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November 2005
 
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Vergangen, aber nicht vergessen

Über die erstaunliche Aktualität eines "Unzeitgemäßen"

Henning Reuleaux, Urenkel von Franz
Foto: Förster

Franz Reuleaux (1829-1905) entstammte einer Technikerfamilie und erlernte den Maschinenbauberuf von der Pike auf. Er absolvierte 1850-52 das Karlsruher Polytechnikum. Seine Ausbildung ergänzte er mit philosophischen und anderen Studien an den Universitäten Berlin und Bonn. 1856 erhielt er eine Professur am Züricher Polytechnikum. Hier lehrte er Maschinenbau und schrieb sein Buch "Der Konstrukteur". Sein Ziel war, eine exakte Maschinenwissenschaft zu entwickeln. 1864 ging er nach Berlin, wo er 32 Jahre als Lehrer an der Gewerbeakademie, dann als deren Direktor und ab 1879 als Professor an der TH zu Berlin tätig war. Er verband Lehre mit Forschung und ermutigte die Studenten, Spezialwissen durch breite Bildung zu ergänzen. Als sein Hauptwerk gilt die "Theoretische Kinematik". In Wort und Schrift fiel er durch Kreativität und Sprachfantasie auf. Wichtige Technikbegriffe kommen aus seiner Feder. Er war kritischer Begleiter der Industrieentwicklung. Er forderte Qualitätsproduktion, denn sie sei ein Beschäftigungsprogramm für junge Ingenieure. 1896 schied er im Streit aus der TH aus, er galt als "unzeitgemäß". Doch 1912 wurde ihm ein Denkmal gesetzt, das noch heute auf dem Südgelände hinter dem Hauptgebäude zu finden ist. Dr. Henning Reuleaux, Frauenarzt a. D. in Berlin, beschäftigt sich seit einigen Jahren mit seinem Vorfahren.

Dr. Reuleaux, wie sind Sie mit Franz Reuleaux verwandt?

Franz Reuleaux ist mein Urgroßvater. Er hatte mit seiner Frau Charlotte fünf Kinder, drei Töchter und zwei Söhne. Von den Söhnen wanderte Eugen 1894 in die USA aus, der andere, Oskar, ist mein Großvater. Er war technischer Offizier in der preußischen Armee. Ich selbst wurde 1938 in Berlin geboren und bin einer von 16 Urenkeln, die in Deutschland, der Schweiz, den USA und Australien leben.

 
  Franz Reuleaux, Urgroßvater von Henning
aus: Carl Weiher „Franz Reuleaux und seine Kinematik“, Berlin, Springer 1925

Der Name Reuleaux ist in Berlin relativ selten. Wurden Sie und werden Sie häufig wegen Ihres Urgroßvaters angesprochen?

Ja natürlich, während des Studiums fragte mich mein Anatomie-Professor, ob ich ein so guter Mathematiker wie mein Urahn wäre? Ich antwortete, wäre ich es, so hätte ich mich nicht für Medizin entschieden. Ein Dozent der Kunsthochschule Weißensee erklärte mir die Aktualität der Ideen meines Urgroßvaters über Zusammenhang von Technik und Design. Nicht zuletzt wurde ich 1979 von der TU Berlin zur Feier des 150. Geburtstages von Franz eingeladen. Doch obwohl der alte Engels meinen Urgroßvater "einen Wissenschaftler von europäischem Ruf" nannte, durfte ich nicht von Ost- nach Westberlin reisen.

Haben Sie Zugriff auf den Nachlass?

Heute bekomme ich viele Anfragen aus aller Welt auch zum Privatleben von Franz. Sein Nachlass liegt im Deutschen Museum. Aber er enthält leider wenig aus dem Familienleben. Beeindruckt haben mich die Anfragen von Professor Francis C. Moon, Cornell University in Ithaca, New York. Dort sind die Schriften Reuleauxs Lehrgegenstand. Professor Moon, der sich mit moderner Chaostheorie und zugleich mit der Kinematikgeschichte beschäftigt, ist Kurator der Reuleaux'schen Modellsammlung an der Cornell-Universität. Moons Publikationsliste weist aus, dass er plant, eine internationale Digitalbibliothek zur Kinematikgeschichte anzulegen.

Was könnte uns Franz Reuleaux als Mensch heute noch bedeuten?

Wir stehen auf den Schultern der Vorväter und sollten ehren, was sie dachten, aber es auch weiterdenken. Mein Urgroßvater reflektierte ohne Scheuklappen, deshalb bleiben vieler seiner Texte heute noch lesenswert und sogar aktuell.

Das Gespräch führte
Hans Christian Förster

Fest-Kolloquium

"Theorie vs. Praxis: 100 Jahre nach Reuleaux?, heißt die Veranstaltung, die den 100sten Todestag von Franz Reuleaux im Rahmen des Wolfgang-Beitz-Gedenkkolloquiums würdigt.

Fachvorträge zur Kinematik Franz Reuleaux', zu den Technikwissenschaften im 20. Jahrhundert und zu heutiger Forschung und Lehre erwarten die Teilnehmer. Außerdem eine Podiumsdiskussion zum Thema der Veranstaltung.

Um 17 Uhr folgt die zweite feierliche Verleihung des Wolfgang-Beitz-Preises für ein innovatives Produkt, das auf die erfolgreiche Umsetzung der methodischen Produktentwicklung zurückzuführen ist.

Ort: TU Berlin Hauptgebäude, Raum H 3027
Zeit: Freitag, 2. Dezember 2005, 10.00-19.30 Uhr

www.ktem.tu-berlin.de

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