"Attraktivität der TU stark gefährdet"


Sollte die Koalitionsvereinbarung
zwischen CDU und SPD Wirklich-
keit werden, so sieht es für die TU Ber-
lin in Zukunft gar nicht gut aus. Über
die möglichen Auswirkungen des Ko-
alitionspapiers, das eine drastische Ein-
schränkung der Lehrerbildung und die
Einstellung anderer Studiengänge an
der TU Berlin vorsieht, informierten
TU-Präsident Dieter Schumann, Kanz-
ler Ulrich Podewils und die Dekane von
vier Fachbereichen auf einer Presse-
konferenz Ende Januar.

Betroffen von den möglichen Einstellungen ist das Studium für die Lehrämter Chemie, Biologie, Geographie, Germanistik und Anglistik, wobei bei den beiden letzteren auch die Magisterstudiengänge gestrichen werden sollen. Darüber hinaus sollen auch die Fächer Sozialpädagogik und Grundschulpädagogik wegfallen. Argument der Politiker für diese Kürzungen ist der Abbau von Mehrfachangeboten an den Berliner Unis.

Bisher hatte die TU Berlin ihre Hausaufgaben in Sachen "Einsparungen" gewissenhaft durchgeführt, betonten Dieter Schumann und Ulrich Podewils: Seit 1992 bis heute wurden 437 Stellen gestrichen und insgesamt 73,1 Millionen Mark gespart. Bis zum Jahr 2003 würden sich die Kürzungen auf 123,4 Millionen Mark summieren und 891 Stellen gestrichen sein.

Für Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz, Dekan des Fachbereichs Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften erscheint die Streichung der Grundschulpädagogik absurd, da sie die Grundlage jedes pädagogischen Studienganges bildet. Er warf den Politikern von CDU und SPD Unkenntnis der eigenen Gesetze vor, da die jetzigen Vorschläge im Widerspruch zum Lehrerbildungsgesetz stehen würden, das erst 1995 beschlossen wurde und mit dem durch neue, verbesserte Studienangebote die Grundschulpädagogik aufgewertet werden sollte.

Zerstört würde auch die an der TU Berlin einmalige Vernetzung von Natur- und Geisteswissenschaften in Lehre und Forschung, wenn die Koalitionsvereinbarungen Wahrheit würden, betonte Prof. Dr. Günter Abel, Dekan des Fachbereichs 1 Kommunikations- und Geschichtswissenschaften. Rund 2600 Studienplätze würden durch die Streichung von Germanistik und Anglistik wegfallen, durch die Vernetzung zwischen den Fachbereichen wären insgesamt 80 Prozent aller Lehramts- und 60 Prozent der Magister-Studiengänge betroffen.

Auch dem Dekan des Fachbereichs 4 Physik, Prof. Dr. Siegfried Hess, erscheinen die Vorschläge der Parteien kurzsichtig, denn nicht nur angehende Studienräte und Grund- und Hauptschullehrer, sondern auch Berufsschullehrer wären von den Kürzungen betroffen. In Berlin ist die TU die einzige Universität, die Berufsschullehrer ausbildet.

Einen weiteren Aspekt gab Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Beitz zu bedenken. Als Dekan des Fachbereichs 11 Maschinenbau und Produktionstechnik ist er zwar von den jetzigen Kürzungsvorschlägen nicht so extrem betroffen wie seine Kollegen, aber auch in seinem Fachbereich wird intensiv gestrichen und gespart, was zu einer nicht mehr hinnehmbaren Planungsunsicherheit in der Lehre und besonders in der Forschung führen würde. Darüber hinaus sieht er die Attraktivität der TU Berlin stark gefährdet, was sich gerade bei Berufungsverhandlungen äußerst negativ niederschlagen würde.

Bettina Weniger


[TU Berlin] [Pressestelle] [TU intern] [Februar '96]