NACHGEFRAGT

Keine Bilder vom Mars

Es hatte alles ganz nach Plan begonnen am Abend des 16. November: Die Rakete, die die Forschungssonde "Mars 96" vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur ins All transportieren sollte, hob wie vorgesehen ab, stieg in den Himmel und nahm Kurs auf den roten Planeten. Aber nur eine halbe Stunde später war die High-Tech-Expedition bereits gescheitert. Die vierte Stufe der Träger-Rakete hatte nicht gezündet, und die Wissenschaftler auf der Erde konnten ihr Mars-Projekt abschreiben. Als Schrotthaufen fiel die teure Sonde wenige Tage später wieder auf die Erde zurück und landete in rund 6 000 Meter Meerestiefe in der Nähe der Osterinseln im Pazifischen Ozean.

Zehn Jahre lang hatten Wissenschaftler aus mehr als 20 Ländern an dem Projekt gearbeitet, das insgesamt mehr als zwei Milliarden Mark gekostet hat. Deutschland war mit ungefähr 190 Millionen dabei. Unter anderem mit zwei Digitalkameras, die dreidimensionale Bilder von der Marsoberfläche aufnehmen sollten. Die Software, für die Digitalkameras wurde an der TU Berlin am Fachgebiet Photogrammetrie und Kartographie unter der Leitung von Professor Jörg Albertz entwickelt. TU intern fragte ihn nach den Auswirkungen des Unglücks und wie es nun weitergehen soll.

Jörg Albertz "Unsere Erwartungen und zukunftspläne wurden jäh gestoppt"

Wofür waren die Kameras gedacht?

Im Gegensatz zu den früheren Missionen waren die Kameras speziell zur Kartisierung der Marsoberfläche konzipiert worden. Durch die Aufnahme und Auswertung von Stereobildern hätten besonders interessante Geländeformen mit einer bisher nicht möglichen Genauigkeit erfaßt werden können. Darüber hinaus wären durch die Farbinformation der Multispektralkanäle vielfältige Daten für geologische, mineralogische und andere thematische Interpretationen verfügbar geworden. Die Weitwinkelkamera sollte besonders der Beobachtung von Staubstürmen und anderen atmosphärischen Phänomenen dienen.

Wie waren Sie und Ihr Fachgebiet an dem Projekt beteiligt?

Unsere Aufgabe war die Entwicklung von Software für die photogrammetrische und kartographische Auswertung der Bilddaten. Dazu gehört die Gewinnung eines Digitalen Geländemodelles der Mars-Oberfläche, die geometrische Transformation der Bilder in den Grundriß einer Karte sowie die Herstellung von Bildkarten, eine Aufgabe, die die Mosaikbildung aus vielen einzelnen Szenen einschließt. In diesem Zusammenhang haben wir ein Kartenwerk "Topographic Image Map MARS 1:200.000" entworfen. Ich selbst war dabei als Vorsitzender der internationalen Arbeitsgruppe tätig, in der vor allem amerikanische, aber auch russische und englische Kollegen mitgewirkt haben.

Wie lange haben Sie daran gearbeitet, und welche Bedeutung hatte das Projekt für Sie?

Die ersten Beratungen haben vor über acht Jahren stattgefunden. Die eigentliche Projektbearbeitung begann Anfang 1992. Seither waren stets drei Mitarbeiter mit der Software-Entwicklung befaßt. Ein Test des gesamten Software-Systems war für 1997 vorgesehen. Da wir im Rahmen des von der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA) geförderten Projektes auch erhebliche Hardware-Investitionen tätigen konnten, hatte das Vorhaben für uns eine herausragende Bedeutung; es war mit etwa 2,7 Millionen DM unser größtes Drittmittelprojekt.

Wie geht es weiter?

Durch den Fehlstart der Sonde "Mars '96" wurden unsere Erwartungen und Zukunftspläne jäh gestoppt. Wir hoffen zunächst, daß sich die Software-Entwicklungen noch sinnvoll abschließen lassen, damit sie bei einer anderen Gelegenheit, z. B. auch zur Erdbeobachtung, genutzt werden können. Die Beteiligten haben sich inzwischen vom ersten Schock erholt, sie resignieren nicht. Sie wissen, daß die Hardware- und Software-Entwicklungen nicht verloren sind und für eine andere Mars-Mission bestens genutzt werden können. Diskutiert wird eine Mission mit einem kleinen Satelliten, die sich im Gegensatz zu der umfangreichen Mission "Mars '96" auf die Beobachtung der Mars-Oberfläche konzentriert. Ob und wann es zu einer solchen neuen Mission kommen wird, läßt sich heute noch nicht sagen.


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