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Wenn Bürger zu Stadtentwicklern werden

Erfahrungen in den USA könnten lehrreich für Deutschland sein

Areal um die Charlotte Street der South Bronx in New York im Jahr 1981 (oben) und 1995: In enger Zusammenarbeit mit Non-Profit-Organisationen wurden auf dem zuvor verwahrlosten Areal Eigentumswohnungen geschaffen
© privat (2)

In den Kassen deutscher Städte und Kommunen herrscht Ebbe, für vieles fehlt das notwendige Geld. Die Bürger müssen sich mehr engagieren, fordern Politiker und Wissenschaftler seit Jahren. Gerade in der Stadtentwicklung wird große Hoffnung auf zivilgesellschaftliche Akteure wie Initiativen und Vereine gesetzt. Lohnen könnte sich ein Blick über den Atlantik.

Anders als in Deutschland spielen in den USA zivilgesellschaftliche Akteure traditionell eine große Rolle. Trotz der Unterschiede in der Gesellschaft und den Planungssystemen könnten die dortigen Erfahrungen lehrreich sein. Was jedoch fehlt, ist eine systematische Erschließung dieser Erfahrungen. Ein Schritt war im November die internationale Tagung des Schinkel-Zentrums "Hoffnungsträger Zivilgesellschaft?" an der TU Berlin. Das Spektrum der zivilgesellschaftlichen Kräfte in den USA reicht von professionellen Lobbyorganisationen über Clubs der Wirtschaftselite und Vereinigungen professioneller Planer bis zu Nachbarschaftsinitiativen und spontanen, lose organisierten Netzwerken. Sie setzen sich für Revitalisierung oder soziale Stadtentwicklung ein, kämpfen für nachhaltige Regionalentwicklung oder einzelne städtebauliche Projekte. Einfluss nehmen sie gerade dann, wenn staatliche Instanzen nicht intervenieren wollen oder können, oder in außergewöhnlichen Planungsprozessen. In der South Bronx in New York gelang es kirchlichen Nachbarschaftsinitiativen, aus einer No-Go-Area ein lebenswertes Viertel zu machen. Bei der Neubebauung des World-Trade-Center-Areals haben die von zivilgesellschaftlichen Organisationen angestoßenen Planungsworkshops immerhin den Architektenwettbewerb forciert, aus dem Daniel Libeskind als Sieger hervorging.

Doch die Möglichkeiten solcher Akteure zur Steuerung räumlicher Entwicklung sind begrenzt. Dies zeigt das Beispiel der regionalplanerisch engagierten Organisation Regional Plan Association in New York. Sie kann die fehlende staatliche Regionalplanung nicht ersetzen. Sie kann aber das Bewusstsein für die Probleme der Stadtregion schärfen. Allerdings: Alle zivilgesellschaftlichen Akteure verfolgen mehr oder weniger Eigeninteressen ihrer Träger. Ob diese Interessen auch einem allgemeinen Interesse dienen, ist oft schwer zu beurteilen. Die Verfolgung von Einzelinteressen ist an sich nicht zu kritisieren. Indem man aber einzelne Akteure einbindet, werden zugleich Einzelinteressen in der Stadtentwicklung gestärkt. Private Organisationen verfügen jedoch nicht über die Legitimation, grundlegende Probleme der Stadtentwicklung für die Allgemeinheit befriedigend zu entscheiden. Hier bedarf es demokratischer Entscheidungsprozesse. Dies gilt umso mehr, als auch in den USA oftmals staatliche Gelder lediglich in zivilgesellschaftliche Initiativen umgeleitet werden. Sollen zivilgesellschaftliche Organisationen stärker in die Stadtentwicklung einbezogen werden, so müssen demokratische Verfahren zum Ausgleich von Interessen und zur Sicherung gleichberechtigter Teilhabe entwickelt werden.

Dipl.-Ing. Barbara Schönig,
Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie

www.hoffnungstraeger-zivilgesellschaft.de

 

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