Job-sharing auf der Professoren-Ebene

Auch Hochschullehrer können von Teilzeitarbeit profitieren - Ein TU-Professor zeigt, wie es geht


Was noch vor einigen Jahren von vielen Seiten als nicht machbar disqualifiziert wurde, wird heute immer ernster diskutiert und auch schon ausprobiert: Teilzeitarbeit in Leitungspositionen. Nicht nur Industrieunternehmen und Verwaltungen sehen jetzt, daß Job-sharing auf der Führungsebene möglich ist. Auch an Universitäten macht man sich Gedanken über die Vorteile, die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei herausspringen. Einer der wenigen deutschen Teilzeit-Professoren ist seit dem 1. April dieses Jahres Wolfgang Karcher vom Institut für Medienpädagogik und Hochschuldidaktik an der TU Berlin. In TU intern schreibt er über die bisherigen Erfahrungen mit Halbtagsstellen für Hochschullehrer:

Job-sharing schafft Arbeitsplätze - auch an der Hochschule

In weniger als zehn Jahren wird ein Großteil der Professorinnen und Professoren pensioniert, die heute die Lehre an den Universitäten tragen. Inzwischen ist in den meisten Fächern absehbar, daß dann auch nicht annähernd genügend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für die frei werdenden Stellen zur Verfügung stehen werden.

Die Möglichkeiten, sich über Mittelbau-Stellen an den Hochschulen zu qualifizieren, sind quantitativ unzureichend für den anstehenden Wechsel. Die Zahl von Promotionsstipendien dürfte angesichts der Mittelkürzungen für Stiftungen merkbar zurückgehen. Qualifizierte Hochschulabsolventen, die für eine Nachfolge in Frage kommen, stehen gegenwärtig vielfach auf der Straße. In dieser Situation sind alle WissenschaftlerInnen auf Dauerstellen aufgerufen, sich für eine Entschärfung dieser Problematik aktiv zu engagieren!

Vielfältige Formen der Teilzeitarbeit

Da angesichts der bestehenden Schwierigkeiten öffentlicher Haushalte keine Chance für eine Aufstockung von Qualifikationsstellen besteht, bietet sich Teilzeitarbeit an. Diese kann in vielfältigsten Formen erfolgen. Bereits vor Jahren haben die Professoren Peter Grottian und Wolfgang Narr an der Freien Universität Berlin jeweils auf eine Ein-Drittel-Stelle verzichtet, unter der Voraussetzung, daß die Universität daraus eine neue Zwei-Drittel-Professoren-Stelle auf Zeit macht. Dieses Modell funktioniert ausgesprochen gut, hat aber bisher noch kaum Nachahmung gefunden.

Ein anderes Modell ist die Besetzung einer Stelle mit zwei halbtagsbeschäftigten Personen. Der Psychologe Prof. Gerd Sommer von der Universität Marburg teilt sich seine Stelle unbefristet mit einem Kollegen. Dieses Modell ermöglicht besonders habilitierten WissenschaftlerInnen, Erfahrungen als ProfessorInnen zu sammeln. Ein solches Job-sharing wird häufig kritisiert, da es in der Praxis einen zu hohen Kommunikationsaufwand erfordere und daher nicht wirklich funktioniere. Ein Blick auf die zigtausenden von Menschen - meist Frauen -, die halbtags als Lehrerinnen und Lehrer arbeiten, macht jedoch deutlich, daß diese Kritik unberechtigt ist.

Auch im Entwicklungshilfeministerium

Seit dem Herbst 1994 ist sogar im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine Referatsleiterstelle von zwei halbtagsbeschäftigten Mitarbeitern besetzt. Bevor das Ministerium sich zu diesem Schritt entschloß, hatten einzelne Mitarbeiter jahrelang um eine solche Lösung gekämpft. Erst die sich zuspitzende Arbeitsmarktlage und entsprechende politische Erklärungen von der Bundesregierung haben offenbar eine Änderung bewirkt. Erste Erfahrungen der Betroffenen aus dem Ministerium klingen ausgesprochen positiv.

... und an der TU Berlin?

Ein weiteres Modell hat Professor Wolfgang Karcher an der Technischen Universität Berlin realisiert: Er hat der Universität angeboten, für sechs Jahre auf die Hälfte seines Gehaltes zu verzichten, wenn die Universität dafür eine Hochschulassistentenstelle in seinem Gebiet einrichtet. Nach anfänglichem Zögern hat sich die Universitätsleitung entschlossen, dies als Modell zu unterstützen. Es wird seit dem 1. April 1995 von Professor Wolfgang Karcher und Dr. Bernd Overwien praktiziert. Tätigkeiten, die nur von Professoren wahrgenommen werden können, bleiben dem Halbtags-Professor vorbehalten. Insgesamt wird die Arbeit damit auf zwei Personen aufgeteilt. Das hat eine erhebliche Entlastung bei der Lehre und der Selbstverwaltung zur Folge und gibt beiden mehr Zeit für andere Aktivitäten. Der für ein gutes Funktionieren eines solchen Job-sharings erforderliche Kommunikationsaufwand dürfte jedoch auch dadurch mehr als ausgeglichen werden, daß beide verstärkt zusammen forschen und gesellschaftliche Einrichtungen beraten können.

Bedenken

Bedenken bestehen von verschiedener Seite bei all diesen Modellen dahingehend, daß damit aufgrund von einleuchtender privater Initiative einer Politik Vorschub geleistet wird, die zu einer generellen Einführung von Teilzeit-Professuren und zur Abschaffung von Vollzeit-Professuren führen könnte. Zwar ist diese Befürchtung nicht ganz von der Hand zu weisen, doch besteht einfach keine Alternative zur Teilzeitarbeit, da bereits heute die gesellschaftlich finanzierbaren Ganztagsstellen nicht mehr für die Sicherung der Vollbeschäftigung ausreichen. Daher ist es gerade im Bereich gut bezahlter Stellen unerläßlich, in größerem Umfange Teilzeitarbeit zu ermöglichen. Diesen Personenkreis trifft die Einbuße an verfügbaren Mitteln erheblich weniger als die vielen kleinen Angestellten - meist Frauen! -, die sich mit einer Halbtagsstelle begnügen müssen und dabei nicht selten auch noch alleinerziehend sind. Es ist gesellschaftlich nicht zu verantworten, daß ein großer Teil der heute jungen Menschen keine berufliche Perspektive mehr entwickeln kann und bereits in jungen Jahren signalisiert bekommt, daß er eigentlich überflüssig sei.

Ein Problem wird oft darin gesehen, auf einen Teil des Gehaltes verzichten zu müssen, auch wenn die Ehepartnerin ebenfalls berufstätig ist. Dabei wird jedoch der Zuwachs an Lebensqualität übersehen, der mit Teilzeitarbeit gerade für Besserverdienende verbunden ist. Ernsthafte materielle Einschränkungen drohen selten. Dafür eröffnen sich viele Möglichkeiten, den Arbeitsstreß abzubauen und vieles zu tun, wovon man bei Ganztagsarbeit nur träumen kann.

Vorbild für alle Hochschulen

Peter Grottian von der FU Berlin geht mit einer neuen Initiative noch einen Schritt weiter. Er fordert die Universitäten auf, in den nächsten zehn Jahren nur noch Teilzeit-Professuren auszuschreiben und zu besetzen. Diese könnten nach seinen Vorstellungen später auf Antrag aufgestockt werden. Nach den mäßigen Erfahrungen mit der Nachahmung seines Modells, freiwillig auf einen Teil seines Gehaltes zu verzichten, bietet sich eine solche striktere Gangart an. Auf jeden Fall sollten alle Fakultäten und von ihnen ausgehend auch die Universitäten und andere Hochschulen Möglichkeiten für Teilzeitarbeit bei ProfessorInnen intensiv prüfen. Daß diese Möglichkeiten gar nicht so fern liegen, zeigen die bisher praktizierten Modelle.

Prof. Wolfgang Karcher, Institut für Medienpädagogik und Hochschuldidaktik


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