Deutsche in den Diensten der Konföderation

Erwin-Stephan-Preisträgerin Andrea Mehrländer berichtet von ihrem Forschungsaufenthalt in den USA


Als im Mai 1993 der Erwin-Stephan-Preis an Absolventinnen und Absolventen der TU Berlin vergeben wurde, wurde auch Andrea Mehrländer für ein kurzes und erfolgreiches Studium ausgezeichnet. Den Auslandsaufenthalt, den sie größtenteils mit dem Preisgeld von 8.000 DM finanzierte, verbrachte sie in den USA. Dort vertiefte sie das Thema ihrer Examensarbeit "Die deutschen 1848er im Amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865". Viel Zeit blieb ihr dazu nicht, denn sofort nach Beendigung ihres Studiums in Englisch und Geschichte stieg sie als Referendarin in den Schuldienst ein. Ihre Reise in die deutsch-amerikanische Vergangenheit unternahm sie während ihrer Schulferien. Ihre Recherchen brachten Spannendes zutage:

Als glückliche Gewinnerin des Erwin-Stephan-Preises unternahm ich im vergangenen Jahr zur Vorbereitung meiner Dissertation zwei Forschungsreisen in die USA und war insgesamt sieben Wochen in amerikanischen Archiven unterwegs, um Quellen zu sichten. Meine Examensarbeit an der TU Berlin hatte sich mit jenen Deutschen beschäftigt, die aktiv an der bürgerlichen Revolution von 1848/49 teilgenommen hatten und danach in großer Zahl wegen politischer Verfolgung nach Amerika geflohen waren. Diese "Achtundvierziger" sollten Ausgangspunkt für meine Materialsuche sein .

In Washington, D.C., meinem "Forschungshauptquartier", recherchierte ich in der Regel täglich neun bis zehn Stunden, vornehmlich am Deutschen Historischen Institut, den National Archives und der Library of Congress. Die Schnelligkeit, mit der Informationen beschafft, Bücher ausfindig und Quellen abgerufen werden konnten, war traumhaft. So erkannte ich schon kurz nach meiner Ankunft, wie lohnend die Beschäftigung mit den Deutschen in den Konföderierten Staaten (1861-1865) sein würde.

Vorherrschende Meinung widerlegt

Was habe ich in sieben Wochen herausfinden können? Die in der Forschung noch immer nicht ernstlich angefochtene Meinung, Deutsche hätten fast ausnahmslos auf Seiten der Union gekämpft und wären glühende Befürworter der Sklavenemanzipation gewesen, fand ich bei meinen ersten Recherchen widerlegt.

Deutsche kämpften im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) auch auf der Seite der Südstaatenarmee

Im Jahre 1860 lebten nur 71.962 deutsche Einwanderer, also nur knapp sechs Prozent aller deutschen Amerika-Immigranten, in jenem Teil der Vereinigten Staaten, der sich bis zum April 1861 von der Union lossagte. In Charleston, der Hauptstadt South Carolinas, lebten bei Kriegsausbruch 1.944 Deutsche, die nach den Iren die zweitgrößte Bevölkerungsminderheit darstellten.

Sie schickten mehrere deutsche Militärkompagnien, die sich hauptsächlich aus deutschen Miliztruppen rekrutiert hatten, in den Dienst der Konföderation, darunter die "Light Battery A" unter Captain F.W. Wagener, die "Light Battery B" unter Captain F. Melchers und die "Light Battery B, Hampton's Legion" unter Captain Bachman, der in Göttingen Jura studiert hatte, um in Charleston ein für deutsche Klienten geeignetes Anwalts- und Notariatsbüro aufmachen zu können.

"German Hussars"

Im 3rd S.C. Kavallerieregiment dienten die "German Hussars" unter Captain Theodor Cordes. Cordes war vor 1843 eingewandert, hatte vier Kinder und betrieb einen "Spirituosenhandel". Seine Familie hielt Dutzende von Sklaven. In Cordes' Kompagnie befand sich als "private" (Gefreiter) auch der vor 1851 aus Deutschland eingewanderte Bäcker J.H.C. Claussen, dessen Dampfbäckerei die größte im ganzen Süden war und Brot für die konföderierten Truppen produzierte. Allein in der Stadt Charleston besaßen er und sein Bruder neun Sklaven, die Plantagen nicht mitgerechnet. "Private" C. Amme, verwandt mit dem aus Hannover stammenden Inhaber der "D.A. Amme Groceries", besaß fünf Sklaven; Lieutenant John Campsen vom Modehaus "Ufferhardt, Campsen & Co." hielt drei Sklaven und wurde vom Frontdienst beurlaubt, um in Europa neue Waren einzukaufen. Diese Liste von deutschstämmigen Südstaaten-Patrioten ließe sich beliebig fortsetzen.

Mißtrauen gegenüber den Deutschen

Trotzdem wurde den deutschen Südstaatlern nicht immer vertraut: in Richmond/ Virginia wurden zwischen 1862 und 1864 insgesamt 384 Deutsche ohne Angabe von Gründen vom Provost Marshall, dem Kommandeur der Militärpolizei, verhaftet. Bedingt durch die hohe Beteiligung deutscher Freiwilliger in den Armeen des Nordens, traute die Regierung der Konföderation den "deutschen Landsleuten des Südens" nicht über den Weg.

Der preußische Konsul in New Orleans, Augustus Reichard, belehrte sie jedoch eines besseren. Dies geht aus dem Brief des Unionsgenerals Butler an Lincolns Kriegsminister Stanton vom 1. Oktober 1862 hervor: "A nation [Prussia] may be friendly and its consuls quite the reverse, as witness the late Prussian consul, who is now a general in the rebel army, for which he recruited a battalion of his countrymen." Reichard rekrutierte tatsächlich aus eigenen finanziellen Mitteln die sogenannten "Reichard Rifles" und kommandierte diese aus tiefster Überzeugung, bis er aus Gesundheitsgründen den Dienst quittieren mußte.

Angepaßte Minderheit

In den längst vergilbten Seiten endloser Microfilme, den von Wasserschäden und Bränden übel zugerichteten deutschsprachigen Zeitungen und den verblichenen, handgeschriebenen Berichten deutscher Konsuln fand ich eine deutsche Bevölkerungsminderheit im alten Süden, die sich gänzlich ihren amerikanischen Nachbarn angepaßt hatte, und deren durch harte Arbeit erworbener Reichtum sich im Besitz von Sklaven ausdrückte. So gab es wohl doch einige "schwarze Schafe" unter den sonst so abolitionistisch, d.h. sklavereifeindlich gesinnten Deutschen.

Die Zukunft wird mir weitere Erkenntnisse bringen und hoffentlich mehr Licht auf die verstaubten und vergessenen Seiten deutscher Geschichte im alten Süden werfen.

Andrea Mehrländer


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