TU intern - Oktober 1999 - Aktuelles

Mehr Schaden als Nutzen?

Zum Sinn der staatlichen Technologieförderung

Die Finanzierung von Großprojekten, z. B. des Transrapids, haben in der Vergangenheit in erheblichem Umfang öffentliche Fördergelder gebunden
Der Nutzen staatlicher Technologieförderung ist nicht unumstritten. So äußerte zum Beispiel der Innovationsbeauftragte der IG Metall, Georg Werckmeister, die These, dass die staatliche Technologieförderung mehr Schaden als Nutzen gebracht habe. Dies berichtete die Süddeutsche Zeitung am 1. September 1999. Subventionen, so heißt es dort, verkämen entweder zu Mitnahmeeffekten oder machten wie Drogen abhängig. Firmen würden mehr Kraft darauf verwenden Subventionstöpfe anzubohren als Geschäftsideen umzusetzen. Auf der anderen Seite ist in Berlin zur Zeit die Gründung eines Zukunftsfonds in Planung. Rund 310 Millionen Mark, das sind 10 Prozent der Mittel, die aus der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe fließen, sollen innovativen Projekten zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zugute kommen. Staatliche Technologieförderung: Investition in die Zukunft oder herausgeschmissenes Geld? Lesen Sie dazu einen Beitrag von Dr. Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW):

Es erscheint mir problematisch, die Technologie- und Innovationsförderung in Bausch und Bogen als schädlich für die Wirtschaft abzutun. Klar ist, dass Technologie- und Innovationsförderung immer auch eine Förderung von Aktivitäten beinhaltet, die, wenn es um den Markterfolg geht, vom Risiko des Scheiterns bedroht sind. Man kann in der Technologieförderung seitens staatlicher Stellen aber auch von privaten Unternehmen leicht Beispiele für Pleiten, Pech und Pannen aufzählen. Über den Saldo aus Nutzen und Schaden staatlicher Technologiepolitik insgesamt mag jeder spekulieren. Zahlen, die das eine oder andere eindeutig belegten, gibt es nicht.

KEINE FUNDAMENTALE KRISE

Das DIW hat sich in der Vergangenheit bei einer Anzahl von Förderprogrammen der Bundesregierung mit deren Erfolg befasst und in etlichen Fällen kritisch zu der dabei praktizierten Förderung Stellung bezogen. Das DIW führt zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen im Auftrag des Bundesminsteriums für Bildung und Forschung in regelmäßigen Abständen eine Bestandsaufnahme zur technologischen Leistungsfähigkeit des Innovationssystems in Deutschland durch. Dabei wird auf Defizite im Vergleich zu anderen Ländern hingewiesen. Zu der Einschätzung, dass das deutsche Innovationssystem sich in einer fundamentalen Krise im Vergleich zu anderen befindet, kommen diese Untersuchungen jedoch nicht.

In einem Beitrag, der sich mit den Prinzipien moderner Technologiepolitik befasst, habe ich folgende Kriterien aufgestellt, an denen eine moderne Technologiepolitik ausgerichtet werden sollte:

  • Es muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen missionsorientierter und diffusionsorientierter Technologieförderung hergestellt werden;
  • es ist auf eine effiziente Netzwerkbildung im Innovationssystem zu achten;
  • es muss dem Prinzip der lernenden Forschungsorganisation stärkere Beachtung geschenkt werden;
  • es sind Kompetenzzentren für Technologiefelder einzurichten, die eine Bündelung der vorhandenen Kapazitäten in Deutschland gewährleisten;
  • auch in der Technologiepolitik muss das Prinzip der Nachhaltigkeit Eingang finden;
  • im Bereich der Technologieförderung muss das Prinzip der Wettbewerbsorientierung Anwendung finden;
  • es ist eine schlanke Institutionengestaltung anzustreben;
  • es ist die systematische Evaluation der Leistungsfähigkeit des Innovationssystems sicherzustellen;
  • Risikobereitschaft im Bereich der Technologieentwicklung muss durch Risikoanalysen und -kontrollen erreicht werden;
  • es ist das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden, um Ineffizienzen bei der Technologieförderung gering zu halten.

Da es nicht nur staatliche Institutionen gibt, die sich der Finanzierung von innovativen neuen Unternehmen widmen, sondern auch private Geldgeber, kann die Aktivität einer Innovations- und Technologieförderung grundsätzlich nicht ganz fehlgeleitet sein. Als Beispiel seien die Business Angels in den USA genannt, die sich der Innovationsförderung mit einigem Erfolg widmen.

FÖRDEREINRICHTUNGEN EVALUIEREN

Staatliche Fördereinrichtungen müssten jedoch auch einer Erfolgskontrolle und Rechenschaftspflicht unterliegen. Sie sollten, wie geförderte Einrichtungen, nur dann Bestand haben, wenn sie durch eine erfolgreiche Arbeit ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt haben. Daher sollten auch Fördereinrichtungen des Staates von unabhängigen Instanzen regelmäßig evaluiert und entsprechend reorganisiert werden.

EINE GROSSE MARKTFERNE

Ein zentrales Defizit bei der Technologieförderung ist dabei häufig, dass Technologieförderung von vornherein eine große Marktferne aufweisen soll. Je marktferner ein Technologieprojekt ist, desto höher ist heutzutage oftmals die Chance, an staatliche oder auch EU-Fördermittel zu gelangen. Es verwundert daher nicht, dass eine solche staatliche Förderung oftmals keine direkten Erfolge am Markt nachweisen kann.

GROSSTECHNOLOGIEN MÜSSEN MESSBAREN NUTZEN BRINGEN

Die staatliche Technologie- und Innovationsförderung hat darüber hinaus in der Vergangenheit die Neigung gehabt, die Förderung von Großtechnologien in das Zentrum ihrer Bemühungen zu stellen. Ob es die Entwicklung von Nukleartechnologien oder Großraumflugzeugen wie der Airbus-Familie, die Raumfahrt- und Raketenprogramme (Ariane) oder der Transrapid als Technologieträger für die Magnetschwebetechnik sind, diese Programme haben in einem ganz erheblichen Umfang die öffentlichen Fördergelder gebunden. Eine derartige Förderpolitik kann und darf jedoch nicht eine marktferne Technologie- und Innovationsförderung sein. Wer in ganz erheblichem Umfang Mittel der öffentlichen Hand in derartige missionsorientierte Projekte investiert, der sollte einen volkswirtschaftlich messbaren Nutzen aus ihnen für die Allgemeinheit erzielen. Die staatlichen Förderinstanzen sollten daher in besonderem Maße hier rechenschaftspflichtig gemacht werden. Wie die Aufzählung dieser Großprojekte zeigt, kam es oftmals zu Unschärfen hinsichtlich der Rolle des Staates bei diesen Projekten. Dies ist jedoch ein Problem, das nicht nur Deutschland betrifft, sondern alle anderen großen Nationen, die sich hinsichtlich derartiger Großtechnologien engagiert haben, wie die USA, Frankreich, Großbritannien, Japan aber auch Russland und die Volksrepublik China. Bei der Bewertung der Projekte ist zu berücksichtigen, dass sie neben zivilen oftmals auch militärische Ziele verfolgen.

Das GPS (Global Positioning System), das Internet, die Mikroelektronik und viele andere Technologien, die eine breite zivile Anwendung gefunden haben, sind durch staatliche Förderprogramme und oftmals unter direkter staatlicher Leitung und überwiegender Finanzierung realisiert worden. Es fällt in der Rückschau oftmals schwer zu entscheiden, ob diese Förderstrategien angemessen waren, da kontrollierte Experimente im Sinne von "Was wäre gewesen, wenn?" nicht durchführbar sind.

MANGELNDES VORSTELLUNGSVERMÖGEN

In der Regel fehlt es nicht nur dem Staat, sondern den Innovatoren selbst an Vorstellungsvermögen, um zu beurteilen, welche Potenziale in einer neuen Technologie stecken. Die Entdeckung der Laserstrahlen ließ noch keineswegs ihre zentrale künftige Rolle im Bereich der Nachrichtentechnik im Zusammenhang mit Glasfasern, im Bereich der Medizin oder Schweißtechnik erkennen. Diese prinzipiellen Unsicherheiten lassen sich im Bereich von Innovationen kaum im Sinne einer vollkommenen buchhalterischen Kosten-Nutzen-Analyse in den Griff bekommen, da zu viele Informationsprobleme nicht befriedigend gelöst werden können.

Oft fehlt es an Vorstellungsvermögen, um zu beurteilen, welche Potenziale in neuen Technologien stecken. Die Entwicklung des Lasers ist ein Beispiel dafür. Er ist heute nicht nur bei der Datenübertragung per Glasfaser, sondern auch in der Medizin und Materialbearbeitung unverzichtbar
TECHNOLOGISCHE HOCHLEISTUNGEN STATT MARKTFÄHIGER PRODUKTE

Das für Deutschland immer wieder konstatierte Problem bei der Umsetzung von Innovationen zeigt eher an, dass die Probleme in einer ungenügenden systemischen Verzahnung von technologischer Entwicklung mit dem Marktgeschehen zu suchen sind. Traditionell sind Ingenieure wie staatliche Förderinstitutionen in Deutschland zuwenig an den wirtschaftlichen Aspekten ihrer Tätigkeit interessiert. Dies führt zu der oftmals beklagten Neigung zum Overengeneering, dass Produkte und Technologien gegenüber anderen verteuert. Vorrangiges Ziel sind oftmals technologische Höchstleistungen und nicht marktfähige, kostengünstige Produkte. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die deutschen Roboterbauer, die möglichst komplexe Roboter mit fünf Bewegungsachsen entwickelten. Im praktischen Betrieb waren diese gegenüber japanischen 2-Achsen-Robotern zu störanfällig und zu teuer. Diese in Deutschland häufig anzutreffende, grundlegende Schwäche kann durch eine großzügige staatliche Technikförderung eher verstärkt werden. Hier müsste die Technologieförderung mit einer allgemeineren Wirtschaftsförderung bei klarer Arbeitsteilung besser koordiniert werden.

FÖRDERDSCHUNGEL

Neben diesen Problemen einer missionsorientierten Technologieförderung besteht seitens der potentiellen Antragsteller die Kritik an dem hohen bürokratischen Aufwand und der Intransparenz des ganzen Fördersystems. Zu viele oftmals sich überschneidende oder miteinander konkurrierende Förderprogramme auf EU-, Bundes- und Länderebene erschweren es, interessierten Unternehmen, die Fördermöglichkeiten effizient zu nutzen. Aufgrund hoher Transaktionskosten bei der Antragstellung und langwieriger Bewilligungsverfahren verzichten innovative kleine und mittlere Unternehmen oftmals auf die Nutzung derartiger Förderungen. Dies gilt besonders dann, wenn es aufgrund größerer Marktnähe wichtig ist, dort schnell präsent zu sein.

Der Staat steht hier vor einem Dilemma. Zum einen bemüht er sich möglichst korrekt bei der Mittelvergabe zu agieren, zum anderen belastet er damit aber den Antragsteller mit komplizierten Antrags- und Genehmigungsverfahren. So ist es wohl auch tendenziell so, dass erfahrene Großunternehmen wie beispielsweise Siemens mit eingespielten Antragsteams überproportional bei der Vergabe von Fördermitteln partizipieren. Es fällt leichter weniger riskante Projekte zu fördern als risikoreichere, da die Legitimation für eine staatliche Förderung leichter zu erbringen ist, wenn der Projekterfolg schon weitgehend vorgezeichnet ist. Ein risikoaverses Verhalten der Förderinstanzen kann so hinsichtlich der eigentlichen Förderziele kontraproduktiv wirken.

COACHING INNOVATIVER UNTERNEHMEN

Es ist anzuraten, dass Technologie- und Innovationsförderung in einen integrierteren Prozess des coachings innovativer Unternehmen eingebettet wird, wobei beide Seiten flexibel agieren können, aber auch gegenüber externen Kontrollinstanzen rechenschaftspflichtig bleiben. Eine Förderpolitik, die Finanzmittel ohne ausreichende Kenntnis der Projektziele und wirtschaftlichen Perspektiven verteilt, wird rasch in Legitimationsprobleme geraten, wenn die Erfolgsquoten ihrer Fördermaßnahmen weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Hierzu bedarf es jedoch eines entsprechend qualifizierten Personals in den Fördereinrichtungen, das nicht leicht zu gewinnen und bei erfolgreicher Tätigkeit zu halten sein wird.

STEUERLICHE FÖRDERUNG

Als Alternative wäre sonst nur eine indirekte steuerliche Förderung denkbar, bei der sich die Unternehmen anhand steuerrechtlicher Kriterien auf vergleichsweise einfachem Weg finanzielle Vorteile bei ihren Innovationsaktivitäten verschaffen können. Derartige indirekte Förderung wird jedoch in der Regel weniger spezifisch sein und im Zuge eines Gießkannenverfahrens einen größeren Teil von Anspruchsberechtigten begünstigen.

Mit einem Anteil der FuE-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt von 2,5 bis 3 Prozent entspricht Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern durchaus dem internationalen Standard. Dabei sollte in den kommenden Jahren das in den 1990er Jahren verzeichnete Absinken an den unteren Rand dieses Intervalls durch eine Expansion der Mittel wieder umgekehrt werden. In anderen Ländern wie den USA und Japan sind entsprechende Bemühungen bereits etwas früher in Gang gesetzt worden. Es geht jedoch neben solchen Quotenbetrachtungen um die deutliche Verbesserung der mikroökonomischen Effizienz des Innovationssystems, die in der Regel weitaus schwieriger zu erreichen ist.

Georg Erber

Literatur:
BMBF (1999), Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, Zusammenfassender Endbericht 1998, Bonn, Januar 1999.
Erber, G. (1998), Prinzipien moderner Technologiepolitik DIW-Diskussionspapier Nr. 159, Berlin, Januar 1998.

Leserzuschriften:
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