"Ich denke, es ist ungeschickt, wenn man gleich bezahlt"

Studenten sollen zum Wintersemester hundert Mark mehr bezahlen - an den Hochschulen läuft eine Boykottwelle

Zahlen oder nicht zahlen - das ist die Frage, die sich die rund 150000 Studierenden in Berlin gestellt haben oder noch stellen. Soll man die um hundert Mark erhöhte Verwaltungsgebühr zahlen oder boykottieren? Bei den bisherigen Rückmeldungen zeigt sich schon ein Trend: Nach Angaben der "Initiative gegen Studiengebühren" boykottieren an der TU Berlin 68 % der bisher Zurückgemeldeten die erhöhten Gebühren. Viele Studierende zögern aber noch, warten ab, was die nächsten Wochen bringen. Viele erhoffen sich eine Klärung vor Gericht, denn einige der Kommilitonen klagen derzeit wegen der erhöhten Verwaltungsgebühren gegen die Universitäten. TU intern schaute sich auf dem Campus um und fragte einige Studierende, ob sie boykottieren, bezahlen oder erstmal abwarten.

André Renelt, Chemie, 4. Semester
Ich habe bis jetzt 52 Mark bezahlt. Den offiziellen Überweisungsvordruck habe ich in den Sammelkasten im Foyer getan. Ich habe gestern gelesen, das sich 6000 von den bisher 17000 Rückmeldungen an dem Boykott beteiligen. Ich finde, das ist schon eine sehr große Zahl. Nun muß man auf die Entscheidung der Uni warten. Wenn die die Rückmeldeunterlagen nicht schicken, werden sicherlich viele kurzfristig - auch mit Vorbehalt - den Rest bezahlen. Das Problem ist, daß die Studenten den Druck nur auf die Universität ausüben können und nicht auf den Berliner Senat, der das Geld schon einbehalten hat. Aber nur so können wir erreichen, daß sich die Universität auch gegen den Senat richtet. Wenn sich eine genügend große Masse beteiligt, können wir, denke ich, auch etwas bewegen.

Ulrike Born, Lehramt Anglistik, 1. Semmester
Ich bin mir da noch nicht ganz sicher, weil ich bisher wenig Zeit hatte mich zu informieren. Aber das werde ich jetzt noch machen. Der Rückmeldeschluß ist ja noch verlängert worden. Aus Solidarität würde ich schon sagen, daß man mitmachen sollte.

Andreas Bakacs, Verkehrswesen, 6. Semmester
Eigentlich möchte ich das nicht bezahlen. Allen Informationen, die ich gelesen habe, habe ich aber entnommen, daß man am Schluß doch bezahlen muß. Denn sonst bekommt man Probleme, beispielsweise mit dem Studentenwohnheim. Überwiesen habe ich noch nicht. Ich werde aber wahrscheinlich noch abwarten, was kommt. Die hundert Mark kann ich zur Zeit auch gut anders gebrauchen.

Matthias Welk, Informatik, 10.Semester
Die hundert Mark finde ich natürlich nicht richtig, aber ich werde sie zahlen. Überlegt habe ich mir schon, ob ich boykottiere. Aber die Gefahr, daß ich exmatrikuliert werde, ist mir zu groß, besonders in meinem Fach, in das ich im ZVS-Verfahren reingekommen bin. Ich habe außerdem bloß noch ein oder zwei Semester.

Claudia Gans, Architektur, 6. Semester
Morgen melde ich mich zurück, und da zahle ich die hundert Mark nicht mit. Ich habe außerdem ein Formular von der Gewerkschaft GEW mit einer Musterklage, die man auch einreichen kann. Was da rauskommt, werden wir dann ja auch sehen. Die Leute, die ich besser kenne, bezahlen auch alle nicht. Auf eine Exmatrikulation würde ich es nicht ankommen lassen. Aber ich denke, es ist ungeschickt, wenn man es jetzt gleich bezahlt. Bevor die Rückmeldefrist ausläuft, sollte man das Geld zurückhalten und sehen, was die Uni macht und was der Senat macht.

Iwo Heidrich, Elektrotechnik, 10. Semester
Ich habe es noch nicht bezahlt und werde es wohl auch erstmal nicht bezahlen. Die Strafgebühren sind ja nicht so hoch. Ich zahle nur den üblichen Beitrag und lege dann einen Zettel mit rein, daß ich den Rest nicht bezahlen werde. Und dann muß die Universität erstmal mit einem Bescheid reagieren.

Roman Weidinger, Verkehrswesen, 4. Semester
Ich warte jetzt noch, bis klar wird, wie es denn weitergeht. Bis Mitte Juli sollen ja noch Entscheidungen fallen. Und bis dahin werde ich mit meiner Rückmeldung auch warten. Exmatrikulation will ich wirklich nicht riskieren. Ich habe jetzt gehört, daß ein Drittel der bisher zurückgemeldeten Studenten die hundert Mark nicht bezahlt haben. Wenn das so weitergeht, sind das bei den 150000 Studenten in Berlin rund 50000.
© 6/'96 TU-Pressestelle