TU intern - Oktober 1998 - Studium

Wi(e)der die Evaluationshysterie …

Zum Abschneiden der Wirtschaftswissenschaften im ”test"

Zahl der PC-Plätze, Professoren und Wissenschaftlichen Mitarbeiter - auf all das läßt sich bei der Berliner Finanzmisere nur wenig Einfluß nehmen
Rankings sind groß in Mode. Universitäten und Studiengänge werden mehr oder weniger gründlich unter die Lupe genommen, bewertet, verglichen, kritisiert. Mitte des Jahres sorgte der Studienführer Chemie und Wirtschaftswissenschaften der Stiftung Warentest für Aufsehen. Das Abschneiden der entsprechenden Studiengänge der TU Berlin war eher mäßig. Über Nutzen und Grenzen solcher Bewertungen, über das Abschneiden der Wirtschaftswissenschaften und über Maßnahmen, die die Qualität der Studiengänge erhöhen sollen schreibt der Dekan des Fachbereiches Wirtschaft und Management Prof. Eberhard Kuhlmann:

Die Bewertung von Studiengängen ist stets vor dem Hintergrund einer Zielsetzung zu betrachten: Die Stiftung Warentest hat mit dem Studienführer für Chemie und Wirtschaftswissenschaften vor allem die Orientierung von Erstsemestern und Studienplatzwechslern beabsichtigt. Der Dekan eines Fachbereichs jedoch will die Qualität von Studiengängen und Fachbereich durch geeignete Maßnahmen des Qualitätsmanagements erhöhen.

Was ist zur Studie selbst zu sagen? Sie liefert zweifellos wichtige Informationen, die bei der Auswahl einer Universität zu berücksichtigen sind, wie Zahl der Studierenden, PC-Plätze, durchschnittliche Fachstudiendauer usw. und subjektive Bewertungen, wie Beurteilung von Lehrangebot, Studienorganisation, Betreuung. Diese Daten werden über verschiedene Erhebungsmethoden gewonnen, so daß die Validität des Gesamtbildes der Studiengänge BWL und VWL recht gut ist. Verglichen mit anderen ”Rankings" von Studiengängen, Fachbereichen oder ganzen Universitäten ist hier ein deutlicher Fortschritt zu verzeichnen.

Trotzdem kann die Studie der Stiftung Warentest der ungeheuren Komplexität der Gesamtdienstleistung ”Studiengang BWL/VWL" auch nicht annähernd gerecht werden. Sie verwendet nicht mehr Untersuchungsitems als z. B. bei der Erfassung der Qualität von Fluggesellschaften üblich sind. ”Modernere", aussagefähigere Methoden zur Erfassung von Dienstleistungsqualität werden nicht angewendet - was aus Gründen der Kostenreduktion verständlich ist. Zusätzlich macht der Umfang der Erhebung Fehler unvermeidlich, so ist z. B. für die BWL an der TU Berlin eine Betreuungsrelation von 1:112 (Professoren: Studenten) angegeben, tatsächlich liegt diese eher bei 1:188.

Die Ergebnisse der Studie sind für den Fachbereich ”Wirtschaft und Management" kein Anlaß zum Jubel. Beide Studiengänge - BWL und VWL - landen oft in den mittleren oder im unteren Quartil. Die Noten der Studierenden für Lehrangebot, Studienorganisation und Betreuung sowie ihr Gesamturteil sind mit Zensuren zwischen 2.8 und 3,9 alles andere als schmeichelhaft. Von diesen Ergebnissen geht ein dringender Appell an den Qualitätsmanager aus.

Bevor der jedoch in blinden Aktionismus ausbricht, muß er sich fragen: Auf welche Qualitätsmerkmale kann positiv Einfluß genommen werden?

Vorab dies: Die besten Urteile erhalten nahezu stets die kleinen privaten Wirtschaftshochschulen mit traumhaften Betreuungsrelationen, z. B. WHU Vallendar (1:24 bei 259 BWL-Studenten). Dort kann man unter besonders leistungsfähigen, meist selbst zahlenden Bewerbern auswählen und verfügt über sehr gute materielle Studienbedingungen. Diese Qualitätsrichtung ”Klein und fein" wird einer staatlichen Universität wohl ewig verschlossen bleiben.

Auf andere Qualitätsmerkmale, wie z. B. Bibliotheksgröße und -ausstattung, Zahl der PC-Plätze, und die Zahl der Professoren und Wissenschaftlichen Mitarbeiter läßt sich bei der aktuellen Finanzmisere des Landes Berlin und der TU Berlin auch mittelfristig nur geringfügig Einfluß nehmen.

Trotzdem hat der Fachbereich ”Wirtschaft und Management" eine Reihe von Maßnahmen in Angriff genommen, so z. B.

  • Differenziertere Qualitätsuntersuchungen, um zunächst im Rahmen einer Schwächenanalyse die wichtigsten Defizite aufzudecken .
  • Systematische Verbindung von ”Theorie und Praxis", die durch Kooperationen mit Unternehmen den Studierenden noch während ihres Hauptstudiums die Möglichkeit verschafft, die Nützlichkeit der Theorie in der praktischen Problemlösung zu testen. Die Kooperation mit der Siemens AG im Rahmen des ”Center für Wandel- und Wissensmanagement" stellt hier einen Anfang dar.
  • Ausweitung und Verbesserung der Studien- und Prüfungsberatung im Rahmen einer Umgestaltung zur Abteilung ”Studien und Prüfungsservice" in den nächsten zwei Jahren.
  • Besetzung von Engpaßprofessuren bzw. neuen Professuren , die eine (leichte) Verbesserung der Betreuungsrelation und durch neue Kollegen auch ”frischen Wind" bedeuten.
  • Übergang zum Credit-Point-System, das mit den im Genehmigungsverfahren befindlichen Studien- und Prüfungsordnungen für BWL und VWL eingeführt wird.

Abschließend ist der auch an der TU Berlin um sich greifenden Evaluationshysterie ein unter Marketingwissenschaftlern seit langem bekanntes Argument entgegenzuhalten: Der Zusammenhang zwischen (partiellen) Qualitätsurteilen und (effektiver) Nachfrage ist oft nur recht locker. An der TU liegt das Verhältnis ”Nachgefragte Studienplätze" zu ”Angebotene Studienplätze" für BWL bei ca. 7:1. Das ist maximal unter allen BWL-Studiengängen in Deutschland! Berücksichtigt man, daß dieser Wert für viele Universitäten unter 2, bei etlichen gar unter 1 liegt, so läßt sich folgender Schluß ziehen: Die Studie der Stiftung Warentest bietet Studierenden bedeutsame Daten zur Universitätswahl, bildet aber wichtige Qualitätsmerkmale nicht ab, die das tatsächliche Wahlverhalten steuern. Sie sollte daher mit nüchternem Realismus zur Verbesserung des Qualitätsmanagements genutzt werden.


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