TU intern - Mai 1999 - Wissenschaft

Gesundheit und Prostitution

Eine der Magisterarbeiten, die jüngst mit dem Hertha-Nathorff-Preis ausgezeichnet worden sind, beschäftigt sich mit der gesundheitlichen Lage von Prostituierten. Monika Krüger geht in ihrer Arbeit von dem Ansatz aus, Prostitutionstätigkeit als spezielle Form der Erwerbstätigkeit anzusehen. Vor diesem Hintergrund und dem Gedanken, daß Public Health sich mit der Gesundheitsförderung und Krankheitsverhütung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen beschäftigt, analysiert die Forscherin die Situation der Frauen und zeigt Wege auf, die einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation nützlich sein können. Anhand von Interviews steigt die Psychologin in ein Gebiet ein, das für Arbeits- und Gesundheitswissenschaftler neu ist.

Den Lebensunterhalt durch Prostitution zu verdienen bedeutet, eine Tätigkeit auszuüben, die in weiten Teilen der Bevölkerung nicht angesehen ist und für die es keine arbeitsrechtlichen Grundlagen gibt. Auf diese Weise bewegen sich prostituierende Frauen in einem Freiraum. Monika Krüger: "Besonders gravierend wird die Lage, wenn weitere Faktoren hinzukommen: Ein gutes Drittel der Prostituierten sind Ausländerinnen. Sie sind nicht nur aufgrund ihres oft ungeklärten Aufenthaltstatusses erpreßbar, sondern Sprachprobleme lassen sie gegenüber Zuhältern und Freiern in einer besonders schwachen Position sein." Neben dem rechtlichen Aspekt sind es das besondere soziale Milieu, die extremen Arbeitsbedingungen, aber auch die eigenen Biographien, die es mit sich bringen, daß jede Prostitutionstätigkeit als prinzipiell schädigend für die Gesundheit der Prostituierten anzusehen ist.

VIELFÄLTIGE GEFAHREN

Das soziale Umfeld der Frauen bringt verschiedene Formen von Gefährdungen der Gesundheit mit sich. Der Entzug der Sorgerechte für die Kinder läßt ein Familienleben unmöglich werden. Oft stehen finanzielle Probleme und Sorgen im Vordergrund. Bei finanziellen Abhängigkeiten oder fehlenden Möglichkeiten, sich ausreichend zu versichern, kommen weitere Belastungen hinzu.

Die Tätigkeit selbst ist aus vielerlei Gründen beschwerlich und hinterläßt gesundheitliche Folgen. Zum einen verkürzt Nachtarbeit die Lebenserwartung, zum anderen bergen bestimmte Formen der Prostitution unmittelbar gesundheitliche Risiken. Witterungseinflüsse beim Straßenstrich oder langes Stehen können die Gesundheit in erheblichem Umfang gefährden. Wer mit gewalttätigen Freiern oder Zuhältern zu tun hat, wer riskante oder unangenehme Praktiken ausführen muß oder zur Prostitution gezwungen wird, ist weiteren Gefahren ausgesetzt. Sie wirken sich nicht nur unmittelbar auf den Körper aus, ebenso gewichtig wiegen die damit verbundenen psychischen Belastungen.

ISOLATION UND SCHEINWELT

Schlechte Gefühle oder Schuldzuweisungen führen zur Isolation oder zum Aufbau einer Scheinwelt. In vielen Fällen kommt es bei der Tätigkeit zu einer Abspaltung des eigenen Ichs vom Körper. Emotionale Erschöpfung oder fehlende Authentizität können die Folge sein. Ein negatives Gefühl zum eigenen Körper zieht ein negatives Gesundheitsbewußtsein nach sich. In vielen Fällen sind es die hygienischen Bedingungen des Arbeitsumfeldes, oft aber auch das negative Verhalten der Frauen selbst, das zu gesundheitlichen Schäden führt. Alkohol- und Nikotinmißbrauch hinterlassen ihre Spuren ebenso wie die falsche Anwendung von Medikamenten. Psychisch und physisch ist die Mehrheit der Prostituierten nach einigen Jahren in der Prostitution geschädigt.

Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß es vor allem die Bedingungen sind, unter denen Prostituierte leben und arbeiten müssen, die diese Tätigkeit zu einer gesundheitsschädlichen machen. Veränderungen schnell zu erreichen wird kurzfristig nicht möglich sein. Auf längere Sicht jedoch könnte durch die Veränderung der Rahmenbedingungen den Frauen ermöglichen werden, selbstbestimmter in der Prostitution zu arbeiten, staatliche Angebote wahrzunehmen und sich selbst für ihre Gesundheit zu interessieren. Als Lösungsweg schlägt die Autorin eine Gleichstellung der Prostitutionstätigkeit mit andern Tätigkeiten vor. Auch eine Beseitigung der Sittenwidrigkeit kann helfen, einer allgemeinen Akzeptanz näherzukommen.

German von Blumenthal


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