Physiker forschen im Archiv

Eine historische Ausstellung von Studierenden des Projektlabors am Fachbereich Physik


Im ersten Stock des Foyers im Physik-Neu-
bau an der Hardenbergstraße ist derzeit
eine historische Ausstellung zu sehen.
Auf drei Stellwänden geht es um die poli-
tische Geschichte der Technischen Hoch-
schule (TH) Charlottenburg, um
Rüstungsforschung an der TH seit 1920
und um "Arische Physik".

Organisiert und zusammengestellt wurde die Ausstellung von Tutoren und Studierenden des Physikalischen Grundpraktikums - Projektlabor - am Fachbereich Physik. Sie hatten sich anregen lassen von einem Beschluß ihres Fachbereichsrates, der dazu aufgefordert hatte, "in der Woche des 8. Mai in den Lehrveranstaltungen auf dieses Datum, seine Ursachen und Wirkungen, seine Lehren und Chancen für uns einzugehen." Um diese Aufforderung umzusetzen, ließen sie die Experimente ihres Projektlabors eine Woche lang ruhen und widmeten sich statt dessen der historischen Spurensuche.


Eine Kurzfassung der historischen Erkenntnisse ist derzeit in einer Ausstellung im ersten Stock des Physik-Foyers zu sehen

Was die fast vierzig Studierenden in drei Arbeitsgruppen zusammentrugen, ist in Kurzfassung in der Ausstellung zu sehen. Etwa auf einem Plakat zur politischen Geschichte der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg in den Jahren 1918 bis 1945. Sie wird vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen Entwicklung betrachtet: So wird die schrittweise Vertreibung von jüdischen Lehrenden und Studierenden und die politische "Gleichschaltung" der Hochschule nachgezeichnet. Um die Rüstungsforschung, die an der TH seit 1920 zunächst verdeckt, ab 1935 dann offen betrieben wurde, geht es auf dem zweiten Plakat. Der Eindruck der angehenden Physiker und Physikerinnen: "Zumindest aus heutiger Sicht überrascht es, wie bereitwillig sich viele TH-Angehörige für die Maschinerie des Dritten Reichs einspannen liesen." Mit der "Arischen Physik", einer Strömung um die Nobelpreistrager Philipp Lenard und Johannes Stark in den 20er und 30er Jahren, beschäftigte sich die dritte Arbeitsgruppe. Lenard, Stark und ihre Anhänger lehnten die Relativitäts- und Quantentheorie, ja die gesamte Theoretische Physik, als "jüdisch" ab.

"Das Ziel der Projektwoche war es", so die studentischen Organisatoren, "vor dem geschichtlichen Hintergrund zum Nachdenken über das eigene Rollenverständnis als Student und später als Physiker anzuregen."

UNGEWOHNTE ARBEITSMETHODEN

Dazu griffen die angehenden Physikerinnen und Physiker zu ungewohnten Arbeitsmethoden: Anstatt zu experimentieren, machten sie sich auf die Suche nach Archiven und Bibliotheken, wälzten Originalliteratur und werteten Quellen aus. Schwieriger als erwartet gestaltete sich die Quellensuche allerdings im Hochschularchiv der TU Berlin. Die erhofften Detailinformationen zur Rüstungsforschung der TH Charlottenbburg waren bis auf wenige Einzelfälle verschollen. Von den zahlreichen, an der ehemaligen "Wehrtechnischen Fakultät" angefertigten Dissertationen konnten die Studierenden in Berlin und Potsdam keine einzige auftreiben.

Trotz der zeitlichen Begrenzung der Projektwoche sind die Organisatoren zufrieden: "In dem eng begrenzten Zeitrahmen konnten wir natürlich keine der geschichtswissenschaftlichen Forschung bisher unbekannten Aspekte herausgearbeiten. Mit Sicherheit aber haben alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen einiges über einen Bereich der Geschichte ihrer Hochschule und ihres Faches gelernt - wohl mehr als sonst im ganzen Studium."

Daniel Bemmerer, Projektlabor-Tutor


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