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TUI_07_AvH_Sonderausgabe

Seite 2 TU intern · Nr. 7/2016Innenansichten Wie kann man es vermeiden, in allzu engen Grenzen und Denkmustern zu bleiben? Dies stellt tatsächlich eine weitere Herausforderung dar. Etablierte Peer-Review-Methoden neigen dazu, wissenschaftlich zwar kor- rekte, aber nicht unbedingt bahnbrechende Forschungsideen zu favorisieren. Systeme handeln immer konservativ. Daher müssen meines Erachtens die Förderorganisationen ihr Risikomanagement überdenken. Denn junge Forschende müssen den Freiraum und das Vertrauen erhalten, Schneisen ins wirklich Unbekannte zu schla- gen, anThemen zu arbeiten, die vielleicht erst Generationen später eine gesellschaftliche Bedeutung erlangen. Natürlich müssen küh- ne Ideen sorgfältig diskutiert werden. Dafür brauchen wir viel- leicht auch neueAuswahl-Formate, wie etwa „Auswahl-Messen“. EinTeil des Budgets von Förderungsorganisationen sollte jedenfalls riskanteren, sehr innovativen Projekten vorbehalten bleiben, die zudem über einen längeren Zeitraum gefördert werden müssen. Nichts ist tödlicher für eine Universität, als in der Lehr- und For- schungswelt nur auf „Nummer Sicher“ zu gehen. Die Stiftung versteht sich als Katalysator persönlicher Bestleistungen der Forschenden. Wie wählt sie ihre Stipendiaten aus? Das ist ein sehr aufwendiger Evaluations- und Peer-Review-Pro- zess. Wir vergeben ja nicht nur Humboldt- und Georg Forster- Forschungsstipendien und -Forschungspreise, sondern auch die Alexander von Humboldt-Professuren und andere hoch dotierte Preise, wie die FriedrichWilhelm Bessel-Forschungspreise, die ­Sofja ­Kovalevskaja- oder die Anneliese Maier-Preise. Unserem interna- tionalen wissenschaftlichen Beirat, einer unabhängigen Experten­ gruppe, gehören 13 weltweit renommierte Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler an. Dieser Beirat hilft uns, Kurs zu halten, und die nahezu 300 ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Auswahlaus- schüsse sichten die jeweiligenAnträge. Die Begutachtung der mehr als 2000 Anträge pro Jahr ist sehr zeit- und arbeitsintensiv. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen sich einer stetig wachsenden Flut von Anfragen gegenüber, diese Arbeit zu über- nehmen.Aus meiner Sicht reichen die existierendenAnreize nicht mehr aus. Für die Übernahme einer für das Gesamtsystem so zen- tralenAufgabe müssten dringend wirksame Belohnungsmechanis- men geschaffen werden. Geld dürfte es nicht sein, denn monetäre Aspekte stellen in derWissenschaftswelt (noch) nicht die treibende Kraft dar, Reputation ist eine viel wichtigere Währung. Deshalb unterstütze ich Maßnahmen, die beispielsweise zu einer größeren Sichtbarkeit eines Gutachters führen. Dies dürfte vermutlich die Bereitschaft erhöhen, an diesem Prozess aktiv mitzuwirken. Zurück zu den „Besten“. Welche Rolle spielen die Entwicklungs­länder? Tatsächlich müssen wir bei der Auswahl der Stipendiaten auch kulturelle und historisch bedingte Dimensionen berücksichtigen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern spielt zum Beispiel die Ausbildungsstätte eines Kandidaten eine wesentlich größere Rolle als in den industrialisierten Staaten. Es ist für diese Länder ebenfalls außerordentlich wichtig, dass gute Forscherinnen und Forscher im eigenen Land bleiben beziehungsweise dorthin zu- rückkehren. Es müssen also Anreize geschaffen werden, die ein intellektuellesAusbluten, den sogenannten „brain drain“, verhin- dern helfen. Mit dem Feodor Lynen-Programm scheint dies der Stiftung gelungen zu sein. Vielen Dank! Das Gespräch führte Patricia Pätzold Die Digitalisierungsoffensive Intelligente Datenverarbeitung hält Einzug in alleWissenschaftsbereiche – zusätzliche Professuren an den Schnittstellen Von Christian Thomsen Als ich vor einem Jahr mit dem Regieren- den Bürgermeister von Berlin über eine mögliche Digitalisierungsoffensive sprach, war nicht absehbar, wie erfolgreich sie sein würde. Es entstand einArbeitskreis aus fünfzig hochran- gigen Personen aus Politik, Wirtschaft und Wis- senschaft, der einige Monate später, im Herbst 2015, die „Berliner 10-Punkte-Agenda“ bekannt geben konnte. Ziel war es, dreißig zusätzliche Juniorprofessuren – großenteils finanziert durch interessierte Unternehmen – einzuwerben. Dass Digitalisierung ein gutes Thema zu sein scheint, dafür spricht die Beteiligung von Unternehmen. Was verspricht sich Berlin von der Initiative der vier Berliner Universitäten und der Charité? WederArchäologie noch Literaturforschung oder Stadtplanung kommen heute ohne große Daten- mengen aus – erst recht nicht die moderne Me- dizin im Sektor „E-Health“ oder die technischen Bereiche, zusammengefasst als „Industrie 4.0“. Digitale Daten sind zum essenziellen Bestandteil fast allerWissenschaftsbereiche geworden. Sogar im Fußball werden digitale Analysen von Spiel, Fitness und Strategien immer wichtiger. Die rie- sigen Datenmengen erfordern neue Methoden maschinellen Lernens, umAuffälligkeiten zuver- lässig zu erkennen. Was nützen uns unendliche Datenströme von tausend Sensoren einer großen Turbine, wenn zum Beispiel ein Wartungspro- blem nicht rechtzeitig aufgespürt wird? Aufbauend auf den bekannten Köpfen der Wis- senschaftslandschaft Berlins werden nun neue Professuren an den Schnittstellen zu den traditi- onellen Fächern geschaffen. Die herausragenden Fachgebiete der vier Universitäten Berlins und der Charité werden interdisziplinär mit der wis- senschaftlichen Herangehensweise kompetenter Vertreter der Informationstechnologien verbun- den. Damit wird intelligente Datenverarbeitung in Wissenschaftsbereiche einbezogen, die origi- när wenig mit Computern zu tun haben. Es ist ein Paradigmenwechsel, der in Berlin vorangetrieben wird. Berlin kann hier ein national und internati- onal sichtbares Zeichen setzen. Profitieren werden von den neuen Professuren aber auch dieAusgründungen. Immer mehr Stu- dierende und Forschende nutzten in den letzten Jahren die Chance, eine eigene, oft digitale Idee in ein Unternehmen umzusetzen. Sie werden beraten und befördert auch durch die Professo- rinnen und Professoren, durch Ausgründungs- zentren und Co-Working Spaces an den Hoch- schulen. Der Erfolg der Ausgründungen basiert auch darauf, dass traditionelle Großunternehmen durch wohldefinierte Abläufe und langfristig festgeschriebene Unternehmensziele gleichwohl etwas behäbiger werden im Umgang mit neuar- tigen Ideen. Ausgründungen dagegen können so innovativ sein, wie sie wollen. Sie sind flexibel, die Risiken neuer Ideen sind tragbar geworden, Venture Capital fließt in die Stadt, neue span- nende Arbeitsplätze entstehen, Berlin wird zum Magneten für Köpfe mit Ideen. Ein Beispiel ist die Finanzbranche. Viele haben die Krisenzeiten von drohenden Bankzusammen- brüchen noch in Erinnerung. Mit großen Steuer- summen mussten im gesamtwirtschaftlichen In- teresse Banken vor dem Ende bewahrt werden. Aus Ausgründungen entwickelte sich daraufhin die sogenannte FinTech-Branche. Kleine Firmen übernehmen hier die Verantwortung für Kredit- vergaben undAnlagen von Bürgern, die unter der Nullzinspolitik leiden. Natürlich können auch sie nicht mehr Geld vergeben oder anlegen als die großen Banken. Als einzelne Institution sind sie aber unerheblich geworden und tragen damit zur Stabilisierung des Systems bei. Der Preis für die- se Stabilisierung ist das Risiko einer Fehlanlage, das für den einzelnenAnleger wächst. Der Senat von Berlin, Industrie undWissenschaft ziehen bei der Digitalisierungsoffensive an einem Strang. Sie wird derzeit durch die Einstein Stif- tung Berlin wissenschaftlich begutachtet.An der Finanzierung von rund 50 zusätzlichen Professu- ren bekundeten Firmen bereits großes Interesse. Und ein zentraler Ort für die Berliner Digitali- sierungsaktivitäten ist auch schon gefunden: ein wunderbares, denkmalgeschütztes Gebäude mit- ten in der Hauptstadt. The push for digitization Intelligent data processing is making its way into all areas of academia – additional professorships to be established By Christian Thomsen When I spoke to the Governing Mayor of Berlin a year ago about a possible push for digitization, we could never have predicted how successful it would be.A working group was cre- ated, bringing together fifty high-level individu- als from politics, business and academia, and a few months later, in autumn 2015, it announced the “Berlin 10-point agenda”. The aim was to raise funds for thirty additional junior professor- ships – largely financed by interested companies. Digitization seems to be a good topic for this, judging by the way companies have got involved. What does the city hope to gain from this initia- tive, launched by Berlin’s four universities and the Charité? Neither archaeology, nor literary research, nor town planning can get by today without large quantities of data – still less modern medicine in the “e-health” sector, or the technological fields referred to collectively as “Industry 4.0”. Digital data have become an essential component of near- ly all areas of scholarship. Even in football, digital analyses of play, fitness and strategies are becom- ing more and more important.The huge quantities of data demand new methods of machine learning, in order to reliably identify anomalies.What use are endless streams of data from a thousand sen- sors in a big turbine if, for example, a maintenance problem is not detected on time? Building on the well-known figures in Berlin’s academic landscape, new professorships will now be created at the interfaces between this new area and the traditional subjects. In an in- terdisciplinary collaboration, the most prominent subject areas of Berlin’s four universities and the Charité will be combined with the scientific ap- proach of competent representatives of the in- formation technologies. This means that intelli- gent data processing will be integrated into areas of scholarship which originally had little to do with computers.What is happening in Berlin is a paradigm shift. Here Berlin can set an example, nationally and internationally. Another area that will benefit from the new pro- fessorships is the spin-offs. In recent years more and more students and researchers have seized the opportunity to found a company based on an idea of their own, often a digital one. They are advised and supported by the professors, as well as by spin-off centers and co-working spaces at the universities. The success of the spin-offs is based on the fact that traditional large companies, because of their well-defined procedures and long-term corporate goals, can become somewhat slow when it comes to dealing with new ideas. Spin-offs, on the other hand, can be as innovative as they want. They are flexible, the risks associated with new ideas have become acceptable, venture capital is pour- ing into the city, exciting new workplaces are emerging, and Berlin is becoming a magnet for people with ideas. One example is the finance sector. Many still re- member the periods of crisis, when banks were in danger of collapsing. Large amounts of public money had to be used to rescue banks, in the interests of the economy as a whole. Following this, spin-offs developed into what is known as the fintech sector. Here small companies take responsibility for loans to and investments from citizens who are suffering from zero-interest poli- cies. Of course they cannot lend or invest more money than the big banks either. But as individ- ual institutions, their small size helps to stabilize the system.The price for this stabilization is the increasing risk to the individual investor of a bad investment. The Berlin Senate, the industrial sector and aca- demia are working together in the push for digi- tization.At present this campaign is undergoing a scholarly review by the Einstein Foundation Berlin. Companies have already expressed great interest in funding around 50 additional profes- sorships.And a central location for Berlin’s digi- tizing activities has also been found: a wonderful listed building right in the middle of the capital city. Die Netze weit auswerfen … Fortsetzung von Seite 1 Zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Berlins Michael Müller hob TU-Präsident und Professor für experimentelle Festkörperphysik Christian Thomsen (Foto) die „10-Punkte-Agenda“ aus der Taufe, die Berlin zur Hauptstadt der Digitalisierung machen soll. Von 18 Start-ups, die 2015 mit Unterstützung des Centers for Entrepreneurship (CfE) aus der TU Berlin heraus gegrün- det wurden, arbeiten 13 im Bereich Digitalisierung Christian Thomsen, president of the TU Berlin and professor of experimental solid state physics (photo), launched the “Berlin 10-point agenda” together with Michael Müller, Governing Mayor of Berlin, in order to transform the city into the capital of digitization. There were 18 start-ups founded out of the TU Berlin in 2015, supported by the Centre for Entrepreneurship (CfE), 13 of whom are engaged in the field of digitization ©©DavidAusserhofer ©©DavidAusserhofer

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