TU intern - Februar 1998 - Vermischtes

”Geschichtsklitterung"?

Zu unserem Beitrag anläßlich der feierlichen Eröffnung des Frankreich-Zentrums (”Frankreich am Ernst-Reuter-Platz", TU intern 1/98) erhielten wir einen kritischen Brief von einer kritischen Leserin:

Mit Interesse habe ich die Selbstdarstellung und die Chronik dieses Zentrums gelesen, weil ich aus der Entwicklungszeit noch einige Fragen offen hatte. Leider wurden mir diese auch hier nicht beantwortet.

Vielmehr habe ich mit Verwunderung festgestellt, daß der Beginn des Frankreichzentrums geschildert wird, als sei es vom Himmel gefallen (Senatsbeschluß). Überhaupt nicht erwähnt wird, daß das romanistische Institut des Fachbereichs 1 Kommunikations- und Geschichtswissenschaften weit vor 1995 die Idee so weit entwickelt hatte, daß bereits 1994 der Fachbereichsrat (FBR) ebenso wie der Deutsch-Französische Gipfel das Konzept guthieß und darauffolgend der Senat von Berlin 1995. Ebenfalls wird nicht gewürdigt, daß eben diesem Konzept ein Kooperationsvertrag mit der TU Paris zu verdanken ist, für den die Mittel des Französischen Außenministeriums für die bereits mehrfach durchgeführte Gastprofessur fließen.

Es wird auch nicht berichtet, daß der Akademische Senat der TU Berlin 1996 FBR-Beschlüsse als BerlHG-widrig aufhob, die eine Schwächung des romanistischen Instituts (Verschiebung von C4-Professuren) und eine Aufhebung des 1994 gefaßten FBR-Beschlusses zum Frankreichzentrum vorsahen.

Und es wird nicht erwähnt, daß dieses romanistische Institut keinen Platz mehr im jetzigen Frankreichzentrum hat.

Ich formuliere daher meine seither offenen Fragen folgendermaßen:

Warum sollen die Mitarbeiter der TU Berlin, die TU intern lesen, eine Auffassung von der Entwicklung des Frankreichzentrums bekommen, die nicht zutrifft, indem wesentliche Teile des Ringens um die Inhalte dieses Zentrums verschwiegen werden?

Ist die Art und Weise, wie gerungen wurde, für die Außendarstellung so nachteilig, daß Geschichtsklitterung besser ist als Aufklärung?

Sind die Abwägungen und Entscheidungen, die zur Änderung der Inhalte, der Beteiligten und des Führungsgremiums geführt haben, nicht geeignet, um transparent zu machen, wie die TU Berlin bei Profilbildung und Schwerpunktsetzung vorgeht?

Ilse Krause
Zentrale Universitätsverwaltung, V B 44,
Geschäftsstelle für Verbesserungsvorschläge,
Vordruckprüfstelle, Universitätsverzeichnis

Wir können die besorgte Leserbriefschreiberin beruhigen: Das Frankreich-Zentrum ist nicht vom Himmel gefallen, auch wenn seine Landung am Ernst-Reuter-Platz von einigen Turbulenzen begleitet war. Die Hintergrundinformationen aus dem Leserbrief, haben wir nachrecherchiert und sind dabei zu den folgenden, teils anderslautenden Informationen gekommen:

  • Das entscheidende Ausgangsdatum für den Aufbau des Frankreich-Zentrums ist der Errichtungsbeschluß des Berliner Senats vom Januar 1995. Die ersten Überlegungen für ein solches Zentrum gehen auf die Zeit vor 1995 und auf Aktivitäten des TU-Romanisten Prof. Dr. Michael Nerlich zurück.
  • Zur eigentlichen Gründungs- und Aufbauphase des Zentrums (ab Januar 1995), d. h. zur Bereitstellung von professuren, Assistenten und Sachmitteln, hat das Institut für romanische Literaturwissenschaft nach unseren Recherchen nichts beigetragen.
  • Einen ”Kooperationsvertrag mit der TU Paris" gibt es nicht - denn es gibt keine ”TU Paris". Bisher waren zwei Gastprofessorinnen der Universität Paris VII an die TU Berlin entsandt worden. Erst im Zuge des Zentrumsaufbaus wurde eine Gastprofessur von seiten der Französischen Botschaft als eine permanente Gastprofessur eingerichtet.
  • Es trifft nicht zu, daß der Akademische Senat (AS) der TU Berlin 1996 Beschlüsse des Fachbereichsrats des Fachbereichs 1 ”als BerlHG-widrig aufhob". Der AS hat vor seiner endgültigen Beschlußfassung zur Einrichtung des Zentrums allen Beteiligten und Interessierten Gelegenheit zur Darlegung ihrer Gesichtspunkte gegeben. Nach diesen Anhörungen hat der Akademische Senat dann einstimmig (24:0:0) die Errichtung des Frankreich-Zentrums auf der Grundlage der Vorlage des Fachbereichs 1 beschlossen.
  • Kein Platz mehr für die Romanistik? Dazu läßt sich sagen, daß in der Entwicklungsplanung des Fachbereis 1 eine Professur französische Literaturwissenschaft und eine Professur französische Sprachwissenschaft (deren Neuausschreibung vor kurzem im Fachbereichsrat einstimig beschlossen wurde) festgeschrieben sind; hinzu kommt eine aller Voraussicht nach romanistisch besetzte Professur für Vergleichende Literaturwissenschaft/Französisch im Frankreich-Zentrum. Außerdem sind zur Zeit zwei weitere romanistische Professuren besetzt, die jedoch mit einem kw-Vermerk (”künftig wegfallen") versehen sind.

Zu den drei Fragen am Ende des Briefes:

  • ”Warum sollen die Mitarbeiter …?" - Ja, warum sollten sie? Uns fällt auch kein Grund ein, warum man solch böse Manipulationen in die Welt setzen sollte.
  • ”Ist die Art und Weise …?" - Nein. ”Geschichtsklitterung" war nicht die Absicht unseres Beitrags. Wir hatten uns vielmehr auf den aktuellen Stand und die zukünftigen Aktivitäten konzentriert. Daß wir die Querelen in der Chronik des Zentrums nicht erwähnten, ist eine berechtigte Kritik: Wir hätten zumindest darauf hinweisen sollen.
  • ”Sind die Abwägungen …?" Nein. Da gibt es geeignetere Kontroversen. Nicht jede Geschichte, in denen Höhen und Tiefen menschlicher und institutioneller Existenz zum Vorschein kommen, sind geeignet, die Strukturentscheidungen an der TU Berlin verständlich zu machen. Zum Thema ”Profilbildung und Schwerpunktsetzung" empfehlen wir eher die Beiträge auf den Seiten 4 und 5 dieser TU intern.

tui


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