TU intern - Juli 1998 - Frauen

Mehr Studentinnen - weniger Professorinnen

Zur Situation der Frauen an der TU Berlin

In Wissenschaft und Forschung sind Frauen nach wie vor unterepräsentiert. An der TU sind nur sechs Prozent unter den Professoren Frauen. An neun von 15 Fachbereichen gibt es keine Professorinnen
Frauenförderung ist eines der Schlagworte unserer Zeit. Überall werden Programme ins Leben gerufen, die die Präsenz der Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft fördern sollen. Große Organisationen, wie zum Beispiel die Max-Planck-Gesellschaft, wollen ”den ersten Gang einschalten", um den Frauenanteil in der Forschung zu erhöhen. Auch der Wissenschaftsrat hat sich lange mit diesem Thema beschäftigt und kürzlich Empfehlungen dazu verabschiedet. Doch wie sieht neben all den guten Worten die Realität aus? Zur Situation der Frauen an der TU Berlin legte die Zentrale Frauenbeauftragte de TU Berlin kürzlich neue Daten aus den Jahren 1996 und 1997 vor. Während die Zahl der Studentinnen stetig steigt, ist in den höheren Qualifikationsstufen von einer Verbesserung nichts zu spüren. Der Anteil der Frauen an den Promotionen sinkt ebenso wie die absolute Zahl der Professorinnen. Zur Lage der Frauen an der TU Berlin schreibt Heidi Degethoff de Campos.

Die Zahl der Professorinnen an der TU hat sich in den letzten Jahren von 32 auf 29 verringert. Trotz dieser Abnahme ist ihr prozentualer Anteil auf nun 6,2 Prozent gestiegen. Dies ist lediglich darauf zurückzuführen, daß mehr Männer als Frauen die Universität verlassen haben und daß die freien Stellen nicht wieder besetzt wurden. Grund zur Sorge gibt die Berufungspraxis an der TU. In den Jahren 1996 und 1997 ist nicht eine Frau auf eine Professur berufen worden. An 9 von 15 Fachbereichen, d. h. in allen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen, gibt es keine Professorin. Die Zahl der Fachbereiche ohne Professorin hat im Vergleich zum vorangegangenen Berichtszeitraum um eins zugenommen.

FRAUENFÖRDERPROGRAMME EHER HILFE FÜR MÄNNER?

Die Situation für Frauen im wissenschaftlichen Mittelbau ist ebenfalls bedenklich. Während der Anteil der akademischen Mitarbeiterinnen aufgrund der Stellenstreichungen nur leicht rückläufig ist (von 26 % auf 25,4 %), stellt sich die Lage bei den C1-Stellen geradezu dramatisch dar: Trotz des Frauenförderprogramms ist dort der Anteil der Frauen von 37,6 % im Jahr 1994 auf 32 % 1997 gesunken. Das heißt, Frauen partizipierten an den im Regelhaushalt verankerten Stellen deutlich weniger, als im letzten Berichtszeitraum. Die Existenz des Frauenförderprogramms scheint die Besetzung der Regelstellen mit Männern zu fördern. Diesen Eindruck belegt auch die Situation bei den C2-Stellen, von denen je zwei mit Frauen aus dem Förderprogramm und dem Regelhaushalt besetzt sind, aber 26 mit Männern.

KEINE HABILITIERTE NATURWISSENSCHAFTLERIN SEIT FÜNF JAHREN

Bei den Habilitationen ist der Anteil von 20 Prozent relativ stabil geblieben, was insbesondere dem C1/C2-Programm zur Förderung von Frauen in den Wissenschaften zu verdanken ist. Die Zahl der Habilitandinnen in den Technikwissenschaften nimmt langsam zu. Allerdings gibt es auch hier einen Wermutstropfen: Seit 1993 hat sich in den klassischen Naturwissenschaften keine Frau mehr an der TU habilitiert.

WENIGER FRAUEN MIT "HUT"

Der Anteil der Frauen an den Promotionen ist weiter abgesunken. Während er 1995 und 1996 noch bei 21,9 % lag, waren im Jahr 1997 nur noch 17,4 % der Promovenden weiblich. Besonders schlecht sieht es bei den Ingenieur- (12,2 %) und Naturwissenschaften (21,5 %) aus. Dagegen geht bei den Geistes- und Sozialwissenschaften fast die Hälfte der Doktorhüte an Frauen.

MEHR STUDENTINNEN IN DEN INGENIEURWISSENSCHAFTEN

Der Anteil der Studentinnen ist, trotz eines Rückgangs der Studierendenzahlen insgesamt, kontinuierlich gestiegen. Dies gilt besonders für die Ingenieurwissenschaften, wo er nach einer Zunahme um fast 4 % derzeit bei 22,9 % liegt (Elektrotechnik 7 %, Maschinenbau 8 %, Informatik 5 %, Energie- und Verfahrenstechnik 15 %, Architektur und Umwelttechnik jeweils 40 %). In Mathematik und den Naturwissenschaften sind 26,4 % der Studierenden weiblich (Chemie 31%, Mathe 25%, Physik 12 %). Den höchsten Anteil an Frauen verzeichnen mit fast zwei Drittel immer noch die Sprach- und Kulturwissenschaften. Auffällig ist, daß einem Anteil von 41 % Studentinnen unter den Neuimmatrikulierten einer von durchschnittlich 35 % in den Fachsemestern gegenübersteht. Dies wirft die Frage nach den Gründen für einen Studienabbruch auf. Stabil geblieben ist der Anteil der Frauen unter den studentischen Beschäftigten mit 35,3 %, was zudem ihrem Anteil an der Studierendenzahl entspricht.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß in all den Bereichen, in denen Professorinnen deutlich präsent sind, auch in den darunterliegenden Statusgruppen der Anteil von Frauen größer ist, als dort, wo Frauen nicht vorhanden, oder sie aufgrund ihres Minderheitenstatus kaum sichtbar sind.

FRAUEN IM HÖHEREN DIENST NUR SCHWACH VERTRETEN

Im nichtwissenschaftlichen Bereich ist die Situation der weiblichen Beschäftigten unverändert. Zwar sind 53,5 % der Angehörigen dieser Statusgruppe Frauen, innerhalb der Tarif- und Besoldungsstufen differiert ihr Anteil aber erheblich. Während nämlich bei den Angestellten und bei den Beamten des höheren Dienstes der Anteil von Frauen bei ca. 18 % bzw. 15 % liegt, ist er bei den Beamtinnen des gehobenen Dienstes mit ca. 70 % und den Angestellten des mittleren Dienstes mit ca. 82,6 % überproportional hoch.

Auch an der TU ist, wie in anderen Institutionen des öffentlichen Dienstes, der Anteil der Frauen bei den Teilzeitbeschäftigten mit ca. 95 % hoch. In diesem Bereich müssen verstärkte Anstrengungen im Rahmen der betriebsinternen Weiterbildung unternommen werden, insbesondere im Hinblick auf die Verwaltungsreform und die damit zusammenhängenden Veränderungen von Arbeit und Arbeitsplätzen.

EINE FRAGE DES POLITISCHEN WILLENS

Die Arbeit der Frauenbeauftragten wurde von den allgemeinen Verunsicherungen durch die Diskussionen um Finanzrestriktionen, Strukturreformen und dem daraus resultierenden Studienplatz- und Personalabbau stark belastet. Die Deregulierungsbestrebungen durch die Experimentierklausel im Haushaltsstrukturgesetz 1997 drohen der Durchsetzung von strukturbildenden Maßnahmen zur Frauenförderung entgegenzuwirken. Insbesondere sind die Beteiligungsrechte der Frauenbeauftragten betroffen. Wenn die Entscheidungsstrukturen in der Universität aus den Gremien heraus auf gestärkte Einzelpersonen (Dekane, Präsident) verlagert werden, ist die Transparenz für InteressensvertreterInnen nicht mehr gesichert.

Mit Sorge erwarten die Frauenbeauftragten hier die Vorstellungen des Präsidenten zur künftigen Organisationsstruktur. Hat dieser sich doch schon häufig für eine Stärkung der Leitungsebene ausgesprochen. Zwar erkennt er die Beteiligungsrechte der Frauenbeauftragten durchaus an, Vorstellungen dazu , wie diese in einer neuen Organisationsstruktur umzusetzen sind, wurden aber noch nicht entwickelt. Wenn Frauen angesichts der gegenwärtigen Umbrüche nicht zu Verliererinnen werden sollen, ist es notwendig, die Aufgabe der Frauenförderung in die Leitbild- und Zieldiskussion der modernen TU als integralen Bestandteil aufzunehmen. Dies ist zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als eine Frage des politischen Willens.

FRAUEN /urs/ Auch der Akademische Senat hat sich mit der Situation der Frauen an der TU befaßt. Anläßlich des Berichtes der Zentralen Frauenbeauftragten faßte er einen Beschluß, in dem er den Präsidenten auffordert, die in diesem Bericht formulierten Vorschläge ernsthaft zu prüfen und umzusetzen. So sollen unter anderem Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen angeboten werden, die diese in die Lage versetzen im Zuge der Verwaltungsreform Führungspositionen zu besetzen. Im Rahmen der Budgetierung sollen Routinen entwickelt werden, die den Frauenanteil in den nächsten fünf Jahren um fünf Prozent erhöhen. Dies soll in allen Bereichen gelten, in denen der Frauenanteil unter 30 Prozent liegt. Durch Zweckbestimmung von Professuren und Gastprofessuren soll die Frauen- und Geschlechterforschung ausgebaut und Themen dazu in Studienschwerpunkten und Studiengängen verankert werden.


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