Die Sonne scheint auch an der Spree

Ein Jahr Dialogforum Solartechnik - Was brachten die Expertengespräche?


Solartechnik in Deutschland wird von vie-
len Menschen noch belächelt: Im sonni-
gen Süden würde das ja sinnvoll sein,
aber im Norden, wo der Himmel häufiger
grau ist als blau, da sei diese Alternativ-
energie uneffektiv. Dem ist aber durchaus
nicht so. Strom und Wärme aus Sonnen-
energie können auch in der Region Ber-
lin/Brandenburg wirtschaftlich genutzt
werden, und sie können sogar Arbeits-
plätze schaffen - das will das "Dialogfo-
rum Solartechnik" beweisen. Der Ge-
sprächskreis, der von der Technologiestif-
tung Innovationszentrum Berlin und der
Abteilung Wissenstransfer der TU Berlin
veranstaltet wird, hat seit Dezember 1994
vier "Expertengespräche" ausgerichtet.
Seit Beginn der Gespräche vor rund einem
Jahr kam bereits einiges heraus: unter an-
derem zwei drittmittelgeförderte For-
schungsprojekte an der TU Berlin und
zwei Firmen, die jetzt in Berlin/Branden-
burg Solartechnik-Komponenten produ-
zieren wollen.

Zahlreiche Institute und Fachgebiete an der TU Berlin forschen im Bereich der Solartechnik

Hintergrund des Dialogforums ist eine Initiative des Berliner Wissenschaftssenators Manfred Erhardt aus dem Jahr 1994. Gemeinsam mit dem damaligen Berliner Technologiebeauftragten und TU-Professor Günther Seliger holten sie die Technologietransferstellen der Berliner Hochschulen an einen Tisch und legten "Geschäftsfelder der Zukunft" fest. In diesen sogenannten Clustern sollte sich die Region Berlin/Brandenburg in Wissenschaft und Wirtschaft engagieren. Die Cluster, die unter anderem Kommunikationstechnik, Biotechnologie oder Medizintechnik umfaßten, wurden dann auf die einzelnen Hochschulen verteilt. An der TU Berlin landeten dann einige auf dem Schreibtisch von Diplom-Ingenieurin Helga Förster, Leiterin des Technologietransfers im Bereich Wissenstransfer (WTB).

"Ziel dieser Aktion war es, in den Clustern neue Geschäftsfelder zu erschließen, neue Produkte zu finden und damit Arbeitsplätze für die Stadt und die Region zu schaffen", erläutert WTB-Mitarbeiterin Förster. Im Cluster "Energietechnik", dem sich die TU Berlin annahm, fiel das Hauptaugenmerk dann auf die Solartechnik, d.h. auf die Nutzung von Sonnenenergie für Stromerzeugung, Warmwasserbereitung oder Raumbeheizung. Helga Förster: "Da sah und sieht es in der Region noch ganz besonders traurig aus".

Anlaß genug, um Wissenschaftler, Vertreter von Unternehmen und Interessenverbänden aufzuspüren und zu sogenannten Expertengesprächen zusammenzubringen. Dort wurden Fördermöglichkeiten aufgezeigt, und es wurde dargestellt, wie die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse schnell und nutzbringend in die Wirtschaft bringen können. Inzwischen ist ein Jahr vergangen, vier Expertengespräche wurden veranstaltet, und ein harter Kern von 20 bis 30 Solar-Aktiven hat sich herausgeschält. Eine erste Bilanz zeigt, daß sowohl Unternehmen als auch die Hochschulen vom Dialogforum profitieren können.

ZWEI NEUE FORSCHUNGSANTRÄGE

Für die TU Berlin wurden beispielsweise zwei neue Forschungsanträge auf die Beine gestellt. Fördermittel werden derzeit bei der seit Juni 1995 arbeitenden Stiftung Innovationszentrum Berlin beantragt.

Beim Projekt von Prof. Dr. Heinrich Kaase steht die passive Solarenergie im Mittelpunkt. Bei der Renovierung des alten Elektrotechnik-Gebäudes wurden mehrere Räume seines Arbeitsbereiches so hergerichtet, daß sie als Forschungs- und Demonstrationsanlage für Tageslichtsysteme genutzt werden. Hier werden zum Beispiel Umlenkeinrichtungen vor den Fenstern eingebaut und durch moderne Steuerungseinrichtungen kontrolliert. Wie sich diese Lichttechniken auf die Innenraumbeleuchtung und den Energieverbrauch auswirkt, kann dann von den Wissenschaftlern untersucht werden. Mit beteiligt sind Hersteller von Lampen und Beleuchtungssystemen. Sie unterstützen das Projekt materiell und wollen aus dieser Zusammenarbeit heraus marktfähige Produkte entwickeln. Eine Produktidee: Licht-Bauelemente, die so einfach kombiniert und aufgestellt werden können, daß sie auch ein Nichtfachmann bei sich zuhause zusammenbauen kann.

Ein fachbereichsübergreifendes Projekt haben die Professoren Gerhard Bartsch vom Institut für Energietechnik und Stefan Jähnichen, Institut für Angewandte Informatik, vor. Mit Hilfe von modernsten Computern und Software wollen sie die "Simulation von Niedrigenergiegebäuden" ermöglichen. Ihr Ziel: Architekten und Bauingenieure brauchen sich mit ihren Plänen und Vorgaben nur noch an die Simulationsexperten wenden, die dann berechnen, wo und wieviel Energie in einem geplanten Gebäude verbraucht wird und wo man sparsame Alternativen finden kann.

ARBEITSPLÄTZE GESCHAFFEN?

Aber die Forschung bringt nur begrenzt neue Arbeitsplätze. Wie konnte das Hauptziel des Dialogforums - die Schaffung von Arbeitsplätzen - bisher verwirklicht werden? "Das jüngste Beispiel ist die Schweizer Firma Newtec, die ebenfalls am Dialogforum teilnimmt", berichtet Helga Förster. Newtec stellt Solar-Dachziegel her, die wie ein normaler Dachziegel auf ein Haus montiert werden - eine Alternative zu den bisher häufig eingesetzten kastenförmigen Aufbauten. "Die Ziegel, die bisher aus der Schweiz nach Deutschland exportiert wurden, werden ab diesem Frühjahr in Berlin produziert", so die Organisatorin, "Das hat uns die Firma jetzt mitgeteilt."

Ein Beispiel für schnellen Wissenstransfer ist die Ufe-Solar Uckermark GmbH, eine junge Firma, die in Manufakturbauweise Solaranlagen herstellt. Im Rahmen des Dialogforums wandte sie sich an Günther Seliger in dessen Eigenschaft als Professor für Montagetechnik an der TU Berlin. Sie fragten bei ihm um Rat für eine effektivere Produktion, den sie auch prompt von einer TU-Diplomandengruppe erhielten. Diese entwickelte ein neues Herstellungskonzept, mit der Ufe-Solar nun 40 Prozent der Produktionskosten einsparen kann.

"ABER ES REICHT NOCH NICHT"

Also ein rundum gutes Fazit nach einem Jahr Dialogforum Solartechnik? "Im Solarbereich haben wir schon etwas bewegt", so die Einschätzung von Helga Förster, "aber das reicht noch nicht. Im Kopf der Leute ist immer noch drin, daß man mit Solartechnik nur etwas anfangen kann, wenn die Sonne auf die Dächer knallt und daß sie nichts bringt, wenn der Himmel bedeckt ist. Das muß geändert werden."

Daß es durchaus anders geht, zeigt ein prominentes Beispiel: der Neubau der Firma debis am Potsdamer Platz. Von Anfang an wurden die debis-Architekten zum Dialogforum eingeladen, nahmen auch regelmäßig teil. Ende letzten Jahres entschieden sie dann, daß sie die Südfassade zum Landwehrkanal mit Solarkollektoren bestücken werden. Über solch ein weithin sichtbares Vorhaben ist die Solar-Freundin Förster natürlich froh: "Die Menschen, die in Zukunft am Landwehrkanal vorbeikommen, können dann mit eigenen Augen sehen, daß Solartechnik in Berlin sehr wohl funktioniert."

René Schönfeldt


Solartechnik für Architekten und Bauingenieure

Im kommenden Sommersemester bietet das Institut für Elektrische Maschinen zusätzlich eine Veranstaltung "Solartechnische Systeme für Architekten und Bauingenieure". Dozenten sind Dr. Stefan Krauter und Prof. Dr. Rolf Hanitsch. Sie werden eine große Palette von Themen behandeln, die für das Bauwesen von Interesse sind: Solares Energieangebot, Einstrahlung, solare Energiewandler, Integration in Gebäude, Systemtechnik, Energiespeicherung und -verteilung, Lastmanagement, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und Rechenbeispiele. Außerdem werden realisierte Beispiele und ausgewählte Objekte vorgestellt. Die Veranstaltung, die insgesamt vier Wochenstunden umfassen soll (Vorlesung und integrierte Veranstaltung) soll im Raum EM 357 stattfinden. Zeit und Beginn stehen noch nicht fest.


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