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6. Prinzipien und Optionen der Gestaltung des Controlling
im Verhältnis Hochschulleitung-Fakultäten
Gestaltungs- Frage 1
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Welches sind die grundlegenden Elemente des Controllingsystems
im Rahmen der Budgetierung?
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Gestaltungsprinzipien:
Das Controlling muß die Ergebnisse der Budgetierung dokumentieren
und so aufarbeiten, daß sie im Hinblick auf die Ziele der
Hochschule bewertet werden und neue Inputs für die Budgetierung
der nächsten Periode vermitteln. Im einzelnen umfaßt
das Controlling folgende Teilsysteme:
- Die Messung der Indikatorwerte, die im Rahmen der formelgebundenen
Mittelvergabe verwendet werden. Angesichts der Veränderungen
der Indikatorwerte kann man erstens Rückschlüsse darauf
ziehen, wie die finanzielle Honorierung der Indikatorwerte das
Verhalten der Entscheidungsträger beeinflußt. Dies
hat möglicherweise Rückkoppelungen zur Gestaltung des
Formelsystems (wenn man z.B. erkennt, daß erhoffte Effekte
gar nicht erzielbar sind). Zweitens sind die Meßwerte der
unmittelbare Input zur Kalkulation der Globalsummen für die
nächste Periode.
- Die Messung der Erreichung vereinbarter Ziele. Grundbedingung
im Rahmen der Zielvereinbarung war die Operationalisierung und
Meßbarkeit der Ziele; im Rahmen des Controlling muß
laufend der Stand der Zielerreichung (auch bei langfristigen Zielen)
dokumentiert werden. Dazu gehört auch eine Abweichungsanalyse:
Sollten die Ziele verfehlt werden, muß das Informationssystem
eine Kausalanalyse der Ursachen ermöglichen, um entsprechend
gegensteuern zu können. Die Messungen beziehen sich auf alle
Bereiche der Zielvereinbarungen; das Controlling muß also
sowohl die Fakultätsentwicklungspläne als auch die im
Rahmen zentraler Pools vereinbarten Ziele meßtechnisch umsetzen.
- Die Qualitätsmessung und -sicherung. Dies ist
eine Rahmenbedingung für das Funktionieren der formelgebundenen
Mittelvergabe. Formelsysteme sind quantitativ ausgerichtet und
implizieren theoretisch die Möglichkeit, Mengengrößen
durch Qualitätssenkungen zu steigern. Aus diesem Grund sind
ergänzend Qualitätssicherungsmaßnahmen zu realisieren,
insbesondere durch regelmäßige Selbst- und Peer-Evaluation.
Qualität ergebnisbezogen zu messen, ist häufig schwierig.
In diesem Fall bietet sich der Ausweg der verfahrensbezogenen
Operationalisierung: vereinbart werden Ziele im Hinblick auf die
Einführung von Qualitätssicherungsverfahren in festgelegten
Schritten und Zeiträumen. Die Messung besteht dann in der
Überprüfung, ob die Schritte vereinbarungsgemäß
realisiert sind.
Umsetzungsvorschlag für die TU Berlin:
Ein Controlling-System in allen genannten Teilbereichen ist notwendige
Voraussetzung für eine funktionsfähige Budgetierung
und daher schnellstmöglich (aufbauend auf bestehenden Informationssystemen)
einzuführen.
Gestaltungs- Frage 2
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Welche Rolle spielt eine Kosten- und Leistungsrechnung und wie
sollte sie hochschuladäquat realisiert werden?
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Gestaltungsprinzipien:
Über die Rolle der Kosten- und Leistungsrechnung im Rahmen
der Budgetierung bestehen häufig Mißverständnisse:
- Eine ausgebaute Kosten- und Leistungsrechnung wird häufig
als Voraussetzung für die formelgebundene Mittelvergabe betrachtet.
Dies verkennt den groben Charakter der Indikatorsteuerung: Da
keine Feinsteuerung betrieben werden darf, benötigt man nur
wenige Kennzahlen zur Mittelverteilung, die keine umfassende Kosten-
und Leistungsrechnung erfordern. Ähnliches gilt für
die Mittelvergabe nach Zielvereinbarungen: Je nach Zweck der Zielvereinbarungen
braucht man selektiv bestimmte Daten, z.B. zur Abbildung eines
Kernziels im Rahmen eines "Aktionsprogramms". Einige
dieser Daten können sich in der Kosten- und Leistungsrechnung
finden, es geht also allenfalls um eine Schnittmenge.
- Zum Teil besteht die Ansicht, man müsse die in der Industrie
praktizierten Verfahren auf Basis des kaufmännischen Rechnungswesens
zwingend kopieren, insbesondere im Hinblick auf eine produktbezogene
Kostenträgerrechnung. Durch die Gegenüberstellung einer
produktbezogenen Kostenträgerrechnung mit den Umsatzerlösen
werden in der Industrie u.a. Deckungsbeiträge bzw. der Betriebserfolg
ermittelt und Produktpreise kalkuliert. Eine Hochschule braucht
eine solche Rechnung nicht in gleicher Weise und verfügt
auch über keine entsprechenden Leistungsdaten. Anhaltspunkte
zu den Leistungen ergeben sich für die Hochschulen statt
dessen aus Kennzahlensystemen und deren Interpretation.
Wie soll also die adäquate Kosten- und Leistungsrechnung
für eine Hochschule aussehen und wozu benötigt man sie?
Dies läßt sich nur beantworten, wenn man die Zwecke
betrachtet, die eine solche Rechnung in einer Hochschule erfüllt:
- Die Kosten- und Leistungsrechnung ist ein wesentliches Informationsinstrument
zur Fundierung der operativen Entscheidungen in den Fakultäten.
Dezentrale Entscheidungsträger können nur dann wirtschaftliche
(kostenbewußte) Entscheidungen treffen, wenn sie wissen,
welche Kosten damit verbunden sind und wie die Kosten angesichts
der Leistungsdaten zu interpretieren sind. Die Kosten- und Leistungs-Rechnung
ist also primär ein Managementinstrument für den besseren
Umgang mit der Finanzautonomie (wie in 5.2 bei der Darstellung
solcher Instrumente bereits angesprochen wurde). Die primäre
Funktion liegt somit in der Transparenz und Analyse des Ressourcenverbrauchs.
- Einzelne Ausschnitte aus den Kosten- und Leistungsdaten sind
für alle genannten Teilsysteme des Controlling auf Ebene
der gesamten Hochschule verwertbar. Das ist jedoch eher ein "Nebeneffekt";
die Gestaltung der Kosten- und Leistungsrechung ist zuvorderst
auf die Erfordernisse der fakultätsinternen Entscheidungsunterstützung
ausgerichtet.
Im einzelnen enthält eine hochschuladäquate Kosten-
und Leistungsrechnung folgende Komponenten:
- Kostenartenrechnung: Hier werden alle entstehenden
Kosten systematisch erfaßt. Dazu gehören auch alle
Personalkosten und kalkulatorische Kosten sowie verrechnete Raum-,
Gebäude- und Stromkosten. Der Fortschritt besteht hier also
insbesondere darin, daß alle Arten von Kosten transparent
gemacht werden und damit in Entscheidungen einfließen.
- Kostenstellenrechnung: Durch die Zuordnung zu Kostenstellen
werden Verantwortlichkeiten für Kosten zugewiesen. Der Kostenstellenverantwortliche
erhält die Information, welche Kosten aus seinen Entscheidungen
resultieren.
- Kostenträgerrechnung: Wie erläutert, kann
es in einem pragmatischen Ansatz nicht um eine produktbezogene
Kalkulation gehen. Ziel ist es nicht, alle Kosten umfassend auf
Forschungs- und Lehrprodukte zu verrechnen. Vielmehr muß
die Kostenrechnung flexibel ermöglichen, Kosten fallweise
bestimmten Kostenträgern wie z.B. Projekten oder auch Werkstätten
zuzuordnen, um konkrete Entscheidungen zu unterstützen; beispielsweise:
Was hat das Projekt gekostet im Vergleich zu den Drittmitteln,
die daraus erzielt wurden? Was kostet vermutlich eine Erweiterung
der bestehenden Werkstätten, wenn man auf Basis der vorliegenden
Kostendaten kalkuliert?
- Leistungsdaten: Hier geht es um eine Sammlung aussagefähiger
Kennzahlen in Forschung und Lehre, jeweils auf gleicher Entscheidungsebene
wie die betrachteten Kosten, anhand derer man die Kostendaten
interpretieren kann. Solche Daten sind, wenn man beispielsweise
die Lehrstuhlebene betrachtet, die Zahl und Arten der durchgeführten
Veranstaltungen, Zahl und Noten der Prüflinge, Zahl der Diplom-
und Semesterarbeiten, Zahl der Doktoranden/Habilitanden, Zahl
der Publikationen/Vorträge/organisierten Veranstaltungen,
Drittmittelvolumen u.ä. (gegebenenfalls in aussagefähige
Beziehungszahlen umgesetzt).
Wichtig ist, daß alle Daten je nach den Bedürfnissen
der Entscheidungsträger auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus
verfügbar sind. So benötigt der einzelne Wissenschaftler
die Daten auf Lehrstuhlebene, für den Dekan müssen sie
auf Fakultätsebene ausgeworfen werden. Dies muß möglichst
zeitnah (am besten online) geschehen.
Gestaltungsoptionen:
Man kann einerseits versuchen, ein theoretisch bis ins letzte
durchdachtes und detailliert ausgearbeitetes Optimalmodell
der Kosten- und Leistungsrechung auszuarbeiten. Oder man kann
andererseits in einem pragmatischen Modell an den bestehenden,
kameralistischen Informationssystemen ansetzen und daraus ein
relativ einfaches, sich kontinuierlich weiterentwickelndes Modell
realisieren.
Bewertung der Optionen:
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit muß auch für die Einführung
von Managementinstrumenten gelten; die Kosten- und Leistungsrechnung
ist daher so zu gestalten, daß ihr Nutzen in einem sinnvollen
Verhältnis zu den Kosten der Implementierung, Datenerhebung
und -pflege steht. Würde ein "Datenfriedhof" mit
Informationen geschaffen, die für Entscheidungen gar nicht
gebraucht werden, sollte man auf die Kosten- und Leistungsrechnung
lieber verzichten. Dies legt nahe, die pragmatische Option zu
wählen, und dabei das Rechnungsverfahren von vorneherein
unter Beteiligung derer, die später das Informationsinstrument
nutzen, zu konzipieren, um die Rechnung bedarfsgerecht zu gestalten.
Dieser Weg ermöglicht einen raschen Einstieg in die Kosten-
und Leistungsrechnung und trägt wesentlich zur Akzeptanz
eines solchen Instruments bei, das von und mit den Nutzern lebt,
indem Kosten- und Leistungsdaten laufend diskutiert und fortentwickelt
werden.
Umsetzungsvorschläge für die TU Berlin:
- Es wird der pragmatische Ansatz gewählt. Zur Entwicklung
eines pragmatischen Rechnungssystems sollen die aktuellen Entwicklungen
pragmatischer Verfahren (TU München, HIS-COP) beobachtet
und ausgewertet werden. Daraus ist ein eigener, bedarfsgerechter
Ansatz für die TU Berlin zu entwickeln.
- Die Entwicklung der Kosten- und Leistungsrechnung ist Angelegenheit
der zentralen Leitungsebene der Hochschule. Ein funktionsfähiges
Rechnungsverfahren muß einheitlich ohne individuelle Gestaltungsspielräume
konzipiert sein. So müssen einheitliche Formulare und Erhebungsmasken
verwendet werden; eine hochschulweite Vernetzung muß möglich
sein. Unentbehrliche Grundlage für ein solches standardisiertes
Modell ist allerdings die Erhebung des Informationsbedarfs bei
den Fakultäten. Zudem muß das Verfahren bedarfsgerechte,
individuelle Auswertungen zulassen.
Gestaltungs- Frage 3
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Welche Verbindung besteht zwischen dem Controllingsystem der Budgetierung
und der Rechenschaftslegung?
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Gestaltungsprinzipien:
Die Rechenschaftslegung wird hier als eigenständiger Bereich
neben der Budgetierung betrachtet; dennoch bestehen enge Beziehungen
zwischen beiden:
- Die Rechenschaftslegung macht die Ergebnisse der Mittelbewirtschaftung
nach außen transparent. Wesentliches Ziel ist dabei, Globalzuweisungen
zu legitimieren, dadurch die Finanzautonomie langfristig abzusichern
und den staatlichen Entscheidungsträgern sowie der Öffentlichkeit
zu verdeutlichen, daß die autonome Hochschule "value
for money" erbringt.
- Das Budgetierungs-Controlling greift flexibel und zielorientiert
Ausschnitte aus den bestehenden Instrumenten der Rechenschaftslegung
heraus. Die Instrumente der Rechenschaftslegung sind im Zeitablauf
stabil, das Controlling paßt sich an die verfolgten Ziele
an. Die Rechenschaftslegung stellt einen Ausgangspunkt für
Zielvereinbarungen dar, denn sie bietet informatorische Anhaltspunkte
über zu vereinbarende, operationale Zielgrößen.
Umsetzungsvorschlag für die TU Berlin:
Rechenschaftslegung und Controlling sollten eng miteinander abgestimmt
werden. Folgende Elemente der Rechenschaftslegung liegen vor und
sollten bei allen Konzepten für ein Budgetierungs-Controlling
und für Zielvereinbarungen berücksichtigt werden:
- der Lehrbericht der TU Berlin,
- der Forschungsbericht der TU Berlin und
- der Kennzahlenbericht der TU Berlin.
Gestaltungs- Frage 4
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Wie sollen die finanziellen Rückkoppelungen vom Controlling
auf die Mittelvergabe gestaltet werden?
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Gestaltungsprinzipien:
Grundlegend ist das Prinzip, daß die im Rahmen des Controlling
erhobenen Ergebnisse des Budgetierungsprozesses Rückwirkungen
auf die Mittelvergabe erzeugen sollen.
Gestaltungsoptionen:
Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
- Über die Indikatorsteuerung erfolgt die Rückwirkung
automatisiert.
- Bei den Zielvereinbarungen kann der Grad der Zielerreichung
finanziell honoriert werden. Die Frage ist, ob man dies automatisiert
handhaben soll, oder ob man von dem Ergebnis der Abweichungsanalyse
abhängig machen soll, ob eine Zielverfehlung tatsächlich
sanktioniert wird. Auf die Sanktionierung sollte v.a. dann verzichtet
werden, wenn sich in der Zwischenzeit das Ziel als nicht mehr
relevant herausgestellt hat.
- Die Ergebnisse in bezug auf die Erreichung der vereinbarten
Ziele haben auch insofern Rückwirkung auf die Mittelvergabe,
als daß das Zielsystem gegebenenfalls revidiert wird (wenn
sich beispielsweise bestimmte Ziele als nicht mehr relevant erweisen,
dafür aber andere an Bedeutung gewinnen).
- Auch die Ergebnisse von Evaluationen kann man mit finanziellen
Rückkoppelungen versehen, beispielsweise indem sie zum Gegenstand
von Zielvereinbarungen gemacht werden oder indem bei Diagnose
gravierender Qualitätsmängel Mittel bis zur Behebung
der Mängel vorübergehend gesperrt werden.
Bewertung der Optionen:
Über den Einsatz der Möglichkeiten muß ein hochschulinterner
Entscheidungsprozeß stattfinden. In zweierlei Beziehung
muß man mit den genannten Optionen vorsichtig umgehen:
- Es besteht die Gefahr, daß eine starke Berücksichtigung
der Abweichungsanalysen bei der Mittelvergabe die Wirksamkeit
der finanziellen Anreize hemmt und hohen Verwaltungsaufwand erfordert.
- Es besteht die Gefahr, daß bei direkter finanzieller
Relevanz von Evaluationsergebnissen eine Tendenz zur Manipulation
von Evaluationen resultiert.
Umsetzungsvorschläge für die TU Berlin:
- Das Controlling sollte die Überprüfung einschließen,
ob die vereinbarten Ziele und Zielwerte noch als relevant und
geeignet zu betrachten sind. Vorbehaltlich dieser Überprüfung
sind die finanziellen Rückwirkungen zu automatisieren. Ansonsten
dient eine Abweichungsanalyse vorwiegend den dezentralen Verantwortlichen
als Informationsgrundlage für ein Gegensteuern bei Zielverfehlungen.
- Evaluationen sollten nur über die dargestellte Möglichkeit
zum Sperren von Geldern direkt in die Mittelvergabe einfließen;
sie sollten kein Element von Formeln werden. Im Rahmen von Zielvereinbarungen
wird dann nur die Tatsache honoriert, daß Qualitätssicherung
über Evaluation betrieben wird; es erfolgt aber keine direkte
Belohnung und Sanktionierung von Evaluationsergebnissen.
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