Was hat Berlin von der Technischen Universität?

TU-Präsident Dieter Schumann: Hochschulen stärken den Wirtschaftsstandort Berlin

Wenn es um die Sparmaßnahmen des Landes Berlin geht, tauchen die Universitäten nur noch als Kostenfaktor auf. An ihnen wird gestrichen, gekürzt und abgebaut. Daß die Universitäten aber auch einiges für die Stadt hereinbringen, wird nur allzu häufig übersehen. Damit diese Leistungen nicht ganz unter den Tisch fallen, faßt TU-Präsident Prof. Dr. Dieter Schumann im folgenden Beitrag zusammen, was z. B. die Technische Universität für das Land Berlin bedeutet:

Ein Aspekt gerät im Tagesgeschäft der Finanzpolitik häufig in Vergessenheit: der Transfer von Forschungsleistungen aus den Unis in die Wirtschaft
Immer wieder müssen wir in der öffentlichen Diskussion um den Sparbeitrag der Universitäten erleben, daß sich offenbar die Politiker dieser Stadt nicht der Leistungen, die die Hochschulen für die Region erbringen, bewußt zu sein scheinen. Und hier meine ich nicht in erster Linie die Ausbildung von rund 150000 Studierenden, sondern jene Leistungen, die langfristig zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Berlin beitragen: Forschungsaktivitäten und den Transfer von Forschungsleistungen in die Wirtschaft.

Bevor dieser Aspekt im Tagesgeschäft der Finanzpolitik völlig unterzugehen droht, will ich die Gelegenheit nutzen, über die Leistungen der TU Berlin im Bereich der Forschung zu berichten.

FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN

Die Forschungsaktivitäten der TU Berlin sind geprägt durch ihr besonderes Profil als Technische Universität, in der die Ingenieurwissenschaften eine zentrale Rolle einnehmen. Im Konzert mit den Natur-, Wirtschafts- und Planungs- sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften haben sich in den letzten Jahren disziplinübergreifende und profilbestimmende Schwerpunkte herausgebildet. Zu denken ist an die Umweltwissenschaften, die Technikvorsorge- und -folgenforschung, die Biotechnologie, den großen Bereich Mobilität und Verkehr, die Werkstoffwissenschaften, den Maschinenbau und die Produktionstechnik sowie an Forschungen über das Zusammenspiel von Mensch und Maschine, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Diese Schwerpunktbildungen verdeutlichen, daß die TU Berlin ihr Forschungspotential in den vergangenen Jahren vornehmlich in den technologischen Schwerpunktfeldern der Region ausgebaut hat. Zugleich hat die TU Berlin den Technologie- und Wissenstransfer verstärkt, um Voraussetzungen für eine innovative und disziplinübergreifende wissenschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen.

Dazu gehört auch die Intensivierung der Kooperation zwischen der TU Berlin und der Wirtschaft. Neben den Kooperationen und personellen Verflechtungen mit der Fraunhofer-Gesellschaft soll beispielhaft die Zusammenarbeit mit der Firma Siemens AG hervorgehoben werden. Seit 1984 gibt es gemeinsame Vorhaben auf den Innovationsfeldern der Opto- und Mikroelektronik, der Energietechnik und der Meß- und Automatisierungstechnik, die Siemens mit ca. 20 Millionen DM unterstützt hat.

Weiterhin sollen die sechs in Berlin angesiedelten An-Institute der TU Berlin genannt werden, die ein effektives Verbindungselement zwischen der Hochschule und Wirtschaft darstellen. Sie sind ebenso in TU-Schwerpunktbereichen wie Umweltforschung und Transport und Verkehr tätig.

AKTUELLE LÖSUNGEN

Zwei aktuelle Beispiele möchte ich nennen, bei denen die TU Berlin ganz konkret bestrebt ist, Lösungsbeiträge für aktuelle politische und wirtschaftliche Probleme der Stadt zu erarbeiten:

1. Auf dem Gebiet der Biotechnologie formieren sich derzeit eine Vielzahl von Einrichtungen des Wirtschaftsraumes Berlin-Brandenburg mit dem Ziel, in dem von der Bundesregierung ausgeschriebenen Wettbewerb eines der bundesdeutschen "center of excellence" in Biotechnologie zu werden. Auf der Seite der Wissenschaft leistet die TU hierbei einen wichtigen Beitrag: In der Chemie und der Mikrobiologie und in vielen Bereichen der Ingenieurwissenschaften kann die TU Berlin bereits heute auf ein beträchtliches Drittmitteleinkommen verweisen. Mit dem in Gründung befindlichen profilbildenden Forschungsschwerpunkt "Biotechnologiezentrum" will die TU Berlin beweisen, daß sie nach Maßgabe ihrer Kräfte die Wissenschaft der Stadt in einem Zukunftsfeld prägen kann.

2. Der Standort Berlin entwickelt sich derzeit zum europäischen Kompetenzzentrum für Verkehr und Logistik. Die wissenschaftlichen Potentiale der TU Berlin liegen hier im Bereich der Verkehrsträgertechnologien (Kraftfahrzeug, Bahn, Schiff und Flugzeug), der Verkehrssystemtechnik, der Logistik bis hin zur Landschafts-, Stadt- und Regionalplanung. Die TU Berlin ist auch hier bestrebt, ihre Kräfte zu bündeln, um für die anstehenden Fragen im gesamten Bereich Mobilität und Verkehr gezielte Lösungsstrategien für die Stadt zu entwickeln.

GRUNDLAGENFORSCHUNG

Doch nicht nur die Ergebnisse der Angewandten Forschung kommen der Region zugute, sondern auch die Leistungen aus dem Bereich der Grundlagenforschung.

Die TU Berlin ist derzeit Sprecherhochschule von sechs Sonderforschungsbereichen und vier Forschergruppen, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft jeweils mit zwei bis drei Millionen DM pro Förderungszeitraum finanziert werden. An fünf weiteren Sonderforschungsbereichen der FU ist die TU Berlin mit Teilprojekten beteiligt. Diese großen interdisziplinären Forschungsvorhaben befassen sich mit Themen der Physik, Chemie, Mathematik und mit Fragen der Umwelttechnik, der Werkstoffwissenschaften, der Produktionstechnik, der Mensch-Maschine-Schnittstellen und der Turbulenzforschung. Die Leistungen, die in diesen Projekten erbracht werden, sind eine unserer wichtigsten Investitionen in die Zukunft, denn neben der Produktion von Forschungsergebnissen wird auch der wissenschaftliche Nachwuchs herangezogen.

120 MILLIONEN MARK DRITTMITTEL

Letztlich bleibt zu erwähnen, daß es der TU Berlin aufgrund ihrer Forschungsleistungen gelungen ist, in den vergangenen Jahren Drittmittel in nahezu gleichbleibender Höhe einzuwerben. Das jährliche Gesamtvolumen von ca. 120 Millionen DM ist eine Größenordnung, die die TU Berlin in die Spitzengruppe deutscher Universitäten einreiht.

Die hier geschilderten Forschungsleistungen der TU Berlin sind nun aufgrund der radikalen Sparmaßnahmen in Gefahr. Wir befinden uns in der schwierigen Situation, daß wir z. B. Drittmittelprojekte von der Deutschen Forschungsgemeinschaft nicht annehmen können, weil die Universität die Grundausstattung, Bedingung für die Annahme der Mittel, nicht mehr bereitstellen kann. Man kann sich leicht vorstellen, daß dies der Anfang vom Ende der Forschung an einer Universität ist.

Prof. Dr. Dieter Schumann,
Präsident der TU Berlin


© 6/'96 TU-Pressestelle