HOCHSCHULPOLITIK

PRO Pflichttutorien

Jede Statusgruppe der TU muß sich in schwierigen Zeiten Gedanken darüber machen, was sie für die Universität leisten kann. Studenten sind zwar die größte Gruppe an der TU, haben aber wenig Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten. Warum kann man nicht Studenten verpflichten, einen Dienst zu leisten? Das Abhalten eines Tutoriums wäre ein solcher Dienst, der der TU und den Studenten nützen könnte.

In vielen Bereichen können Tutorien nicht mehr angeboten werden, weil keine Stellen wiederbesetzt werden. Sprechstunden der verbliebenen Tutoren sind nur ein schlechter Ersatz. Studenten, die heute an der TU anfangen, leiden in besonderem Maße an den knappen Kassen. Ein Zusatzangebot in Form von Pflichttutorien, würde die Tutoriengröße wieder auf ein akzeptables Maß herunterschrauben. In einer solchen Atmosphäre kann das Lernen wieder Spaß machen, und auch Probleme anderer Natur können geklärt werden. Die Studenten erhalten wieder einen Ansprechpartner, der mit Ratschlägen weiterhelfen kann. Ein Nebeneffekt von Tutorien, der nicht unterschätzt werden darf.

VORBEREITUNG AUF DEN BERUF

Jeder Student im Hauptstudium müßte in der Lage sein, Wissen in einem Fachgebiet weitervermitteln zu können. Dies wird später von ihm im Berufsleben verlangt. Hier bekommt er die Möglichkeit, in einer kleinen Gruppe und einem Fachgebiet seiner Wahl Erfahrungen zu sammeln. Studenten werden so in den Lehrbetrieb eingebunden. Sie lernen den Fachbereich von einer anderen Seite kennen. Kontakte für Studien- und Diplomarbeiten können geknüpft werden. Bei einer Aufnahme eines Pflichttutoriums in die Studien- und Prüfungsordnung muß eine Bewertung des abgehaltenen Tutoriums gewährleistet sein. Dies kann durch Teilnehmerzahlen und die Bewertung der Teilnehmer am Ende des Tutoriums geschehen.

Da der ganze Bedarf an Tutorien hierdurch nicht gedeckt werden kann, erhält man durch die Bewertung ein Auswahlverfahren, bevor ein Tutor eingestellt wird. Hierdurch werden Fehleinstellungen, wie sie leider immer wieder stattfinden, vermieden.

Studenten erhalten eine Zusatzqualifikation, deren Wert nicht unterschätzt werden darf.

Die Betreuung der Studenten, die solche Tutorien abhalten, muß durch Assistenten geschehen. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, müssen hier Studenten Wege aufgezeigt werden, wie Wissen weitervermittelt werden kann.

Sehr wohl sehe ich, daß durch die Verpflichtung von Studenten, Tutorien unentgeltlich abzuhalten, für studentische Beschäftigte die Möglichkeit, Geld zu verdienen, an der Universität stark beschnitten werden. Nach meinem Verständnis trägt die Universität die Verantwortung für die qualifizierte Ausbildung, nicht jedoch für den Lebensunterhalt der Studenten.

Die Frage, ob auch andere Dienste, z. B. ein Bibliotheksdienst, berücksichtigt werden können, wie es einige meiner Kommilitonen vorgeschlagen haben, möchte ich offen halten. Jedoch sehe ich hier eine Ausweichmöglichkeit für Studenten, die kein Tutorium abhalten wollen.

Ein weiterer Nebeneffekt könnte darin bestehen, daß sich Studenten mehr mit der TU auseinandersetzen. Viele Studenten sehen in der TU nur noch einen Ausbildungsplatz. Die Note und die Semesterzahl bis zum Abschluß des Studiums sind entscheidende Kriterien. Probleme, die während des Studiums auftauchen, werden umgangen oder ignoriert. Eine Problembewältigung findet nicht statt. Vielleicht bekommen Studenten wieder einen anderen Bezug zu ihrer Universität. Schließlich soll die TU ein Lebensraum sein, mit dem man sich identifiziert.

Konrad Grütter


© 7-9/'97 TU-Pressestelle [ ]