TU intern - Dezember 1997 - Menschen

Heinz Lehr


Der Siegeszug der Winzlinge

Mikrotechnische Bauteile lassen sich durch neue Fertigungstechniken immer winziger und leistungsfähiger herstellen. Die Mikrotechnik macht es möglich. Beispielsweise in der Medizintechnik erlauben heute winzige Glasfaseroptiken und elektronische Kameras bei Schnitten von nur wenigen Millimetern Länge einen genauen Einblick in den menschlichen Körper. Durch diese sogenannte "Schlüssellochchirurgie" können Verletzungen oder Erkrankungen einfacher festgestellt und behandelt werden. Auch Navigationssysteme oder auch Abstandswarnsysteme sind Neuerungen am Auto, deren Herstellung durch den Einsatz mikrotechnischer Fertigungsmethoden erst möglich wurde.

"Die Miniaturisierung dieser Bauteile schafft nicht nur technische Vorteile, sondern ermöglicht auch die Einsparung von Energie und Rohstoffen. Außerdem wird wertvoller Raum besser genutzt und das Gewicht beträchtlich vermindert", erläutert Heinz Lehr, neuberufener Professor für Mikrotechnik am Fachbereich Maschinenbau und Produktionstechnik der TU Berlin. "Die Winzlinge lassen sich außerdem rasch in großer Zahl herstellen, so daß niedrige Kosten und kurze Fertigungszeiten die mikrotechnischen Fertigungsverfahren darüber hinaus wirtschaftlich attraktiv machen." Wichtigstes Werkzeug für die Mikrostrukturierung ist dabei die Synchrotronstrahlung von BESSY I und demnächst BESSY II. Systeme mit beweglichen Teilen, sogenannte Mikroaktoren, werden bisher allerdings noch selten eingesetzt. Sie interessieren Heinz Lehr ganz besonders. Bereits während seiner Tätigkeit am Institut für Mikrotechnik Mainz GmbH (IMM) arbeitete er unter anderem an einem winzigen Elektromotor mit einem Durchmesser von gerademal 1,9 mm. Er wird in Kathetern für die Herzdiagnostik und -chirurgie sowie als Antriebssystem für miniaturisierte Festplattenspeicher und Scannersysteme eingesetzt.

"Damit die große Funktionsvielfalt mikrotechnischer Baugruppen genutzt werden kann, muß - ähnlich wie im Makroskopischen - auf eine Vielzahl von Materialien für die Mikrostrukturierung der Einzelkomponenten zurückgegriffen werden", berichtet Lehr. Dementsprechend werden heute Metalle, Legierungen, Polymer- und Keramikmaterialien sowie Glas verarbeitet. Allerdings zeigen die Materialeigenschaften der mikrotechnisch gefertigten Bauteile im Vergleich zu den makroskopisch bekannten Werkstoffkennwerten häufig deutliche Unterschiede, so daß die Konstruktion einer Baugruppe erst nach Materialuntersuchungen an Mikroproben stattfinden kann.

Die Fertigung von derartigen miniaturisierten Systemen steht jedoch noch am Anfang. Für die Zukunft wünscht sich Heinz Lehr daher schon bei der Produktentwicklung eine enge Zusammenarbeit mit Industriepartnern, um den bestehenden Bedarf an solchen Produkten rasch und erfolgreich zu decken. Dabei sollen insbesondere konventionelle Präzisionsverfahren für die Mikrofertigung erschlossen und gezielt in der Produktfertigung eingesetzt werden.

Heinz Lehr, geboren 1947, studierte Physik an der TU und FU Berlin. 1981 promovierte er am Hahn-Meitner-Institut. Nachdem er unter anderem bei dem Berliner Elektronenspeicherring für Synchrotronstrahlung (BESSY und BESSY II) und der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle (ESRF) in Grenoble tätig war, wechselte Heinz Lehr 1991 als Forschungsdirektor und Prokurist an das Institut für Mikrotechnik Mainz GmbH, einer vom Land Rheinland-Pfalz Ende 1990 gegründeten gemeinnützigen Forschungseinrichtung. Im März dieses Jahres nahm Heinz Lehr den Ruf auf die Professur für das Fachgebiet Mikrotechnik der TU Berlin an.

Christian Hohlfeld


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