TU intern - Februar 1999 - Hochschulpolitik

Neue Gremien - alte Aufgaben

Braucht die TU Berlin einen Akademischen Senat?

Es gibt viel zu tun: die neuen Gremien müssen die Aufgaben übernehmen, die in der vergangenen Amtszeit nicht erledigt wurden
Die Amtszeit der alten Gremien ist zwar noch nicht ganz vorbei, aber viele der Aufgaben der neuen Gremien sind bereits klar: Es handelt sich um die Aufgaben, die in der aktuellen Amtszeit nicht erledigt wurden. Eine davon steht im Hochschulvertrag mit dem Land Berlin: ”Jede Hochschule erstellt spätestens bis Ende des Wintersemesters 1997/98 (…) einen Strukturplan” (§9 [2]).

Was die TU Berlin bisher hat, ist eine Neugliederung ihrer Fachbereiche in acht Fakultäten. Außerdem gibt es Rahmendaten über die Ausstattung dieser Fakultäten sowie die Ausstattung der Studiengänge mit Lehrkapazität, Überlegungen zum NC-Problem und zu künftigen Forschungsschwerpunkten. Reicht das? Nein, die wirklich unangenehme Umsetzungsarbeit kann noch nicht begonnen werden.

PRIORITÄTENLISTE DRINGEND NÖTIG

Vieles müßte jetzt von den Fachbereichen entschieden werden, aber diese können ohne verläßliche Grundlagen kaum konsistente Entwicklungspläne vorlegen. Weder gibt es auf der zentralen Ebene Planungen zur künftigen Ausstattung der Fakultäten mit C3- und C4-Stellen (Budgetierung hin oder her, bislang ist die Quote von maximal 56% C4 verbindlich), noch gibt es Planungen, wie die Sollausstattung des Hochschulstrukturplans von 1998 erreicht werden soll. In vielen Bereichen existiert ein Personalüberhang bei den Professor(inn)en, während in anderen der Abbau so schnell vorangeht, daß schon jetzt die Zusammensetzung einer Berufungskommission Probleme bereiten dürfte, von den alltäglichen Problemen bei der Durchführung der Lehre und der Organisation der Prüfungen gar nicht zu reden. Es wäre dringend notwendig, eine Entscheidung über eine neue, universitätsweite Prioritätenliste zu treffen, auch wenn diese gut und gerne 100 Professuren lang wäre.

Zur Zeit gibt es einen Streit im Akademischen Senat (AS) und mit dem Präsidenten darüber, wer diese Entscheidungen treffen soll. Natürlich ist es möglich, dem AS nur Wiederzuweisungs- und Besetzungsanträge vorzulegen und die Prioritäten im Zusammenspiel zwischen Präsident und Senatsverwaltung auszuhandeln. Aber ist das tatsächlich der Lage angemessen, ist dieser Rückzug aus der Umsetzungsarbeit des Hochschulplans der Rolle der Gremien angemessen? Es gibt ein - gerade in der Reformfraktion - weit verbreitetes Mißbehagen, Entscheidungen und Planungen zu delegieren. Bei den Studierenden hat dies in den letzten 10 bis 20 Jahren zu einer bundesweit beispiellosen Professionalisierung der hochschulpolitischen Arbeit geführt, nach dem Motto: Wenn für den Präsidenten eine ganze Verwaltung arbeitet und Pläne schreibt, lernen wir eben so viel über Hochschulplanung, daß wir selbst Pläne schreiben können.

Dem gegenüber steht die Einstellung, grundsätzlich davon auszugehen, daß präsidiale Planungen schon ”im Großen und Ganzen korrekt” sein werden. Nun, Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Der Präsident ist angetreten, schnell und unbürokratisch Entscheidungen zu treffen, Vorgänge an sich zu ziehen und die Fraktionsgrenzen aufzubrechen - so sagte er zumindest.

ARBEITSPLÄNE NICHT ERFÜLLT

Die Arbeitspläne vom Juli '98 wurden bislang aber nicht erfüllt, und auch die Verwaltungsreform und die Budgetierung stocken wohl ein wenig. Teure Gutachten wurden bezahlt, aber was jetzt mit den Empfehlungen geschehen soll, steht in den Sternen. Die Bearbeitung alltäglicher Vorgänge geht äußerst schleppend voran. Zuständig in allen diesen Punkten ist der Präsident. Er ist die Regierung, während der AS so etwas wie ein Parlament darstellt (freilich zusammengesetzt nach den an der Hochschule vertretenen ”Ständen”). Kommt dieser AS seinen Kontrollaufgaben nach?

WOZU EINEN AS?

Verfolgt man die Debatten im AS, so schleicht sich doch ein ungutes Gefühl ein: Regelmäßig treffen die Fraktionen an bestimmten Punkten aufeinander, aber inhaltliche Diskussion findet kaum statt. Die Mehrheit ist und bleibt die Mehrheit, auch wenn nur wenige AS-Mitglieder den Eindruck erwecken, die Unterlagen gelesen und sich gut vorbereitet zu haben. Der Präsident stellt die meisten Anträge, der größte Teil davon wird angenommen; dann ist es seine Aufgabe, die Beschlüsse auszuführen. Die Mitglieder des AS machen sich nicht gerade darum verdient, die Umsetzung ihrer Beschlüsse zu begleiten; meist ist die Kraftanstrengung der Entscheidungsfindung genug, die kleinteilige Umsetzungsarbeit bleibt dem Präsidenten und seiner Verwaltung überlassen.

Wozu aber gibt es dann einen Akademischen Senat, wenn er ganz einfach durch Präsident und Fachbereiche ersetzt werden könnte? Seine Aufgaben sind zwar eigentlich klar (§ 61 (1) BerlHG, wer mal nachsehen möchte), aber die Frage bleibt, ob diese TU eigentlich ein Gremium braucht, dessen Zweck es ist, Entscheidungen über die gesamte Universität zu treffen, Grundsätze z. B. für Lehre und Studium aufzustellen, Stellen zuzuweisen und implizit in allen Bereichen der TU auf Qualität und korrekte, demokratische und für das Ganze sinnvolle Entscheidungen zu achten. Diese Frage kann nur durch die Tätigkeit seiner Mitglieder beantwortet werden.

Fabian Klasse
noch bis 31. 3. 99 studentisches Mitglied
im AS für die Fachbereichsinitiativen


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