TU intern - April 1998 - Wissenschaft

Mit Tele Teacher Coaching selbständig am Rechner lernen

Computer-Programm zur Aus- und Fortbildung von Trainern

Tore werden immer noch auf dem Sportplatz geschossen. Die Ausbildung der Trainer jedoch verschiebt sich immer mehr nach drinnen, zu Videotechnik und Computerprogrammen, wie Tele Teacher Coaching. TTC ist Teilprojekt der Initiative "Virtuelle Universität Berlin"
So mancher Übungsleiter ist der Verzweiflung nahe, wenn die von ihm betreuten Sportler einfach nicht das umsetzen, was man von ihnen erwartet. Giovanni T., renommierter sportlicher Betreuer einer bekannten deutschen Kicker-Truppe, machte unlängst medienwirksam seinem Unmut Luft. “Die spielen wie Flaschen leer“, klagte er über das Auftreten seiner Mannen.

Die Ursachen für fehlende Erfolgserlebnisse können jedoch auch beim Coach selber und seinen Trainingsmethoden liegen. Ein wichtiges Mittel zur Trainingsanalyse ist die Videotechnik. Auch in der Sportwissenschaft und in der Sportlehrer- und Übungsleiterausbildung wird zur Dokumentation von Unterrichtsereignissen und Bewegungsabläufen auf die Kamera zurückgegriffen. Allerdings ist die Produktion von Lehr- und Lernvideos nicht billig, zumal auch die Aus- und Fortbildung von Sportlehrern unter der Kürzung der Finanzmittel zu leiden hat.

Abhilfe verspricht ein neues Projekt namens “Tele Teacher Coaching“ (TTC), das gemeinsam von der Prozeßrechnerverbundzentrale (PRZ) und der Zentraleinrichtung Hochschulsport (ZEH) der TU Berlin entwickelt wurde. Ziel ist es, mit Hilfe des Computers das selbständige Lernen der Sportdozenten/innen zu unterstützen. Alleine oder in Beratung mit Kollegen können Lehrkräfte den eigenen Unterricht am digitalisierten Video beobachten und analysieren. Dadurch lassen sich didaktische Details herausarbeiten, beispielsweise ob ein Übungsleiter nicht verständlich genug erklärt. Das Programm kann auch Hilfestellungen geben, indem verschiedene Trainingsoptionen vorgegeben werden, aus denen ein Übungsleiter auswählt. Zum Vergleich, zur Veranstaltungsplanung und zur Eigenproduktion von Unterrichtsmaterialien können außerdem Unterrichtsbeispiele verwertet werden, die auf einer Videodatenbank bereitgestellt werden.

Das klingt zunächst nicht neu, “aber erst im Rahmen von TTC wird es möglich, über ein Computernetz Expertenmeinungen einzuholen und Videomaterial schnell auszutauschen. Außerdem bietet TTC die Möglichkeit, ortsübergreifende, selbstgesteuerte und videogestützte Unterrichtskontrollen- bzw. -beobachtungen durchzuführen“, erläutert der Informatiker Dr.-Ing. Gerrit Kalkbrenner vom PRZ. Der Prototyp des Programms für den Hochschulsport wurde nun auf der CeBIT `98 vorgestellt. Bis zum endgültigen Einsatz wollen die TU-Wissenschaftler aber noch die Bedienung des Programms vereinfachen.

Kostensparend wirkt das Konzept der sogenannten “Nutzungsbegleitenden Multimedia-Produktion“. Die Wissenschaftler greifen hierbei auf bereits von den Lehrkräften bearbeitete Unterrichtsmitschnitte sowie Begleitmaterialien zurück, anstatt aufwendig Multimedia- und Videomaterial zu produzieren. Auf diese Weise erhält die Projektgruppe einen sogenannten didaktischen Kommentar von den Sportlehrern zum Unterrichtsdokument. Dieser erklärt zum Beispiel, warum ein Sportlehrer diese spezielle Methode ausgewählt hatte, um eine bestimmte Technik beizubringen. Gleichzeitig werden Beschreibungen in der entsprechenden Fachterminologie gewonnen, die für eine spätere Stichwortsuche der relevanten Videosequenzen genutzt werden kann. “Auf diese Weise entsteht einerseits notwendiges Material für die Produktion von Lehrmitteln, andererseits hatten die Übungsleiter/innen gleich einen Lerneffekt zu verzeichnen, als sie ihr Material verarbeiteten“, stellt der Diplom-Psychologe Winfried Schiffer von der ZEH fest. Er hatte bereits für die ZEH im Rahmen des Vorläuferprojektes “Videogestützte Übungsleiter-Beratung und

-Fortbildung“ mit den Arbeiten begonnen. Doch erst mit der Bereitstellung der Multimedia-Technik und den leistungsfähigen Computernetzwerken durch das PRZ ist man in der Lage, diese Möglichkeiten auch für die Multimedia-Produktion (CD-ROM, Internet) und im Rahmen von Lehr-Lern-Situationen in Computernetzen auszunutzen.

Die Nachfrage nach einem solchen Programm ist nicht nur an der ZEH groß. Auch andere Einrichtungen teilen die Begeisterung, so zählen der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband (adh), das Leibniz Rechenzentrum, das regionale Rechenzentrum Erlangen sowie die Hochschulsporteinrichtungen der TU München, der Universität Stuttgart und der Universität Nürnberg-Erlangen zu den Partnern. “Gerade von den Partnerschaften versprechen wir uns einen regen Austausch“, erklärt Eduard Neuberg-Winkler von der ZEH, einer der Initiatoren des Projekts. Auch mit den anderen Berliner Hochschulen streben die TU-Wissenschaftler eine enge Kooperation an. Langfristig, davon sind die Projektverantwortlichen überzeugt, ist eine solche Infrastruktur wie beim “Tele Teacher Coaching“ für viele Bereiche von Interesse. Zum Beispiel für die Initiative “Virtuelle Universität Berlin“, die den Einsatz von Multimedia und Netzwerken in der Ausbildung fördern will. Die daraus entwickelten Multimedia-Erzeugnisse sollen anschließend in den regulären Hochschulbetrieb übergehen.

Die Finanzierung von TTC soll zunächst über das Deutsche Forschnungsnetz (DFN) laufen. Die TU-Wissenschaftler hoffen mit ihrem Projekt als eines der zehn Pilotprojekte ausgewählt zu werden, die vom DFN für zwei Jahre gefördert werden. Im Laufe dieses Jahres soll TTC dann auch über das DFN-Netz via Internet verfügbar sein.

Christian Hohlfeld


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