Das Boot

Alle Reformen in der Verwaltung haben eines gemeinsam: Sie werden ausführlich und kontrovers diskutiert und bringen die Gefühle aller Beteiligten in Wallung. Manchmal wird sogar eine gehörige Portion Kreativität und Humor frei. So geschehen im Bezirksamt Steglitz: Dort kursiert seit einiger Zeit ein Flugblatt, in dem die Berliner Verwaltungsreform karikiert wird. Eine kleine Geschichte, über Wettbewerb, Beratungsfirmen und Leistungsanreize, die wir unseren Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten möchten:

Vor einiger Zeit verabredete der Berliner Senat mit den Japanern, daß jedes Jahr ein Wettrudern mit dem Achter auf der Spree ausgetragen werden soll. Beide Mannschaften trainierten lange und hart, um ihre höchste Leistungsfähigkeit zu erreichen. Als der große Tag des Wettkampfes endlich da war, waren beide Mannschaften topfit. Die Japaner gewannen mit einem Kilometer Vorsprung.

Nach dieser Niederlage war das Senatsteam sehr niedergeschlagen und die Moral war auf dem Tiefpunkt. Das obere Management beschloß, den Grund für die vernichtende Niederlage herausfinden zu wollen.
Eine Projektgruppe wurde eingesetzt, um das Problem zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zu empfehlen. Die Untersuchungen ergaben, daß die Japaner mit acht Leuten ruderten und nur einer steuerte; beim Berliner Senat ruderte einer und acht Leute steuerten. Das Management engagierte eine Beratungsfirma, um eine Studie über die Struktur des Senatsteams anfertigen zu lassen. Für nur wenige Millionen Mark Honorar kamen die Berater zu dem Schluß, es steuerten zu viele und es ruderten zu wenige.

Um einer Niederlage beim nächsten Rennen vorzubeugen, wurde auf Empfehlung einer zweiten Beraterfirma die Teamstruktur geändert. Es gab jetzt einen Ruderer, vier Steuerleute, drei Obersteuerleute und einen Steuerdirektor. Der Aufgabenbereich des Ruderers wurde erweitert; es wurde ihm mehr Verantwortung übertragen. Ein Leistungssystem wurde eingeführt, um dem Ruderer Ansporn zu noch mehr Leistung zu geben.
Die Japaner gewannen das nächste Rennen mit zwei Kilometern Vorsprung.

Der Berliner Senat entließ den Ruderer wegen schlechter Leistung, verkaufte das Boot und stoppte gleichzeitig alle Investitionen für ein neues, leistungsfähigeres Boot. Das eingesparte Geld reichte für die Beförderung des Steuerdirektors und der drei Obersteuerleute. Den Beraterfirmen wurde eine lobende Anerkennung für ihre hervorragende Arbeit ausgesprochen.


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