TU intern - Juli 1999 - Hochschulpolitik

Parteien vor der Wahl

Fragen zur Hochschul- und Wissenschaftspolitik

Im Oktober dieses Jahres wählen die Berliner das neue Abgeordnetenhaus. TU intern fragte die Parteien nach ihren hochschul- und wissenschaftspolitischen Plänen, für den Fall, daß sie den Senat stellen oder daran beteiligt sind.


Bündnis 90/Die Grünen

In Köpfe - nicht in Beton investieren

Wir werden die herkömmliche Praxis der Mittelverteilung durch ein transparentes Finanzierungssystem ablösen. Die Globalhaushalte der Hochschulen sollen sich nach den Studierendenzahlen, den Abschlüssen, der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Frauen sowie nach Forschungsleistungen bemessen. Bei der Verteilung innerhalb der Einrichtungen darf die Wissenschaftsverwaltung nicht mehr in die Hochschulen hineinregieren, damit die Finanzautonomie greifen kann. Wir wollen kurzfristig ein Angebot von 100000 ausfinanzierten Studienplätzen realisieren. Mittelfristig streben wir einen Wiederaufbau auf 115000 Studienplätze an. Studiengebühren wird es mit uns nicht geben. Statt der Regelstudienzeiten wollen wir Garantiestudienzeiten als Verpflichtung für die Hochschulen, Studiengänge in einer vernünftigen Zeit studierbar zu machen. Hochschulbildung dient nicht nur der Berufsfähigkeit, sondern soll Menschen auch zur Lösung gesellschaftlicher Probleme befähigen. Wir wollen Forschungsbereiche fördern, die die Lebensbedingungen für die Menschen verbessern und die Zerstörung der Umwelt verhindern helfen. Disziplinübergreifende Forschung und Technikfolgenforschung sollen ausgebaut werden. An den Evaluierungsverfahren sollen alle Gruppen beteiligt sein, die Ergebnisse sich in der Ressourcenverteilung niederschlagen. Studienbüros nach dem Modell der TU Berlin sollen an allen Berliner Hochschulen installiert werden.

Wir sprechen uns für einen Technologiepark in Adlershof aus, fordern aber eine Überprüfung der Konzeption. Der Aufbau ganzer Universitätsteile, die bereits an anderen Standorten vorhanden sind, würde zu einer Kostenexplosion zu Lasten von Studienplätzen führen. Die Hochschulen sollen strukturell experimentieren können. Die Verabschiedung von entsprechenden Grundordnungen soll viertelparitätisch mit echtem Gruppenveto erfolgen. Das BerlHG wird dabei den Rahmen und modellhaft Details regeln.

Wir werden eine weitreichende Personalautonomie einführen. HochschullehrerInnen müssen keine Beamten sein. Der Einsatz qualifizierter Nachwuchskräfte aus dem Kreis der Studierenden in Lehre und Forschung hat sich bewährt. Deshalb werden wir am Tarifvertrag für studentische Beschäftigte festhalten. Frauenförderung soll zukünftig ein Kriterium für die Mittelzuweisung an die Hochschulen und innerhalb der Hochschulen sein. Der Frauenanteil einer Qualifikationsebene soll dabei mindestens so hoch sein wie der der vorhergehenden Ebene. Bei Fächern mit einem generell niedrigen Frauenanteil muß ein adäquater Mindestanteil zum Ausgangspunkt gemacht werden.

Jutta Duclaud


CDU

Mehr Wettbewerb und Leistungsorientierung

Die CDU hält an mindestens 85000 Studienplätzen für Berlin fest. Durch diese wird der Finanzrahmen für die Hochschulen bestimmt. Ein Ausbau der Studienplätze ist sinnvoll, vor allem im Bereich der Fachhochschulen. Die Hochschulverträge, die den Berliner Universitäten und Fachhochschulen Planungssicherheit und sogar kleine finanzielle Zuwächse gewähren, müssen fortgeschrieben werden. Die CDU begrüßt Initiativen zur Gründung von Privatuniversitäten. Sie sind Anreiz für die öffentlichen Hochschulen zu mehr Wettbewerb und Leistungsorientierung. Adlershof und Buch müssen als Modelle für die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft weiter vorangebracht werden. Die CDU will einen Forschungs- und Zukunftsfonds einrichten zur Förderung von Projekten, die Institute und Unternehmen auf zukunftsträchtigen Forschungsfeldern unter Einsatz eigener Mittel planen. Er soll aus den Erlösen staatlicher Betriebe finanziert werden.

Die CDU fördert den Wettbewerb der deutschen Hochschulen untereinander. Er stärkt das Profil der Hochschulen und erleichtert den Studierenden die Orientierung. Eine finanzielle Grundsicherung für die Universitäten und gesetzliche Rahmenbedingungen muß der Staat gewährleisten. Darüber hinaus sind die Hochschulen zu tiefgreifenden Reformen, mehr Leistung und Wettbewerb verpflichtet.

Die Bemessung des Hochschulhaushalts durch den Staat soll nach einem Anreiz- und Sanktionssystem erfolgen. Mögliche Kriterien der Mittelzuweisung wären z.B. die Anzahl der Studierenden, die in der Regelstudienzeit erfolgreich abschließen; Frauenförderung; Einwerbung von Drittmitteln; Evaluation der Lehrleistung; Anzahl der Promotionen; Innovationen wie beispielsweise Patentanmeldungen etc. Mit allen Unis müssen dazu Zielvereinbarungen abgeschlossen werden. Eine Voraussetzung für einen stärkeren Wettbewerb der Hochschulen untereinander ist die verstärkte Zulassung Studierender nach Auswahlgesprächen. Die CDU fordert eine stärkere Zweiteilung des Studiums in einen berufsqualifizierenden ersten Abschnitt und ein wissenschaftliches Aufbaustudium. Die Modularisierung der Studiengänge erhöht die Durchlässigkeit zwischen Studiengängen und Universitäten. Sie schafft ein breiteres Bildungsangebot und eine bessere Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. Das Credit-Point-System soll zügig eingeführt werden. Studiengänge müssen evaluiert und Lehrveranstaltungen durch peer groups und Studierende bewertet werden. Freischußregelungen müssen in allen dafür geeigneten Studienfächern eingeführt werden. Die Förderung der Frauen an den Berliner Hochschulen muß gezielt ausgebaut, und laufende frauenfördernde Programme sollen fortgesetzt werden. Die CDU befürwortet ein flexibleres öffentliches Dienstrecht und die Schaffung von zeitlich befristeten Professuren. Sie fordert eine offene Diskussion über sozialverträgliche Studienbeiträge.

Monika Grütters, Hochschulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion


SPD

Entwicklung zu einer Teamhochschule

Hat der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof Zukunft?
Die jetzt abgeschlossenen Hochschulverträge sichern in der gegenwärtigen Struktur bis zum Jahre 2002 die 85.000 Studienplätze. Sowohl durch strukturelle Qualifizierung der Berliner Hochschullandschaft als auch durch Erweiterung von finanziellen Spielräumen muß aus bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Gründen die Studienplatzzahl in Berlin, vorwiegend durch den Ausbau von Fachhochschulen, auf 100.000 Studienplätze erweitert werden. Die Hochschulverträge sind zu echten Leistungsverträgen zwischen Staat, Gesellschaft und Hochschule weiterzuentwickeln.

Der Generationenwechsel der Lehrenden an den Hochschulen stellt eine Chance für Reformen dar, eine Reform des Personal- und Dienstrechtes an den Hochschulen ist eine dringende Aufgabe für Berlin, die Länder und den Bund. Die Förderung des Nachwuchses und der Frauen muß Bestandteil einer solchen Reform sein. Das Studium muß studierbar werden und die Betreuung exzellent, Modularisierung und Internationalisierung des Studiums können nur so die erhofften Effekte erzielen. Chancengleichheit wird dann nicht durch die notwendige Differenzierung innerhalb und zwischen den Hochschulen gefährdet, wenn die Durchlässigkeit im Hochschulsystem für Lernende und Lehrende gewährleistet wird.

Die Rechte zur Mitbestimmung der Hochschulmitglieder, besonders der Studierenden, muß den erweiterten Aufgaben der Selbstverwaltung, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, angepaßt werden. Eine Entwicklung von der monarchistischen Ordinarienuniversität über eine ständische Gruppenuniversität zu einer demokratischen Teamhochschule ist unabdingbar. Studierende müssen in die Lage versetzt werden, in der Regelstudienzeit ein Studium abschließen zu können, auch und vor allem durch eine Verbesserung der Ausbildungsförderung.

Im notwendigen Umbau der wirtschaftlichen Grundlagen des Landes Berlin wird der Wissenschaft und Forschung eine Schlüsselrolle zugebilligt. Dabei werden große Hoffnungen mit Standorten wie Adlershof und Buch verbunden. Solche Hoffnungen sind nur dann realistisch, wenn diese Zentren von allen Hochschulen des Landes innovativ genutzt werden können. Eine weitere Verlagerung von Forschung aus den Hochschulen muß verhindert werden.

Hochschulen lassen sich nicht nur durch platte ökonomische Wechselwirkungen beschreiben. Sie müssen ihre Aufgabe als Kritiker, Betrachter, Berater, Untersucher und teils Therapeuten der sie umgebenden Gesellschaft weiter ausbauen, sich aber gleichzeitig auch gegenüber dieser Gesellschaft legitimieren.

Dr. Bert Flemming, Hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion


F.D.P.

Freiheit und Unterstützung für leistungsstarke Unis

Was wird aus der Frauenförderung?
85000 Studienplätze in Berlin sind zu wenig für die über 130000 Studierenden und ergeben für die Region Berlin/Brandenburg nur 80 % der Bundesstudienplatzdichte. Da Brandenburg auf viele Studiengänge, z.B. Medizin, verzichtet, muß Berlin seine Hochschulzuschüsse sofort um ca. 25 % erhöhen, um den Länderdurchschnitt zu erreichen. Bei der an sich vernünftigen gemeinsamen Planung ist nämlich kein Finanzausgleich vereinbart worden. Haushaltsmittel müssen vorhanden sein, wenn Berlin wenige Gehminuten von Abgeordnetenhaus und Rathaus ein Gebäude für seine Bundesvertretung einrichtet, oder wenn der Regierende Bürgermeister 200 Mio DM für das dem Land nicht gehörende Olympiastadion ausgeben will. Im übrigen ist der Hochschul- und Forschungsbereich mit ca. 4 Mrd. DM/Jahr Umsatz und ca. 1,5 Mrd. Ausgaben der Studenten einer der Hauptwirtschaftszweige der Stadt.

Haushaltsverantwortung und -globalisierung sind wesentliche Teile der Hochschulautonomie. Im Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) von 1978 hat die F.D.P. in der Koalition mit der CDU die deutschlandweit liberalste und kooperativste Ausfüllung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) durchgesetzt, so daß 1990 der SPD/Grünen-Koalition nur geringe Änderungen nötig erschienen, z.B. zugunsten der Studentischen Hilfskräfte. Unsere Position von 1982 ist weiter aktuell: ”Erfahrungen haben gezeigt, daß trotz aller gegenwärtigen Probleme die Funktionsschwächen noch stärker werden, wenn z.B. die Hochschulautonomie, das Haushaltsrecht, das partnerschaftliche Zusammenwirken von Staat und Hochschule und das grundsätzlich gleichberechtigte Mitwirken aller Hochschulangehörigen einseitig in Frage gestellt wird".

Daraus folgt, daß die Hochschulverträge für 1997-2002 nach dem CDU/SPD- Haushaltsstrukturgesetz 1996 in Form und Inhalt ungeeignet zur Durchsetzung von Reformen sind. Materiell abhängigen Hochschulleitungen aufgezwungene ”ungleiche Verträge" sind grundsätzlich illiberal; sie beschneiden zudem die Rechte der Abgeordneten sowie der Akademischen Senate und Kuratorien. Angeordnete Studien- und Forschungsreformen bleiben ohne Sachverstand und freiwilliges Mitwirken der Hochschulangehörigen bestenfalls Umettikettierungen, können aber die negativen Folgen von Kürzungen (”Die Sparzwänge, die den Berliner Universitäten innerhalb kürzester Zeit auferlegt worden sind, sind barbarisch", Prof. D. Simon, Mai 99) noch verschlimmern. Die Staatszuschüsse sind neben einer Grundausstattung nach realen Studenten- (nicht geplanten ”Plätzen") und Absolventenzahlen zu bemessen. Die Halbierung der TU-Professorenzahl nach Strukturplan führt zu starker Überalterung und Leistungsabfall, wenn nicht in größerer Zahl Hochschuldozenten C2 berufen und für besonders qualifizierte Promovierte ”Assistenzprofessuren" (HRG-Ergänzung nötig) mit weitgehender Lehr- und Forschungsfreiheit geschaffen werden.

Heinrich von Hirschhausen, Vorsitzender des Fachausschusses Hochschulen, Forschung, Technologie der F.D.P. Berlin


PDS

Reform der Personalstruktur

100000 wirklich ausfinanzierte Studienplätze sind für die PDS-Fraktion das Minimum, das Berlin auch mit Blick auf die Region sichern muß. Der Senatskurs auf 85000 Studienplätze ist, völlig abgekoppelt vom vorhersehbaren Bedarf, einzig dem Diktat der Finanzen geschuldet.

Wir fordern deshalb finanzielle Umschichtungen im Gesamthaushalt, aber auch innerhalb des Wissenschaftsetats, beispielsweise bei der unverhältnismäßigen Subventionierung von Prestigeprojekten wie BESSY II in Adlershof. Wir prüfen gegenwärtig, wie sinnvoll und durchsetzbar ein Hochschulfinanzausgleich auf Länderebene sowie zwischen Bund und Ländern sein könnte. Studiengebühren lehnen wir in jeder Form ab und fordern ein gesetzliches Verbot. Zusätzliche Auswahlverfahren und Eingangsprüfungen lehnen wir ebenfalls ab.

Was an einigen Berliner Hochschulen unter dem Signum der Erprobungsklausel als ”Reform" eingeleitet wurde, dient aus unserer Sicht in erster Linie einer Stärkung der Leitungsebene und der Aushöhlung der Gruppenhochschule. Ein Beispiel dafür ist, wie die Mitbestimmungsrechte insbesondere der Personalvertretungen, aber auch der Frauenbeauftragten eingeschränkt wurden. Mit einem von uns initiierten Antrag zur Änderung des § 59 BerlHG ist hier gerade versucht worden, wenigstens den Status quo zu erhalten.

Dringlich ist eine Reform der Personalstruktur. Der akademische Mittelbau muß gestärkt, persönliche Abhängigkeiten müssen aufgebrochen werden. Der Tarifvertrag für studentische Beschäftigte ist zu erhalten, darüber hinaus sollen alle Beschäftigungsverhältnisse im Wissenschaftsbereich tarifvertraglich geregelt werden. Der Beamtenstatus ist verzichtbar. Die Benachteilung von Frauen muß beseitigt werden. Wir fordern hier u.a. uneingeschränkte Geltung des Landesgleichstellungsgesetzes in den Hochschulen, eine gleitende Quotierung im wissenschaftlichen Bereich, Zielvereinbarungen, deren Nichteinhaltung mit Sanktionen verbunden ist und den Ausbau der Rechte der Frauenbeauftragten z.B. über Verbandsklagerecht und eine Schiedsstelle für Gleichstellungsfragen.

Der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof wird durch eine überdimensionierte, unflexible, auf Prestigeprojekte konzentrierte Planung gefährdet, bei der in erster Linie die Interessen der Baulobby Pate stehen. Künftig sollten hier nur noch zwei Senatsverwaltungen entscheiden: die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und kulturelle Angelegenheiten sowie die - künftig um den Bereich Technologie zu erweiternde - Senatsverwaltung für Wirtschaft. Mittelfristig sollten die Bildung einer Stiftung zur Entwicklung des WISTA und die Einrichtung eines erweiterten Beirats zur Beratung des Gesamtprojektes geprüft werden. Der Umzug der Humboldt-Naturwissenschaften darf nicht dazu dienen, die WISTA Management AG zu subventionieren.

Dr. Wolfgang Girnus, Wissenschaftspolitischer Sprecher, und Benjamin Hoff, Bildungspolitischer Sprecher der PDS


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