TU intern - Juli 1998 - Wissenschaft

Forschen an der Platte

Die Erhaltung von
Plattenbauten ist ein
wichtiges Thema in Ost-
und Mitteleuropa
Wie wir mit der Welt und uns umgehen, wird, nach dem tschechischen Philosophen Jan Mukarowsky, in den Werken der Architektur sichtbar. Daß dieses Zitat ausgerechnet im Zusammenhang mit den Plattenbauten der neuen deutschen Länder und Ost- und Mitteleuropas erwähnt wird, sollte nur auf den ersten Blick verwirren. Tatsächlich ist es so, daß sich ”die Platte" auch wissenschaftlichen Interesses erfreut. Anfang Juni waren über 200 Experten aus 30 Ländern zur Konferenz ”Saving Buildings in Central and Eastern Europe" zusammengekommen, um ihr Wissen und ihre Erkenntnisse zur Rettung der ”industriell gefertigten Wohnbauten" auszutauschen. Dabei ging es um Maßnahmen, die zur Erhaltung und Modernisierung der Bauten beitragen, wie zum Beispiel neue In-situ und Monitoring-Verfahren zur Einschätzung der Bausubstanz,
pneumatisch gestützte Rückbautechnologien, Wärmeschutz und Energieeinsparung bis hin zur Erforschung des Verhaltens von Plattenbauten in Erdbebengebieten. Mit Forschung an Plattenbauten beschäftigt sich auch Bernd Hillemeier. Er ist Leiter des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken (IEMB), einem An-Institut der TU Berlin, das zusammen mit der International Association for Bridge and Structural Engineering den Kongreß ausgerichtet hat. Mit dem IEMB forscht Hillemeier auf den Gebieten energiegerechte Sanierung, energiesparendes Bauen, Bauzustandsuntersuchungen, Architektonische Gestaltung und Wohnwertverbesserung. Wie wichtig Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Plattenbauten sind, zeigen einige Zahlen. 270000 Wohnungen in Ostberlin, das sind 60 Prozent der seit Kriegsende erstellten Wohnungen, sind Plattenbauten. In den Ländern Mittel- und Osteuropas leben rund 170 Millionen Menschen in Plattenbauten. Eine Sanierung und Modernisierung dieser Bauten hat auch wirtschaftliche Auswirkungen. ”In der Bauwirtschaft aktiviert eine investierte Mark 2,40 DM, eine Milliarde an Investitionen schafft 13000 Arbeitsplätze" erklärt Hillemeier dazu. Plattenbauten sind übrigens keineswegs eine osteuropäische Spezalität, sie stehen auch in Paris und Brasilien.

urs


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