Eine amerikanische Reise

Häuserschluchten in New York, Gewalt in den Großstädten, endlose Highways zwischen Ost- und Westküste, Motels und Monument Valle, - das ist alles nicht neu. Die allzu bekannten Bilder hat man schon zig-mal im Fernsehen gesehen oder selber vor Ort angeschaut. Und trotzdem taugt eine "Amerikanische Reise" immer noch als Thema eines Buchs, etwa für den Berliner Schriftsteller und ehemaligen TU-Physiker Ulrich Woelk, der sein jüngstes Buch auch gleich so genannt hat.

Die Geschichte handelt von Jan, einem Journalisten aus Berlin, der ganz unbedarft nach New York reist, um ein befreundetes Ehepaar zu besuchen. Doch aus dem ruhigen Transatlantik-Ausflug wird nichts: Jan wird plötzlich und gegen seinen Willen zum Zuschauer einer Beziehungskrise und ist bald selbst zum Beteiligten in dem Konflikt geworden. Mit Kristin, der Frau seines besten Freundes Walter, findet er sich nach einer ehelichen Auseinandersetzung auf einem Auto-Trip durch die Vereinigten Staaten wieder; indessen stürzt Kristins Ehemann, Banker an der Wall Street, beruflich in den Ruin. Jan und Kristin kehren zwar wieder in die Metropole zurück, aber das Drama nimmt kein gutes Ende. Es kommt zu einer Vergewaltigung und einem Mord.

Obwohl die "Amerikanische Reise" insbesondere in der zweiten Hälfte spannend ist und überraschende Wendungen in der Handlung bereithält, hat sie ein großes Handicap: Amerikanische Reisen sind allzu bekannt, und ein ein neuer, ungewohnter Blick ist schwierig. Woelk versucht es unter anderem mit vielen, vielen Metaphern, manchmal sogar gedoppelt: "Die Sonne ist untergegangen, ein staubiger Kürbis, der sich eine Handbreit über dem Horizont aufgelöst hat, wie ein träge treibender porös gewordener Heißluftballon." Das ist häufig zuviel des Guten und nervt. Besser ist es, sich auf die Überraschungen in der Handlung und die dunklen bis finsteren Seiten der Hauptpersonen zu konzentrieren.

Bevor Ulrich Woelk die Schriftstellerei zum Beruf machte, studierte er in Tübingen Physik und promovierte anschließend am am Institut für Astronomie und Astrophysik der TU Berlin, wo er bis 1994 arbeitete. Er hat bereits die Romane "Freigang" und "Rückspiel" sowie das Theaterstück "Tod Liebe Verklärung" veröffentlicht, die alle als Fischer-Taschenbücher erhältlich sind. Für "Freigang" erhielt er 1990 den Aspekte-Literaturpreis.

"Amerikanische Reise", gebunden, 247 Seiten, ist in der Collection S. Fischer erschienen und kostet 39 DM . Am 28. November liest Ulrich Woelk aus seinem neuen Roman, im Buchhändlerkeller, Carmer Straße 1.

René Schönfeldt


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