängebrücke der Welt des 19. Jahrhunderts

1855 wurde die Doppelstockbrücke über den Niagara eingeweiht, die erste Hängebrücke der Welt, die Einsenbahnüberquerung und normalen Straßenverkehr zuließ
aus: Steinmann: Brücken für die Ewigkeit, Werner-Verlag

Vor 150 Jahren, im März 1855, wurde die erste eiserne Eisenbahnhängebrücke der Welt über den Niagara eingeweiht. Mit ihrer Spannweite von 280 Metern und dem Straßenverkehr, der noch unter der Eisenbahn parallel über die Brücke geführt wurde, war sie eine technische Sensation. Sie machte ihren Konstrukteur berühmt und reihte ihn ein in die großen Brückenbauer der USA: Johann (John) August Röbling, geboren 1806 in Mühlhausen/Thüringen, Absolvent der Berliner Bauakademie, einer Vorgängereinrichtung der TU Berlin, im Jahre 1831 in die USA eingewandert.

Zusammen mit seinem Freund F. A. Stüler, dem späteren Schinkel-Nachfolger, hatte sich Röbling auf die Prüfung für die renommierte Berliner Bauakademie vorbereitet. 1824 begann seine Ausbildung zum Zivilingenieur. Die technische Mode der Zeit waren eiserne Hänge- und Kettenbrücken. Der Brite T. Telford baute zwei wegweisende Hängebrücken von Menai und Conway-Castle. Karl Friedrich Schinkel zeichnete diese Bauwerke während einer Englandreise und publizierte sie in einem Berliner Journal (siehe Illustration zum Artikel "Die Brücke, die denkt"). Der Franzose Navier entwickelte die theoretischen Grundlagen dieser Bauweise, und Dietlein übertrug sie ins Deutsche.

Der junge Röbling war von Hängebrücken fasziniert. 1827 schrieb er seine Abschlussarbeit über eine solche Brücke, die sich in Bamberg im Bau befand. Aber neben dem technischen Interesse begeisterte er sich auch für Philosophie. Im Wintersemester 1826/27 hörte er Hegels geschichtsphilosophische Vorlesungen. Dabei lernte er Amerika als das "Land der Hoffnung" lieben. Der junge Röbling verließ tatendurstig die Bauakademie, fand aber nur als Hilfsingenieur Anstellung. Neben der Freiheit für den Tüchtigen vermisste er in der Heimat auch politische und geistige Toleranz. 1831 entschloss er sich zur Auswanderung. In der Neuen Welt wurde er zunächst Landwirt. Aber das Leben als Farmer sagte ihm wenig zu. Nach Heirat und Geburt des ältesten Sohnes Washington erhielt die Familie 1837 die US-Staatsbürgerschaft. Röbling versuchte, wieder im erlernten Beruf Fuß zu fassen. In Nordamerika begann die industrielle Revolution als Revolution im Verkehrswesen: Kanäle, Eisenbahnlinien, Brücken wurden gebaut. Doch die Konkurrenz war hart, das Diplom verschaffte Röbling zwar Anerkennung, aber keine Arbeit. Er begriff, dass er nur Erfolg haben würde, wenn er als Ingenieur außer den Plänen auch das wichtigste Material für seine Brücken liefern könnte. So baute er 1840 eine Drahtseilfabrik auf, entwickelte diverse Herstellungsverfahren und publizierte die Vorteile seiner Bautechnologie.

Das war der Durchbruch! Als Ingenieur-Unternehmer war er gefragt. 1845 baute er die erste Kanalhängebrücke über den Allegheny-Fluss. Sechs Brücken in sechs Jahren schlossen sich an. Als vorläufiger Höhepunkt erwies sich die oben erwähnte Niagara-Brücke. Das Besondere dieses Baus waren die Versteifungen und Schrägverspannungen, die ihm zusätzlich Halt und Widerstand gegen Windauftrieb - eine gefährliche Einsturzursache - gaben. 1855 stellte Röbling im Abschlussbericht zu dieser Brücke fest, dass Stahldrahtseile bester Qualität eine doppeltlange Spannweite erlauben würden. Die Möglichkeit einer Hängebrücke mit der Spannweite von 490 Metern über den East River von New York schien realisierbar. Röbling arbeitete akribisch die Konstruktionspläne für die Brooklyn Bridge aus. 1870 sollten die Bauarbeiten beginnen, doch kurz zuvor kam es zur Katastrophe: Bei Vermessungsarbeiten wurde Röblings Fuß gequetscht, Tetanus stellte sich ein, und schließlich der Tod am 22. 7. 1869. Sein Sohn Washington Röbling und dessen Frau Emelie konnten schließlich 1883 die Brooklyn Bridge als größte Hängebrücke der Welt vollenden.

Hans Christian Förster

Lesen Sie auch: Die Brücke, die denkt - Mike Schlaich forscht an der Konstruktion agierender und wandelbarer Bauten

Röbling wird 200

Im Juni 2006 jährt sich der Geburtstag Johann August Röblings zum 200. Mal. Das Stadtmuseum Berlin und die Internationale Bauakademie e.V. bereiten dazu eine umfangreiche Ausstellung vor, die in der Attrappe der Schinkelschen Bauakademie in Mitte gezeigt werden soll. Bundesweit finden noch weitere Veranstaltungen statt: ein Buchprojekt, eine Tagung in der Fachhochschule Potsdam zur Geschichte des Brückenbaus und der Tragwerksentwicklung sowie eine Festveranstaltung in Röblings Heimatstadt Mühlhausen in Thüringen.

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