Deutsche Besatzungspolitk im Zweiten Weltkrieg

Ein europäisches Projekt unter dem Vorsitz von Prof. Wolfgang Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung


(bw) Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin, ist Vorsitzender der Forschungsgruppe "Deutsche Besatzungspolitik im Zweiten Weltkrieg". Das Besondere dieses Zusammenschlusses liegt, neben der Beschäftigung mit einem interessanten Thema, in der Zusammensetzung der Gruppe: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedener europäischer Länder wollen durch eine internationale Zusammenarbeit einen Beitrag zur Erforschung und Darstellung der deutschen Besatzungspolitik im Zweiten Weltkrieg leisten.

Durch interdisziplinäre und vergleichende Fragestellungen soll dieses Thema zum ersten Mal in einen gesamteuropäischen Zusammenhang gesetzt werden. Das Projekt, das in einem Zeitraum von drei Jahren durchgeführt wird, soll insbesondere jüngeren Wissenschaftlern aus möglichst vielen verschiedenen europäischen Ländern die Gelegenheit geben, neue Forschungen vorzustellen und zu diskutieren.

Fünf Workshops in fünf europäischen Städten

Finanziert wird das Unternehmen durch die European Science Foundation (ESF), der Dachorganisation der Forschungsförderung in zwanzig europäischen Ländern. Hier liegt gleich die zweite Besonderheit des Projektes: es ist das derzeit einzige vom ESF geförderte Vorhaben im Bereich der Geisteswissenschaften. Das Projekt ist in fünf verschiedene Themenkomplexe gegliedert, zu denen jeweils eine Konferenz, die den Charakter eines Workshops haben soll, abgehalten wird.

Im Oktober 1995 wird sich die erste Konferenz in Wien dem Thema "Kollektive Reaktionen auf die deutsche Invasion und auf die Errichtung der Besatzungsordnung" widmen. Es soll nach Widerstand gegen die Besatzungsmacht und Kollaboration mit ihr gefragt werden. Ziel ist es, eine vergleichende Sozialgeschichte der Interaktion von Besatzungsmacht und Bevölkerung aufzustellen.

"Bürokratische Annexion und Kontrolle"

Die folgenden Konferenzen werden im April 1996 in London und im Oktober 1996 in Wroclaw stattfinden. In London wird es unter dem Titel "Wirtschaftliche und finanzielle Ausbeutung" um den Raubbau an menschlichen und materiellen Ressourcen in den besetzten Ländern gehen. In Wroclaw geht es dann um "Bürokratische Annexion und Kontrolle". Untersucht werden u.a. die Organisation der Besatzungspolitik und das Verhältnis der Besatzungspolitik zur Ministerial- und Parteibürokratie in Deutschland und zu den Eliten in den okkupiertenLändern.

Im Mai 1997 wird man sich in Odense treffen und das Thema "Kultur und öffentliches Leben" behandeln. Thema der fünften und letzten Konferenz des Projekts ist die "Rassenpolitik und Judenverfolgung". Hier sollen wie bei den anderen Komplexen neue, komparative Fragestellungen diskutiert und die seit Öffnung Osteuropas verfügbaren neuen Quellen einbezogen werden.

Komparatistische Historiographie

Die Projektbeteiligten sehen in der komparatistischen Methode, die das Unternehmen prägt, eine wichtige Ergänzung zu bisherigen Forschungsansätzen, die darüber hinaus neue Erkenntnisse über die Macht und Herrschaftsmechanismen bringen kann. Durch eine komparatistische Historiographie kann die nationale Perspektive erweitert werden, was zu einer Neubelebung europäischer Geschichtsschreibung beiträgt. Die Herrschaft, die ganz Europa nachhaltig verändert hat, soll nun auch aus einer gesamteuropäischen Perspektive betrachtet werden.


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