Nachgefragt:

Verläßt die Solartechnik Deutschland?


Die Solartechnik in Deutschland wird nicht genügend gefördert. So lautet jedenfalls die Einschätzung der Firmenleitung von "Angewandte Solarenergie - ASE GmbH", die zum Jahresende ihren Hamburger Produktionsstandort für Solarzellenanlagen schließen wird. Bei einem 60-Millionen-DM-Umsatz hatte sie 1994 einen Verlust von 40 Millionen hinnehmen müssen. Während die deutsche Produktion wegen _nicht genügend genutzter Kapazität" eingestellt wird, baut die von der der RWE-Tochter Nukem und der Dasa gegründete Firma ihre Fertigungsstätte in Boston aus, weil der Markt für Direktumwandlung von Sonnenlicht in Strom (Photovoltaik) dort boomt.

Damit wird es in Deutschland vom nächsten Jahr an nur noch im Ausland hergestellte Solarzellenanlagen geben, erklärte die ASE. Wolle man den Solarstrom aber nicht ganz abschreiben, sei ein staatliches Förderprogramm von 100 Millionen DM jährlich nötig, das über mehrere Jahre laufen sollte.

Trübe Aussichten, so scheint es, für die Befürworter von Solarstrom. Wenn die Produktion Deutschland den Rücken kehrt, wie sieht es dann mit der Forschung aus? TU-intern-Redakteur René Schönfeldt fragte Professor Rolf Hanitsch vom Institut für Elektrische Maschinen der TU Berlin und Chef der Berliner Energieagentur.

Rolf Hanitsch

Frage: Verliert das Thema Solarstrom in Deutschland derzeit an Bedeutung?

Hanitsch: Nein. In der Öffentlichkeit wird die Klimagefährdung durch CO2-Emissionen stärker als früher beachtet und der emissionsfreien Bereitstellung von Solarstrom große Bedeutung beigemessen. Die Erfahrungen aus dem 1000-Dächer-Programm belegen dies.

Welche Stellenwert hat die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich heute in Deutschland?

In zahlreichen Forschungsinstituten wird sowohl an neuen Materialien als auch an einer Verbesserung der Systemtechnik gearbeitet, z. B. kommen stark verbesserte Wechselrichter für den Netzparallelbetrieb auf den Markt. Die Forschungsprogramme könnten durchaus im Finanzvolumen verstärkt werden. Zahlreiche Institutionen arbeiten an einer Belebung der Solarenergieanwendungen.

Ist ein großes staatlich Förderungsprogramm sinnvoll, oder bieten sich andere Möglichkeiten an, um das Thema Solarstrom voranzutreiben?

Neben verstärkten Anwendungen im Bereich der Ausbildung von Technikern und Ingenieuren sollten neue Marketing-Strategien erprobt werden. Förderprogramme sind zu unterstützen durch Rahmenprogramme für den Alt- und Neubau. Ein Beispiel ist die Solarverordnung in Berlin.


[TU Berlin] [Pressestelle] [TU intern] [November '95]