TU intern - Dezember 1997 - Hochschulpolitik

Es fehlt nicht nur am Geld

Thesen zur Qualitätssicherung an der TU Berlin
Motivierte Studierende könnten in Workshops zu "Moderationstutoren " ausgebildet werden, so Heiner Legewie. Nach der Weiterbildung sollen sie studentische Arbeitsgruppen moderieren
Zwei Forderungen dominieren die derzeitige Diskussion über die Hochschulen: Weniger Geld sollen sie kosten, und bessere Qualität sollen sie liefern. Was aber heißt Qualität? Und wie kann man sie messen und vergleichen? Thesen zur Qualitätssicherung an der TU Berlin liefert Heiner Legewie. Er ist Professor für Klinische Psychologie - Gemeindepsychologie in der Sektion Psychologie am Institut für Sozialwissenschaften.

Die Qualität der Hochschulen ist durch die Sparbeschlüsse und nicht zuletzt durch die jüngsten Studentenproteste wieder zum öffentlichen Thema geworden. Die Kürzungen sind nicht hinnehmbar, doch die vielfach verheerende Qualität der Forschung und besonders der Lehre hat tieferliegende strukturelle und mentale Ursachen.

Die TU Berlin war in den 70er Jahren eine der ersten Universitäten, die einen Lehrstuhl für Qualitätswissenschaft eingerichtet und mit einem international renommierten Experten besetzt hat (Prof. Kamiske). Versäumt wurde bisher die Chance, das aus Industrie und Wirtschaft stammende Konzept des Total Quality Management auch zur Qualitätssteigerung an der TU Berlin einzusetzen. Dabei kann es nicht um eine öbernahme von Qualitätskriterien aus der Wirtschaft gehen: Lehre und Forschung sind monetär oder zahlenmäßig nur unzureichend evaluierbar. Zitationsindizes oder Drittmittelvolumina erlauben leider nur indirekte Rückschlüsse auf die Originalität und Qualität von Forschungsergebnissen, das gleiche gilt für die Mittelwerte von Teilnehmerurteilen bei Lehrveranstaltungen. Wir haben es in Lehre und Forschung mit Diskursen zu tun, für die diskursive Qualitätskriterien und gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote entwickelt werden müssen. Beispielhaft seien hier Qualitätszirkel genannt.

Folgende Aspekte sind aus meiner Sicht für das Qualitätsmanagement an der TU Berlin besonders wichtig:
Eine konsequent an Prinzipien der Qualitätssicherung orientierte Universitätsreform hätte zur Voraussetzung, daß sich die Universitätsspitze (Selbstverwaltungsgremien, Präsident, Vizepräsidenten, Kanzler, Planungsgruppe) diesem Ziel vorbehaltlos verschreibt. (Darüber sollte ein interfraktioneller Minimalkonsens hergestellt werden.) Qualitätsmanagement muß gleichzeitig von der Spitze und von dezentralen Organisationseinheiten ausgehen (top down und bottom up). Ein Reformkonzept der Universitätsspitze, das sich auf die Verwaltungsstrukturen bezieht, muß innerhalb der Fachbereiche, Fachgebiete und Studiengänge ergänzt werden durch konkrete Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Lehre und Forschung. Die an der TU Berlin eingeleiteten Maßnahmen (erste Schritte zur Evaluation von Lehre und Forschung, Einrichtung von Studienbüros, Auszeichnung von Champions der Lehre) weisen in die richtige Richtung, treffen aber nicht den Kern, nämlich die oben genannte Schaffung qualitätssteigernder Diskursstrukturen.

Bei den bisher eingesetzten quantitativen Evaluationsinstrumenten sehe ich die Gefahr, daß sie zu einer Zunahme der Bürokratisierung beitragen und kaum Anstöße zur Qualitätssteigerung bieten. Der Einsatz möglichst einfacher quantitativer Erhebungen ist unverzichtbar, muß aber ergänzt werden durch den professionellen Einsatz kommunikativer Formen der Evaluation und Förderung von Qualität, d. h. durch moderierte Qualitätszirkel für Lernende und Lehrende. So wird Evaluation mit Weiterbildung verbunden.

Zur Qualitätssicherung in der Forschung wurde im Berliner Forschungsverbund Public Health modellhaft ein Qualitätssicherungskonzept mit einer Reihe konkreter Maßnahmen zur Förderung von Qualität etabliert. Vorbildlich ist dabei nach meiner Einschätzung die Entwicklung eigenständiger Qualitätskriterien und geeigneter Weiterbildungsmaßnahmen unter Beteiligung der betroffenen Wissenschaftler gelungen. Für die Qualitätssicherung in der Lehre genügt heute nicht allein ein hohes fachliches Niveau: Seit Jahren werden z.B. vom VDI und von Personalchefs in Industrie und Wirtschaft zusätzlich kommunikative Basiskompetenzen wie die Befähigung zu Wissenspräsentation, Teamarbeit und Moderation von den Absolventen einer Technischen Universität gefordert. Professionelle Methoden der Präsentation, Gruppenarbeit, Visualisierung und Moderation, wie sie heute in den Weiterbildungsangeboten der Wirtschaft zum selbstverständlichen Standard gehören, sind jedoch in den Vorlesungen, Seminaren und öbungen - leider auch in der Gremienarbeit! - an der TU Berlin immer noch seltene Ausnahmen.

Der Grundgedanke meines durch eigene Erfahrungen im kleinen erprobten Vorschlags ist einfach: Durch Vermittlung moderner Methoden der Gruppenarbeit und Moderation läßt sich gleichzeitig (1) die Qualität der Lehre im Bezug auf die Vermittlung fachspezifischen Wissens und Könnens verbessern und (2) das Studium als Lern- und Qualifikationsfeld für kommunikative Basiskompetenzen der Studenten nutzen.

Zur (fast) kostenneutralen Umsetzung: Pro Studiengang werden motivierte Studenten in Workshops zu (unbezahlten) "Moderationstutoren" ausgebildet. Diese stehen anschließend zur Verfügung, um moderierte studentische Arbeitsgruppen in Verbindung mit Hauptvorlesungen oder -seminaren anzuleiten. Als Gegenleistung für ihre Arbeit erhalten die Moderationstutoren ein Zertifikat über ihre Qualifikation als Moderatoren. Parallel dazu werden Qualitätszirkel für die Lehre eingerichtet, in der sich die Dozenten eines Studiengangs in regelmäßigen Sitzungen (ca. alle 4 Wochen) zum Austausch ihrer Erfahrungen zur Qualitätssicherung treffen. Auch hier ist es erforderlich, entsprechend motivierte Dozenten vorab in der Moderation von Qualitätszirkeln zu schulen.

Beide Maßnahmen (systematische Einführung von moderierten studentischen Arbeitsgruppen und von Qualitätszirkeln für Lehrende) lassen sich zur Reflexion der Kommunikationsformen in traditionellen Lehrveranstaltungen nutzen. Dazu sollte in jeder Lehrveranstaltung pro Semester eine moderierte Diskussionsrunde unter Zugrundelegen der Ergebnisse der Veranstaltungskritik vorgesehen werden.

Mein Vorschlag, auf dem Wege des "Lernens durch Tun" kommunikative Basiskompetenzen zu vermitteln, versteht sich als Einzelmaßnahme im Rahmen eines umfassenden Konzepts zur Qualitätssicherung der Lehre. Bei entsprechender Motivation der Lernenden und Lehrenden sind die anfallenden Kosten gering: Stellen bzw. Honorarmittel für Workshops zur Vermittlung von Moderationsmethoden und entsprechende Lehrmittel.

Heiner Legewie


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