TU intern - Februar 1998 - Hochschulpolitik

Preiswerte Profs

Von Georg Hinrichsen

Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: Das Präsidium der TU Berlin unter der Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Hans-Jürgen Ewers entwickelt deshalb einen effektiven Plan zur Erzielung von neuen Einnahmen zur Verringerung des Haushaltsdefizits - den Verkauf von Professoren und erfahrenen wissenschaftlichen Mitarbeitern an andere interessierte Universitäten und Fachhochschulen, aber auch an Industriefirmen.

Ewers: ”Die Idee kam mir während meines letzten Amerikaaufenthalts. Das Fernsehen brachte Nachrichten über den Verkauf der Football-Mannschaft Dallas Cowboys an einen Milliardär für rund 450 Millionen DM. Wie Sie wissen, trage ich mich seit meinem Amtsantritt mit dem Gedanken, die TU Berlin zu privatisieren und als Aktiengesellschaft zu führen. Bestärkt werde ich in meinen Absichten durch ein Gespräch mit meinem Kollegen Choi von der koreanischen Inha University, die von Korean Airlines gemanagt und finanziert wird. Wir unterhalten ausgezeichnete Kontakte zur Lufthansa, so daß eine ähnliche Privatuniversität wie in Korea durchaus im Bereich des Vorstellbaren ist, die ‘Lufthansa-Universität Berlin (LUB)’. Das derzeitige Hochschulgesetz erlaubt uns allerdings zur Zeit keine Umsetzung meiner Vorstellungen, es sollen aber demnächst 60 Paragraphen außer Kraft gesetzt werden. Als Pragmatiker sollten wir, so denke ich, mit einem ersten marktwirtschaftlichen Schritt, dem Verkauf von Professoren, beginnen.“

Wie werden nun die Angebotspreise für die Professoren ermittelt? Hierzu der Vorsitzende der Kommission für Forschung und Nachwuchs, Professor Klaus Petermann: ”Durch die inzwischen jahrelangen Bemühungen um die Evaluation unserer Hochschullehrer verfügen wir über eine dezidierte Ranking-Liste, d. h., wir wissen sehr genau, was unsere Professoren können und zu welchen Leistungen sie fähig sind. Aus diesen Daten ermitteln wir einen Angebotspreis, zu dem wir den jeweiligen Professor abgeben oder - um den präziseren wirtschaftswissenschaftlichen Terminus zu gebrauchen - verkaufen würden. Andere Universitäten können unseren Angebotskatalog anfordern oder im Internet abfragen und erfahren, ob beispielsweise ein 58jähriger Physikprofessor mit hoher Drittmitteleinwerbung oder eine jüngere Germanistikprofessorin mit großer Lehrerfahrung derzeitig von uns angeboten werden. Der Markt wird - wie im kapitalistischen System üblich - den Verkaufspreis regulieren, der vom Angebotspreis nach oben oder unten differieren kann. Dumpingpreise, z. B. für ältere oder überzählige Mitglieder des Lehrkörpers werden wir in keinem Fall akzeptieren. Wissen Sie, Sie müssen sich das ganze etwa wie den Spielertransfer in der Fußballbundesliga vorstellen: Wenn Hertha BSC einen Rechtsaußenverteidiger mit gewissen Libero-Fähigkeiten benötigt, kauft Manager Hoeneß diesen Spieler ja auch bei einem Konkurrenz-Verein ein und bezahlt den Marktpreis.“

Über die Höhe der zu erzielenden Transfersummen hat sich der oberste Kassenwart der TU Berlin, Kanzler Ulrich Podewils, bereits Gedanken gemacht: ”Es ist ein einmaliger Versuch, und wir versprechen uns noch nicht die Lösung aller Finanzprobleme unserer Universität. Wir orientieren uns ein wenig an den Transfersummen der Sportler und den Headhunterpreisen der Industrie. Für einen dynamischen Chemieprofessor mit internationaler Reputation und Erfahrungen sowohl in Forschung und Lehre denken wir an einen Angebotspreis von drei Millionen DM, für Ingenieure etwas mehr, für Geisteswissenschaftler und Sozialpädagogen etwas weniger. Für Mitglieder wissenschaftlicher Akademien sollte sich ein kleiner Aufpreis erzielen lassen. Aber wie gesagt: Der Markt wird es richten.“

Kanzler Podewils weiter: ”Mit dem Verkauf der Professoren erzielen wir einen weiteren gewünschten Effekt. Da sie nach ihrem Wechsel kein Gehalt von der TU Berlin mehr erhalten und auch keine Altersversorgung von Seiten unserer Universität mehr zu leisten ist, sparen wir erhebliche Mittel in unserem Personalhaushalt ein. Ein ‘verkaufter Professor’ stellt also für die TU Berlin einen doppelten Gewinn dar - natürlich nur in fiskalischer Hinsicht.“

Noch einmal Professor Ewers: ”Der ”biologische Abbau“ unserer Professoren geht einfach zu langsam voran. Wir versprechen uns mit der Aktion eine erhebliche Beschleunigung der Verringerung der Professorenzahl. Unsere weitsichtigen Politiker - allen voran der Wissenschaftssenator, Herr Peter Radunski, - haben die dringend notwendige Halbierung der Studentenzahlen in Berlin beschlossen. Wer in Zukunft in Berlin studiert, den bestraft eben das Leben (um es mit einer kleinen Anwandlung des Gorbatschow-Zitates prägnant auszudrücken). Wir hinken mit der Verringerung der Zahl unserer Professoren der Entwicklung einfach hinterher und sind im Obligo gegenüber dem Senator. Die TU Berlin hat immer ihre Pflicht getan, und sie wird auch in dieser schwierigen Situation das von ihr Erwartete tun.“

Abschließend die Pressesprecherin der TU Berlin, Dr. Kristina Zerges, euphorisch: ”Die Berliner haben zu allen Zeiten die Nase vorn gehabt, die TU steht hier in einer großen Tradition. Vergessen Sie bitte nicht: pecunia non olet.“

Für den eiligen Leser: Ein nicht geplanter Zwangsaufenthalt auf dem Flughafen von Cincinnati, Northern Kentucky, gab dem Autor die Gelegenheit, sich die Interviews auszudenken. Daß jeder hier geschriebene Satz unwahr ist, bekennt der Verfasser dieser Quisquilie: Professor Georg Hinrichsen vom Institut für Nichtmetallische Werkstoffe


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