HOCHSCHULPOLITIK

"Profilbildung in Lehre und Forschung"

Die Vorstellungen der Reformfraktion zur Zukunft der TU Berlin

In der Sitzung des Akademischen Senats am 18. Juni hat die Reformfraktion einen Antrag eingebracht, der die "Profilbildung in Lehre und Forschung an der TU Berlin" zum Gegenstand hat.

Hier einige Zitate aus dem Beschluß, der zur weiteren Beratung an die ständigen Kommissionen verwiesen wurde:

"Zentraler Gegenstand einer Technischen Universität ist die Entwicklung von Technik. Aufgabe einer Technischen Universität muß es sein, diese Entwicklung als gemeinsamen technischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Prozeß zu begreifen und in diesem Sinne als Einheit zu gestalten. Die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Arbeit an der TU Berlin muß sich daher an der Leitfrage orientieren, welche anstehenden und absehbaren gesellschaftlichen Probleme durch technische Entwicklung gelöst, vermieden oder gelindert werden können."

UNIVERSALE BILDUNG

"Ziel des Studiums ist die universale Bildung des Menschen in seiner gesamten Persönlichkeit im Sinne von Erwachsenenbildung, die selbständiges und Kompetenz entwickelndes Lernen fördert. In diesem Rahmen hat die fachliche Ausbildung ihren Stellenwert, die inhaltliche und methodische Kenntnisse und Fähigkeiten gleichgewichtig vermittelt und mit der Ausbildung sozialer Kompetenzen und der Bereitschaft und Fähigkeit zu gesellschaftlicher Verantwortung gekoppelt sein muß. Die Studierenden sollen Berufsfähigkeit erlangen, anstatt Berufsfertigkeit, die lediglich für einen eng umrissenen Arbeitsbereich qualifiziert. Dies muß sich in Inhalten von Lehrveranstaltungen und Studiengängen ebenso ausdrücken wie in den Formen und Strukturen."

In Erwartung heftiger Interessenkonflikte möchte die Reformfraktion erreichen, daß die längerfristigen Perspektiven nicht völlig verloren gehen.

Gerade wenn die neue Fachbereichsstruktur nach den Vorstellungen des Präsidenten darauf hinausläuft, möglichst verwandte Disziplinen in möglichst großen Einheiten zusammenzufassen, ist es umso wichtiger, die an realen Problemen und Aufgaben orientierten interdisziplinären Zusammenhänge in Forschung und Lehre zu erhalten und auszuweiten. Wir glauben im Gegensatz zu Herrn Ewers, daß interdisziplinäre Strukturen wesentlich langlebiger und innovativer sind als disziplinär organisierte Einheiten, zumal die von ihm unterstellten Probleme interdisziplinärer Studiengänge nicht belegt werden.

KEIN STATISCHES PROFIL DER TU

Die Vorschläge der Reformfraktion basieren auf der Prämisse, daß es angesichts der rasanten Entwicklung in Wissenschaft und Gesellschaft nicht gelingen wird, ein Profil der TU festzuschreiben, das über längere Zeit Bestand haben könnte. Es wird daher auch kein statisches Profil in Form von Fachgebietslisten vorgestellt, sondern die Bildung von Schwerpunkten durch gemeinsame Initiative verschiedener Fachgebiete ermöglicht.

Die Auswahl von Schwerpunktthemen sollte sich nach Meinung der Reformfraktion u. a. orientieren am regionalen oder überregionalen Problemlösungspotential, der Mitwirkung aller notwendigen Disziplinen, den Drittmittelchancen und der Integration von Forschung und Lehre. Es werden Beispiele für typische, zumeist interdisziplinäre Forschungsfelder vorgestellt, für die an der TU Berlin günstige Voraussetzungen bestehen. "Als Instrumente zur Unterstützung der Schwerpunkte dienen vor allem Prioritäten bei Stellenzuteilungen und (Anschub-) Finanzierung aus TU-internen Mitteln."

"In den Kriterien für die Einrichtung von Schwerpunkten sind Lehre und Forschung sowie die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs gleichermaßen berücksichtigt. Das soll bewirken, daß der Gegensatz zwischen Forschung, die sich aufgrund vielfältiger Anreize schnell ändert und hoch bewertet wird, und Lehre, die fest verregelt und niedrig bewertet ist, abgebaut wird." Denn trotz der anhaltenden Diskussion über die "Priorität der Lehre" ist festzustellen, daß die Forschung nach wie vor ihre unangefochtene Position beibehalten hat. Wir halten eine Prioritätensetzung zwischen den beiden zentralen Aufgaben einer Universität für falsch, sondern fordern statt dessen einen Wechselprozeß zwischen ihnen, aus dem sich dann auch die Dienstleistungen der Universität für die Gesellschaft einschließlich von Aufgaben der Weiterbildung herleiten.

PROBLEMORIENTIERTES STUDIUM

"Die Studierenden sollen nicht nur fertiges Wissen aufnehmen, sondern im Zusammenhang mit der Forschung ausgebildet werden. Dazu muß das Studium gerade in der Anfangsphase stärker problem- und projektorientiert verlaufen; die disziplinären Charakteristika und die interdisziplinären Verflechtungen eines Faches lassen sich nur in praxisbezogenen Projekten erlernen, nicht in Grundlagenvorlesungen." Mit dieser Position stehen wir im deutlichen Gegensatz zu der des Präsidenten, der aus vermeintlichen Kostengründen das Grundstudium auf die Grundlagen ohne Bezug zu ihrer Anwendung reduzieren will, während das anwendungsbezogene Projektstudium dem Hauptstudium vorbehalten bleiben soll. (Wenn nicht gerade "höher begabte" so doch höher motivierte Studierende dürften hiervon abgeschreckt werden).

ABSCHLUSSBEMERKUNGEN: Bezüglich der Neustrukturierung von Fachbereichen sind die Kriterien für die quantitative Zuteilung von Professuren sowie die Zusammenlegungskriterien völlig intransparent. Letztere scheinen den vorangestellten Ausführungen sogar zu widersprechen. Nach allen Erfahrungen, die Präsident Schumann mit seinen - gescheiterten - Strukturvorschlägen machen mußte, hätte man annehmen können, daß Präsident Ewers von seinen Beratern und Planern mehr Begründung, mehr Argumentation, mehr Nachvollziehbarkeit der Strukturvorschläge gefordert hätte. Dies ist ganz offensichtlich unterblieben, zum Nachteil von Überzeugungskraft und Akzeptanz des vorgelegten Papiers.

Ausführlich sind die Überlegungen und Positionen der Reformfraktion in ihren "Hochschulpolitischen Leitlinien" beschrieben, nachzulesen unter: http://www.tu-berlin.de/politik/listen/refra/leitlinien96

Prof. Dr. Hubert Leygraf,
Fabian Klasse,
Holger Eisele


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