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Die Lehre der bürgerlichen Landbaukunst

Wie die Ausbildung an der Bauakademie begann

Nie war die Bauakademie eine Architekturhochschule im eigentlichen Sinn, überhaupt nicht vergleichbar etwa mit der Royal Academy in London, mit der École des Beaux-Arts in Paris oder auch nur mit der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen.

Im Gegenteil: Die Bauakademie war 1799 in bewusster Absetzung zur Akademie der Künste gegründet worden. Zuvor waren die Pläne Friedrichs II. wie auch Friedrich Wilhelms III. gescheitert, den Unterricht an der Akademie stärker auf technische und praktische Aspekte des Bauens zu fokussieren. Denn nach einem Plan, den Johann Albert Eytelwein, David Gilly und Heinrich Karl Riedel aus dem Oberbaudepartement 1798 formuliert hatten, ging es nicht darum, die auf den Luxus gerichtete Pracht- und Gartenkunst zu lehren, sondern die "eigentliche bürgerliche, die ökonomische oder Landbaukunst", die Maschinenkunde und den Wasser- und Wegebau.

Ein bisschen mochte auch das Vorbild der fünf Jahre älteren Pariser École Polytechnique gewirkt haben, doch war deren revolutionär-bürgerlicher, alle Zweige des technisch-gewerblichen Lebens bedienender Anspruch zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht umzusetzen. Die frühe Gründung der Bauakademie hat so, und das markiert eine zweite Scheidelinie zur andernorts betriebenen Architektenausbildung im 19. Jahrhundert, das Entstehen eines Polytechnikums in Berlin und Preußen lange verzögert: Hier gingen Wien 1815, Karlsruhe, Dresden, München und Stuttgart in den 1820er-, Kassel, Hannover, Darmstadt und Braunschweig in den 1830er-Jahren einen deutlichen Schritt voraus, der in Berlin erst 1879 mit der Vereinigung von Bau- und Gewerbeakademie zur Technischen Hochschule wieder aufgeholt wurde.

Die Bauakademie blieb dem Oberbaudepartement, anfänglich gemeinschaftlich mit dem Kuratorium der Akademie der Künste, unterstellt. Mitglieder der Bauverwaltung stellten den Lehrkörper; das Oberbaudepartement, ab 1804 die Oberbaudeputation, nahm die Prüfungen ab. Entsprechend eng und praxisbezogen war die Ausbildung auf die Bedürfnisse der Verwaltung abgestimmt. Das Lehrprogramm umfasste mit Arithmetik, Algebra, Geometrie und Trigonometrie, Feldmesskunst und Nivellieren, Statik und Hydrostatik, Mechanik, Hydraulik und Maschinenlehre, Konstruktion und Bauhandwerkskunde, Geschäftsstil sowie schließlich Baugeschichte vor allem Grundlagenfächer. Dazu kam der Zeichenunterricht, schließlich die vier Praxisfächer Ökonomische Baukunst (Entwurf einfacher Gebäude), Stadtbaukunst, Wasserbau sowie Schleusen-, Brücken-, Hafen- und Wegebau.

Eine Reform der Ausbildung an der Technischen Hochschule ließ noch lange auf sich warten, sie wurde mit Hans Poelzig Sache eines Unzufriedenen der Neunzigerjahre, der 1923 als Nachnachfolger Julius Carl Raschdorffs berufen wurde.

Dr. Hans-Dieter Nägelke, Architekturmuseum der TU Berlin
Auszug aus einem Werkstattgespräch


Zu diesem Artikel erreichte uns folgender Leserbrief:

Sehr geehrte Redaktion,

erlauben Sie mir bitte, wichtige ergänzende Angaben zum o.g. Bericht zu machen, der in der vorliegenden Druckfassung viele Missverständnisse hervorruft, die in einem Leserbrief oder in einem entsprechenden Bericht veröffentlicht werden sollten.

Die Absicht, von 1798-99 eine Bauakademie in Berlin zu gründen, beruhte auf den Wunsch, eine modernere Architekturhochschule aufzubauen als die bereits bestehenden älteren Einrichtungen der drittältesten Kunstakademie Europas, nämlich der "Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften" in Berlin, die 1696 von Anfang an mit zwei Architekturklassen gegründet wurde.

1790 wurden beide Architekturklassen zu einer "Architektonischen Lehranstalt" unter der Leitung des Oberhofbaudirektors F. Becherer unter Hinzunahme von neuen technischen Fächern ausgebaut. Mit diesem Unterrichtsstoff waren aber die preußischen Baubeamten, allen voran D. Gilly, H. K. Riedel und J. A. Eytelwein nicht einverstanden.

Die preußischen Baubeamten wurden sehr vereinzelt an der Kunstakademie ausgebildet, die Mehrzahl machte in der Regel eine Art Bauzeichner- und Vermesserlehre bei einem Baumeister oder in Einzelfällen erhielten sie eine begrenzte technische Ausbildung im Rahmen der Pioniereinheiten der Armee.

Interessanterweise waren beide Akademien in Berlin, die ältere Kunst- und die neue Bauakademie, noch nicht befugt, akademische oder Fachprüfungen abzunehmen, die den Zugang zu einer Beamtenstelle berechtigt hätten. Abgangszeugnisse über Studiendauer, Studienverlauf und Benotung konnten sie jedoch ausstellen, Erst 1902 führte die TH Charlottenburg, die direkte Vorgängerin der TU Berlin, die Diplomprüfung ein, die zugleich als 1. Staatsprüfung für die Beamtenlaufbahn anerkannt wurde.

Trotz der erfolgreichen Bestrebungen von Eytelwein, Riedel und Gilly, viele praxisbezogene technische Fächer einzuführen, die heute in der Mehrzahl dem Tätigkeitsbereich des Bauingenieurs zuzuordnen sind, gab es für die erste Periode von 1809 bis 1824 eine gemeinsame Organisation mit der älteren Kunstakademie nicht nur in der Person des Direktors G. Schadow, der auch die Bauakademie leitet, sondern auch in der räumlichen Organisation der Klassen mit der Kunstakademie. Mit dem Direktorat von J. A. Eytelwein (1824-30) änderte sich die Zusammenarbeit mit der Kunstakademie. Die Bauakademie wurde dem Ministerium für Handel und Gewerbe unterstellt. Bis dahin waren beide Akademien dem Unterrichtsministeriums gemeinsam zugeordnet.

C. Beuth, der dritte Direktor, änderte 1834 den Namen der Bauakademie in "Allgemeine Bauschule" konsequent. Die seit der Gründung von 1799 sehr niedrigen Eingangsvoraussetzungen für Zöglinge von 12-15 Jahren entsprachen gerade mal den Anforderungen einer technischen Fachschule, sie wurden sehr langsam erst nach 1845 angehoben.

Mit der berühmten Ecole Polytechnique und der Ecole des Ponts et Chausées in Paris, die von Anfang an Abiturienten oder besonders begabte Kandidaten nach einem Wettbewerbsverfahren aufnahm, hatte die Berliner Bauakademie von 1799 (bis 1845/56) keine inhaltlichen und formalen Ähnlichkeiten gehabt.

Noch 1822 erhoffte sich kein geringerer als K. F. Schinkel bei seinem nicht ausgeführten Entwurf für eine Kunstakademie Unter den Linden, dass sich die künftige Architektenausbildung nur dort entwickeln sollte.

Prof. Dr.-Ing. habil. M.Mislin

Literatur:
M. Mislin, 200 Jahre Bauakademie in Berlin - 300 Jahre Ingenieur- und Architektenausbildung in Berlin, in: BAUTECHNIK, 10/1999
M. Mislin, Idealisierung eines Ausbildungsmodells - 200 Jahre Bauakademie in Berlin, in: DAB, 10/1999
M. Mislin, Technisches Wissen in Berlin, in: Industriearchitektur in Berlin, E. Wasmuth Verlag, 2002

 

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