Projektarbeit und scharfe Scheren

Studenten am Projektseminar Maschinenbau entwickeln ein Scherenschleifer-Fahrrad

Der Scherenschleifer, der zu seinen Kunden in die Straßen und Höfe kommt und Scheren und Messer schleift - er ist vielen, besonders den etwas Älteren, noch in Erinnerung. Bald wird er wohl wieder auf Berlins Straßen zu sehen sein. Starthilfe gibt ein Projekt von Studierenden des "Projektseminars Maschinenbau" am Fachbereich 11 Maschinenbau und Produktionstechnik.

Im vergangenen Sommer trat der Berlin-Brandenburgische Bund freien Gewerbes e.V. an den Fachbereich 11 Maschinenbau und Produktionstechnik mit der Bitte heran, ein neuzeitliches Scherenschleifer-Fahrrad zu entwickeln. Ziel war es, eine Erwerbsquelle zu schaffen für Obdachlose und sozial Entwurzelte, die auf dem freien Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben. Eine interessante und sinnvolle Aufgabe, für die aber kein Geld gezahlt werden konnte - genau das Richtige also für ein studentisches Projekt.

Dieser Sache nahm sich das "Projektseminar Maschinenbau" an, ein Studienreformprojekt im Hauptstudium des Maschinenbaus. Hier werden verschiedenste Konstruktionsaufgaben von studentischen Teams von durchschnittlich sechs Teilnehmern unter fachlicher Anleitung bearbeitet. Dabei geht es nicht nur um den Erwerb fachlicher Kompetenz, sondern ausdrücklich auch um ein möglichst praxisnahes Erleben von Ingenieurtätigkeit sowie um überfachliche Qualifikationen wie Projektmanagement, Moderation und Präsentationstechniken.

Eine Projektgruppe ging im Oktober 1995 ans Werk: Eine Vielzahl von Lösungen wurde entwickelt und diskutiert, bis sich die Studierenden schließlich auf drei Konzepte verständigten:

  • Ein dreirädriges Lastenfahrrad, das zwischen den Vorderrädern einen Aufbau mit einem Wippantrieb hat (wie eine Nähmaschine),
  • eine Anhängerlösung, bei der der gesamte Arbeitsplatz in einem Anhänger untergebracht ist, als Antrieb dienen Pedale und Kette wie beim Fahrrad,
  • technisch und ökologisch spektakulär, aber auch deutlich teurer als die anderen Lösungen ist ein Solarfahrrad, bei dem der Schleifbock mit Strom angetrieben wird, der in mitgeführten Solarpaneelen erzeugt wird.
Ein Berliner Scherenschleifer mit Fahrrad um 1919. Die Entwürfe der TU-Studenten aus dem Jahr 1996 sehen natürlich etwas moderner aus

Die dazu entwickelten Entwürfe, für die jeweils ein kompletter Satz Werkstattzeichnungen angefertigt wurde, werden nun am 18. Mai bei einer Veranstaltung vorgestellt, die der "Bund freies Gewerbe" organisiert. Nach Möglichkeit sollen in den kommenden Monaten Prototypen von allen drei Varianten gebaut werden, und zwar in der Lehrwerkstatt der Siemens AG. Möglicherweise fahren in sechs Monaten schon wieder die ersten Scherenschleifer durch Berlin. Das wäre dann die Krönung für ein erfolgreiches, praxisgerechtes Projekt.

Auf der Veranstaltung am 18. Mai kommt es aber noch zu einer weiteren Premiere: Seit einigen Monaten kooperiert das Projektseminar Maschinenbau mit dem "Arbeitskreis Studenten und Jungingenieure des VDI" (Verein Deutscher Ingenieure), mit dem Ziel, die Ausbildung von Studierenden der Ingenieurwisenschaften zu verbessern. So sind z. B. gemeinsame Seminare zu den überfachlichen Qualifikationen geplant. Zum Start dieser Kooperation stellte der VDI-Arbeitskreis dem Projektseminar eine Moderationsausrüstung mit Flipcharts, Pinwänden und Moderatorenkoffer für 2000 DM zur Verfügung, um professionelles Arbeiten zu ermöglichen. Erstmalig eingesetzt wird diese Ausrüstung bei der Präsentation der Arbeitsergebnisse.

Jörg Longmuß, Projektseminar Maschinenbau


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